LeitartikelDeutsche Konjunktur

Es wird Zeit für Mut

Für die deutsche Wirtschaft gibt es keinen bequemen, einfachen Weg zu mehr Wachstum. Die allermeisten Probleme sind hausgemacht.

Es wird Zeit für Mut

Deutsche Konjunktur

Es wird Zeit für Mut

Von Alexandra Baude

Für die deutsche Wirtschaft gibt es keinen bequemen, einfachen Weg zu mehr Wachstum. Die allermeisten Probleme sind hausgemacht.

Schwache Konjunktur trifft auf strukturelle Probleme. Das Ergebnis: Die deutsche Wirtschaft schrumpft im Frühjahr unerwartet. Ob es bei den bislang gemeldeten −0,1% bleibt, ist fraglich. Noch ist der Datenkranz für Juni nicht komplett, Frühindikatoren lassen aber wenig Raum für Hoffnung, dass die Nachfrage großartig angezogen und die Produktion entsprechend befeuert hätte.

Aus dieser Misere heraus gibt es keinen einfachen, bequemen Weg. Selbst wenn die globale Konjunktur stärker werden sollte, reicht das nicht für die deutsche Wirtschaft. Faktoren wie die Folgen des Inflationsschocks für den Privatkonsum und die Unternehmensinvestitionen oder die Effekte des demografischen Wandels werden so schnell nicht verschwinden. Die deutsche Wirtschaft muss daher ohne Chicken Line, also die leichtere Variante eines schwierigen Mountainbike-Trails, auskommen.

Regierung und Unternehmen brauchen mehr Mut

Dazu braucht es Mut. Mehr als die Regierung mit ihrem bislang vorgestellten Wachstumspaket – das ohnehin erst ab Mitte kommenden Jahres wirken dürfte – bewiesen hat. Aber auch mehr Mut, als so manches Unternehmen derzeit an den Tag legt bzw. legen kann. Dabei würde es sich lohnen und das Wachstum stützen oder – noch besser – stärker als gegenwärtig ankurbeln.

Denn die Konjunktur könnte in der Tat zwar wie erhofft im weiteren Jahresverlauf noch anziehen. Wenngleich wohl weniger dynamisch als derzeit noch von vielen erhofft. Steigende Löhne in Verbindung mit der nachlassenden Inflation dürften den Haushalten wieder mehr Spielraum lassen. Fachkräftemangel und Demografie werden die Beschäftigungsentwicklung unterstützen, was wiederum den Privatkonsum anschiebt. Das GfK-Konsumklima zeugt immerhin schon von einer Stimmungsbelebung. Die Dienstleister dürften davon weiter profitieren. Allerdings leiden auch sie unter Personalnot. Dass Geschäfte die Öffnungszeiten deswegen reduzieren oder gar für immer schließen, ist keine Seltenheit mehr. Und damit eine Bürde für die Konjunktur.

Viele Lösungsansätze

Dabei gibt es reichlich gute Ideen und Best-Practice-Beispiele, um an das teils so schmerzhaft fehlende (ausländische) Personal zu kommen – abseits der diskutierten Steuervergünstigungen, die eher Spaltpilzqualität besitzen. Etwa die unkompliziertere und schnellere Anerkennung von Ausbildungen, die Bereitstellung von Werkswohnungen, bessere Kinderbetreuung oder eine Ausbildungsvergütung, die die berufliche Ausbildung attraktiv macht. Ganz zu schweigen von dem Fakt, dass manche Eltern so viel verdienen, dass der Nachwuchs zwar keine Berufsausbildungsbeihilfe erhält, aber dann doch zu wenig haben, um dem Sprössling Wohnung & Co. in einer anderen Stadt zu finanzieren.

Bessere Finanzierungskonditionen infolge von weiteren Schritten der EZB in der Zinswende könnten die Konjunkturdynamik verstärken. So würde etwa die Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten wieder anziehen und dem kriselnden Baugewerbe auf die Sprünge helfen. Noch besser wäre es, der Gebäudetyp E − E wie einfach bauen, da auf nicht notwendige Standards verzichtet werden kann − könnte bald Wirklichkeit werden. Ebenso wie mehr Förderung und weniger Regulierung.

Es fehlen Investitionen

Auch in der Industrie würden lockerere Finanzierungsbedingungen dringend nötige Investitionen anschieben – etwa in die Energieeffizienz. Gerade die flaue Investitionstätigkeit in Maschinen, Anlagen und Bauten hat das BIP im zweiten Quartal gedrückt. Kein Wunder angesichts der gedämpften Wirtschaftsstimmung. Seit zwei Jahren zeigt der Einkaufsmanagerindex, dass die Industrie im rezessiven Bereich verharrt. Zudem mausert sich China immer mehr vom Käufer deutscher Waren zum Konkurrenten. Neue Wege müssen also beschritten werden. Gut wäre daher auch, die Scheu vor digitalen Technologien wie KI und Big Data abzulegen. An Ideen für Innovationen mangelt es nicht – nur münden sie zu selten in Patente oder Produkte. Der Standort D leidet vor allem an hausgemachten Problemen, die bekannt sind. Sie müssen endlich beherzt und gemeinschaftlich angegangen werden.

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