Epic Fail von Elon Musk
Große Versprechungen sind für Elon Musk ebenso typisch wie die Enttäuschungen, die er Aktionären in der Folge regelmäßig beschert. „Episch“ sollte das Schlussquartal 2022 für den E-Autobauer Tesla werden – es wurde, um im Sprachgebrauch des Tech-Unternehmers zu bleiben, eher zum „Epic Fail“. Auf Social Media bezeichnen Nutzer mit diesem Begriff ein besonders peinliches Versagen, damit passt er gut auf die Auslieferungszahlen von Tesla, die noch hinter den bereits gesenkten Analystenprognosen zurückblieben und das hochgesteckte Unternehmensziel von 50% Wachstum im Jahr sowieso um zehn Prozentpunkte verfehlten.
Es dürfte auf Sicht nicht das letzte Quartal bleiben, in dem Investoren auf Zahlen des E-Autobauers mit einem „Facepalm“-Emoji reagieren oder sich ganz analog an den Kopf fassen. Denn für das Unternehmen wird es angesichts der starken Anstiege der Volumina in den Vorjahren wesentlich schwieriger, die angepeilten Wachstumsraten aufrechtzuerhalten – die Grenznachfrage sinkt. Die US-Großbank J.P. Morgan geht beispielsweise davon aus, dass die Auslieferungen im laufenden Jahr lediglich noch um 26% anziehen dürften, im Jahr 2025 sei gar nur noch mit einem Plus von 20% zu rechnen. Dabei dürfte sich auch der zunehmende Wettbewerb im Elektro-Auto-Segment bemerkbar machen. Tesla hat mit Updates der Modelle S und X zuletzt im Frühjahr 2021 eine Auffrischung der Produktpalette vorgenommen, seither haben zahlreiche Konkurrenten neue Fahrzeuge auf den Markt gebracht.
Tesla ist natürlich nicht allein von der schwachen Nachfrage betroffen. Die gesamte US-Autoindustrie hat 2022 ihr schwächstes Verkaufsjahr seit mehr als einem Jahrzehnt erlebt. Auch kann Tesla im Gegensatz zur Konkurrenz keine Ladenhüter bei externen Autohändlern abladen, um vor Jahresende noch die Auslieferungszahlen zu schönen. Dafür lockte der Elektro-Spezialist Kunden zum Jahresende noch mit massiven Discounts: Wer ein Model 3 oder ein Model Y kaufte, erhielt eine kostenlose Ladung für eine Strecke von 10000 Meilen sowie eine Gutschrift von 7500 Dollar. Letztere fiel damit ebenso hoch aus wie der Steuernachlass, den Käufer einiger E-Autos in den USA für das laufende Jahr geltend machen könnten. Das Unternehmen suchte mit den Discounts also zu verhindern, dass Interessenten den Erwerb ihres Wunschmodells auf 2023 verschieben. Dass zahlreiche Autokäufer darauf nicht eingingen, dürfen Investoren durchaus als Signal einer nachlassenden Strahlkraft der Marke Tesla werten – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Margen.
Hinzu kommt, dass der E-Autobauer im laufenden Jahr auf signifikant höhere Produktionskapazitäten wird zurückgreifen können als 2022. So soll in den Gigafactories in Grünheide bei Berlin sowie in Del Valle nahe Austin 2023 eine Fertigung von 10000 Tesla Model Y pro Woche erreicht werden, im Dezember rollten in der texanischen Fabrik noch 3000 Einheiten des Crossover-SUV pro Woche vom Band. Die bisher gekannten Verhältnisse, unter denen die Nachfrage bei dem E-Autobauer stets das Angebot übertraf, sollten in der Folge ihr Ende finden. Lässt sich die begrenzte Produktionskapazität aber nicht mehr als Begründung heranführen, dürften schwächer als prognostiziert ausgefallene Auslieferungszahlen ungleich stärker auf der Investorenstimmung lasten.
Dabei hat die Tesla-Kapitalmarktstory ohnehin schon stark unter Musks Kontroversen rund um die Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter gelitten. Die resultierenden Imageschäden für Tesla sind enorm. Zudem stieß Musk im Verlauf des vergangenen Jahres im großen Stil Tesla-Anteile ab, um die Twitter-Übernahme finanzieren zu können. Mit den Verkäufen soll zwar vorerst Schluss sein, wie der Milliardär kurz vor Weihnachten gelobte. Doch dürften seine Aussagen angesichts des stark eingetrübten fundamentalen Ausblicks zu spät gekommen sein, um das Anlegersentiment noch bedeutend aufzuhellen.
Für Investoren waren Musks Versprechungen, Tesla werde in wenigen Jahren zum größten Autobauer der Welt aufsteigen, bisher wohl das entscheidende Argument für einen Kauf der Aktie. Diese Erwartung droht ebenso enttäuscht zu werden wie die Hoffnung auf eine geldpolitische Wende in den USA. Der weitere Straffungskurs der Federal Reserve ist nach Ansicht der Analysten von Bloomberg Intelligence trotz der Rücksetzer aus dem vergangenen Jahr noch nicht vollständig in den Kursen amerikanischer Wachstumswerte eingepreist – zu deren führenden Vertretern eben auch Tesla gehört. Für Aktionäre des E-Autobauers bahnt sich damit der nächste „Epic Fail“ an.