Ende des japanischen Experiments
Japanische Notenbank
Ende eines Experiments
Von Martin Fritz
Wegen seiner Angst vor Deflation und seiner Demografieprobleme bleibt Japan ein Sonderfall der Geldpolitik.
Nach nicht einmal einem Jahr im Amt hat der Gouverneur der Bank of Japan, Kazuo Ueda, der weltweit expansivsten Geldpolitik seines Vorgängers Haruhiko Kuroda unerwartet abrupt den Stecker gezogen. Nach acht Jahren Negativzins kehrt Japan zum bewährten Leitzins von 0,0% bis 0,1% zurück. Die Axt traf auch die Deckelung der 10-jährigen Anleiherendite und die Kaufprogramme für Aktienindex- und Immobilienfonds sowie Unternehmenspapiere. Damit endet ein einzigartiges Experiment.
Kein Land musste jemals solche Vermögensverluste erleiden wie Japan nach dem Kollaps der „Blasenwirtschaft“ der 1980er Jahre. Die Folge waren Jahrzehnte mit stagnierenden und glücklicherweise nur leicht fallenden Löhnen und Preisen, eine Nullzinspolitik der Notenbank und die höchste Staatsschuldenquote der Welt. Diese Krise wollten Premier Shinzo Abe und Gouverneur Kuroda mit ihrer ultraexpansiven Geldpolitik überwinden.
Löhne steigen endlich real
Tatsächlich stiegen Aktien- und Immobilienpreise bald wieder. Aber die deflationäre Mentalität saß zu tief bei Verbrauchern und Unternehmen. Sie sparten lieber, als zu konsumieren und zu investieren. Erst die globalen Preissprünge durch das Auslaufen der Pandemie und den Krieg in der Ukraine setzten die Spirale aus Preisen und Löhnen wieder in Gang. In diesem Frühjahr dürfen sich viele Japaner erstmals seit sehr langer Zeit über einen real positiven Lohnzuwachs freuen.
Diese Entwicklung liefert der Notenbank das stärkste Argument für den Verzicht auf ihre radikalen monetären Instrumente. Mehr ließ sich auf diese Weise nicht erreichen. Man könne nun wieder eine Geldpolitik „wie jede andere Notenbank“ machen, erklärte Ueda. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Japan wird ein Sonderfall bleiben. Weitere Zinsschritte sind tabu. Mit der nachlassenden Inflationsdynamik kehrt die Furcht vor der Deflation zurück. Die Käufe von Staatsanleihen sollen im bisherigen Umfang weitergehen, um das Inflationsziel von 2% „stabil und nachhaltig“ zu erreichen.
Ohne neuerliche externe Schocks wird der Nullzins erst einmal der Normalzustand bleiben. Die Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung und die chronische Wachstumsschwäche der Wirtschaft hängen eng zusammen. Der Staat braucht das billige Geld, um die wachsenden Gesundheits- und Rentenkosten zu finanzieren. Die Stunde der Wahrheit schlägt erst, wenn der Staat mehr Auslandskapital zu seiner Finanzierung braucht. Diese Investoren werden sich nicht mit Niedrigrenditen begnügen.