Die Kehrseite der Medaille
Aktienmarkt
Die Kehrseite der Medaille
Die schuldenfinanzierte Konjunkturrakete
zündet am Aktienmarkt allenfalls mittelfristig, aber das erhöhte
Zinsniveau birgt die Gefahr, dass die Anleger risikofreie Renditen bevorzugen.
Von Heidi Rohde
Die Lösung der Schuldenbremse und das geplante milliardenschwere Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur sollten den Kursen am deutschen Aktienmarkt Beine machen. Mit einem Plus von rund 15% seit Jahresbeginn zeigte sich der Dax weder von der wirtschaftlichen Schwäche Deutschlands noch der handelspolitischen Schocktherapie Donald Trumps beeindruckt. Doch aktuell bleiben die Anleger eher zögerlich. Der mittelständisch geprägte MDax, wiewohl augenscheinlich aus jahrelanger Lethargie erwacht, holpert ebenfalls mit erheblichen Ausschlägen dahin. Die schuldenfinanzierte „Konjunkturrakete“ kommt nicht so recht von der Startrampe.
Tatsächlich könnte den Anlegern am Aktienmarkt noch eine Gedulds- und Nervenprobe bevorstehen, die nicht jeder aushalten will. Bis die fundamentalen Trends bei Umsatz und Ergebnis der Unternehmen den so plötzlich hochsteckten Erwartungen Rechnung tragen, werden Jahre ins Land gehen – womöglich mit Ausnahme der Rüstungsbranche. Deren spektakuläre Hausse hat zwar bereits dazu geführt, dass die Kurs-Gewinn-Verhältnisse von Rheinmetall oder Hensoldt sogar SAP deutlich hinter sich lassen. Aber eine europäische Verteidigungsfähigkeit wird als politisch so dringlich angesehen, dass entsprechende Mittel schnell fließen dürften. In anderen Sektoren wird das Gras allerdings kaum schneller wachsen, nur weil man daran zieht. 500 Mrd. Euro für Infrastruktur erscheinen zwar als beachtliches Zusatzpaket, jedoch hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass gut gefüllte Fördertöpfe allzu oft nicht abgerufen wurden. Neben den viel beklagten bürokratischen Hürden bremsen Materialknappheit, Lieferschwierigkeiten und Fachkräftemangel das Geschäft.
Die genannten Hindernisse machen deutlich, dass ein Vergleich mit dem einst von den USA als Investitions-Bazooka aufgelegten Inflation Reduction Act (IRA), der vor allem aufgrund seiner unbürokratischen Konzeption als hochattraktiv galt, nur begrenzt zielführend ist. Hinzu kommt, dass der S&P 500 den Dax von Anfang 2021 bis Ende 2024 zwar mit 15% outperformt hat, aber welchen Einfluss der IRA dabei hatte, lässt sich schwer beziffern. Indes kann man erkennen, dass die in denselben Jahren außergewöhnlich hohe Gewinndynamik von Big Tech bzw. den Glorreichen Sieben mehr als alles andere die Hausse am US-Aktienmarkt genährt hat.
Markanter Zinsanstieg
Während der Wachstumsschub aus den staatlichen Schuldenpaketen zu schwer zu greifen erscheint, um den Aktienmarkt nachhaltig zu treiben, haben die großvolumigen Kreditaufnahmen auch eine Kehrseite. Sie besteht in einem markanten Zinsanstieg. Die Rendite auf zehnjährige Bundesanleihen hat am 5. März einen gewaltigen Sprung um 30 Basispunkte gemacht. Sie steht mittlerweile bei knapp 2,8%. Ende Februar lag sie noch bei 2,4%. Der Zinsanstieg hat sich bereits unmittelbar auf Hypotheken- und Ratenkredite ausgewirkt und dürfte damit auch dämpfende Wirkungen auf die Kreditnachfrage von Unternehmen und Haushalten haben. Diese bleiben vorläufig eine Randnotiz, aber steigende Anleiherenditen erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer größeren Reallokation am Kapitalmarkt.
Dies umso mehr, wenn Risikopapiere ihrem Namen zunehmend gerecht werden. In den USA ist die von Trump mit einer Deregulierungskampagne und Steuersenkungsversprechen angefachte Kursfantasie vollständig verpufft, vor dem Hintergrund verstörender Hauruck-Entscheidungen in der Außen-, Sicherheits- und Zollpolitik. Der Verkaufsdruck im S&P 500 ist ein demonstratives Misstrauensvotum der Anleger mit Blick auf die erhebliche Unsicherheit der wirtschaftlichen Entwicklung. Zugleich locken zehnjährige Treasuries bereits mit einer Rendite von 4,3%. Experten rechnen bereits mit einem nachhaltigen Kurseinbruch am US-Aktienmarkt, falls die Marke von 5% erreicht wird. Auch hierzulande werden die Anleger beginnen, in Alternativen zu denken, wenn die Renditen der Bundesanleihen weiter steigen. Angesichts einer durchschnittlichen Dividendenrendite im Dax von gerade einmal 2,9% könnte es bald so weit sein.