Ein Fall für die Justiz
Baywa
Ein Fall für die Justiz
Von Stefan Kroneck
Die dubiosen Vorgänge um die Existenzkrise der Baywa könnten noch viele Juristen
beschäftigen.
Die Beinahe-Pleite des Agrarhandelskonzerns Baywa hält die Öffentlichkeit in Atem. Für viele stellt sich die Frage, wie ein Traditionsunternehmen aus dem Genossenschaftssektor ein Jahr nach seinem 100-jährigen Bestehen derart selbstverschuldet an den Rand des Abgrunds geraten konnte. Überhastetes Handeln ohne Denken führt zu nichts.
Der Konzernabschluss- und Lagebericht für 2023 macht den Eindruck, als wollten die Akteure die angespannte Finanzsituation kaschieren, weil es ihnen im Jubiläumsjahr selbst peinlich war. Die nach kritischen Medienberichten, auch dieser Zeitung, angeordnete Prüfung der Baywa-Jahresbilanz durch die deutsche Finanzaufsicht BaFin kann einen Impuls setzen für die Klärung der Schuldfrage an dem Desaster. Die Behörde geht dem Verdacht nach, dass die Baywa gegen Transparenzpflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz verstoßen hat. Sie bemängelt die auffällig lückenhafte Darstellung der Risiken.
Auffällige Widersprüche
Dort finden sich Passagen, die aufhorchen lassen. So behauptete der Vorstand in seinem Gesamturteil auf Seite 67, dass „weder Einzelrisiken noch Risiken im Zusammenwirken bestehen, die den Fortbestand des Konzerns gefährden. Auch für die Zukunft sind bestandsgefährdende Risiken gegenwärtig nicht erkennbar.“ Das widerspricht einer zwei Seiten zuvor aufgeführten Feststellung, dass der durchschnittliche Zinssatz für variabel verzinsliche Finanzverbindlichkeiten um 267 Basispunkte auf 4,43% hochschoss. Zur Erinnerung: Die gestiegenen Zinsaufwendungen, die seit Mitte 2023 für ein tiefrotes Finanzergebnis sorgen, waren ein Hauptgrund dafür, dass sich der Konzern am 12. Juli 2024 via Ad-hoc-Meldung zum Sanierungsfall erklärte. Seitdem stützen vor allem die kreditgenossenschaftlichen Eigentümer die hoch verschuldete Firma mit Liquiditätsspritzen.
In seinem uneingeschränkten Testat und Bestätigungsvermerk für 2023, datiert vom 26. März dieses Jahres, setzt der Abschlussprüfer PricewaterhouseCoopers (PwC) der Sache die Krone auf, indem er zum Ergebnis kommt, dass der „Konzernlagebericht insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage des Konzerns“ vermittle. Gemessen an den Erkenntnissen der BaFin hätte PwC im Extremfall das Testat für 2023 verweigern oder zumindest auf Transparenzmängel bei der Darstellung der Risiken hinweisen müssen. Stattdessen machte PwC nichts dergleichen und kassierte für ihre Abschlussprüfung und „andere“ Bestätigungsvermerke von der Baywa ein deutlich um ein Drittel auf 2,4 Mill. Euro erhöhtes Honorar.
Dubioser Millionenbetrag der Baywa r.e.
Zu den „anderen“ Vermerken gehört auch ein ebenfalls uneingeschränktes Testat von PwC für die Solar- und Windkraftanlagenprojekttochter Baywa r.e., datiert vom 22. April. Immerhin stellte PwC darin „Mängel im internen Kontrollsystem“ fest. Die Schieflage der Baywa r.e. war auch ein wesentlicher Grund für die Existenzkrise der Münchner Muttergesellschaft, die an der Tochtergesellschaft noch 51% hält.
Überzeugende Erklärungen für die auffällige zeitliche Diskrepanz der PwC-Testate von einem Monat für die Baywa AG und die Baywa r.e. gaben der Emittent und der Abschlussprüfer nicht. Während man im Konzern von einem „branchenüblichen“ Vorgehen spricht, schweigt PwC dazu. Seltsam ist auch, dass nach Informationen dieser Zeitung die Führung der Baywa r.e. dem Mutterkonzern 260 Mill. Euro zusicherte als Beitrag dafür, eine Ende Juni fällig gewordene Anleihe von 500 Mill. Euro zurückzuzahlen. Diese Mittelzufuhr der Konzerntochter blieb aber aus. Im Geschäftsbericht finden sich dazu keine Angaben. Das Unternehmen informierte die Öffentlichkeit über diese Schwierigkeiten nicht. Die Baywa stemmte die Tilgung dann mit anderen Mitteln.
Aufarbeitung mit anderen Mitteln
Die dubiosen Vorgänge könnten noch viele Juristen beschäftigen. In diesem Fall würde die Aufarbeitung der Misere aber nicht vom Unternehmen, sondern möglicherweise von den Justizbehörden erfolgen. Anwälte bereiten Sammelklagen für Zivilverfahren vor. Dabei muss es nicht bleiben. Auch in einem Strafverfahren könnte die Baywa-Krise ein juristisches Nachspiel haben.