Europas einmalige Chance
Anti-Geldwäsche
Europas einmalige Chance
Von Detlef Fechtner
Über Geldwäsche wird in der öffentlichen Debatte oft verharmlosend diskutiert. So, als ginge es nur darum, dass sich irgendwer ein wenig bereichere, indem er sich nicht ganz regeltreu verhalte. Das klingt fast verniedlichend. Schließlich ist Geldwäsche in vielen Fällen mit den schrecklichsten Verbrechen verknüpft: mit Menschenhandel, Zwangsprostitution und Drogengeschäften. Mit Misshandlung und Gewalt, mit Mord und Totschlag.
Bessere Chancen für Ermittler
Die erste gute Nachricht lautet: Ermittler und Aufseher haben mittlerweile im Kampf gegen Kriminelle durchaus bessere Chancen als früher. Dank neuer forensischer Methoden, dank der technologischen Fortschritte in der Analyse riesiger Datenmengen, dank des Einsatzes von künstlicher Intelligenz, dank ausgeweiteter Anti-Geldwäsche-Kapazitäten in den Banken und dank einer Neuausrichtung in der Strategie. Längst steht nicht mehr die bloße Überprüfung der Einhaltung von Regeln im Zentrum, sondern die Bündelung von Ressourcen anhand des Risikos. Die Ermittler folgen stärker als früher der Spur des Geldes.
Die zweite gute Nachricht lautet: Europas Gesetzgeber haben mit dem Anti-Geldwäsche-Gesetzespaket deutlich gemacht, dass sie der Bekämpfung des Problems mehr Aufmerksamkeit geben und mehr Mittel zur Verfügung stellen. Und sie haben mit dem Beschluss zur Einrichtung der AMLA, also einer europäischen Behörde zur Geldwäschebekämpfung, gezeigt, dass sie es ernst meinen. Umso mehr kommt es nun darauf an, dass sich die AMLA nicht zu einem zahnlosen Tiger entwickelt oder gar zu einer weiteren bürokratischen Schleife, die nationale Ämter mehr bremst als effektiv koordiniert. Vielmehr sollte durch sie eine wirkungsvoll agierende Schaltzentrale im Kampf gegen Finanzkriminalität entstehen. Und das hängt natürlich maßgeblich mit der Frage zusammen, wer die AMLA leiten wird. Der Leitung kommt gerade in der Pionierzeit des Aufbaus der Behörde eine besondere Rolle zu, zumal sie oder er bei der Organisation und Besetzung der zweiten und dritten Ebene mitredet. Kurzum: Es geht bei der Spitzenpersonalie um viel.
Vorentscheidung am Montag
Am nächsten Montag fällt im EU-Parlament eine bedeutende Vorentscheidung. Die rechtspolitischen und finanzpolitischen Koordinatoren aller Parteien werden unter drei Kandidaten die Person an die EU-Kommission melden, die in ihrem Kreis die größte Unterstützung findet. Die Italienerin Bruna Szego hat lange Zeit die Abwicklung von Banken betreut, beschäftigt sich aber mit Geldwäsche erst seit anderthalb Jahren. Die intensive Befassung mit dem Thema liegt beim Niederländer Jan Reinder de Carpentier wiederum 15 Jahre zurück. Bewerber Nummer drei, Marcus Pleyer, ist seit Jahren der zentrale Ansprechpartner im Kampf gegen Geldwäsche hierzulande. Zudem ist er international eng vernetzt, weil er zwei Jahre lang Präsident der FATF gewesen ist, der internationalen Institution im Kampf gegen Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche. Pleyer gilt deshalb in Brüsseler Kreisen als der Kandidat mit der mit Abstand höchsten Qualifizierung für die Position des AMLA-Chairs.
Sein Nachteil: Er ist Deutscher. Und die AMLA wird ihren Sitz in Frankfurt haben. Nach ungeschriebenen EU-Gesetzen ist es zwar nicht ausgeschlossen, aber doch ungewöhnlich, jemanden zum Chef zu berufen, der aus dem Sitzland einer EU-Behörde kommt. Am Montag wird es daher spannend. Dann haben die Abgeordneten eine einmalige Chance: Im Zuge der jüngsten Anhörungen haben sie von den Anwärtern für die EU-Kommission verlangt, sich europäisch zu bekennen und jeder nationalen Orientierung abzuschwören. Nun können die EU-Parlamentarier zeigen, dass sie sich selbst an dem orientieren, was für die Europäische Union am wirkungsvollsten, am besten ist.
Aus Sicht des Finanzplatzes Frankfurt ist die Frage des AMLA-Chairs übrigens alles andere als eine Randnotiz. Denn von der Ansiedlung der Behörde am Main wird Frankfurt nur profitieren, wenn sie sich als schlagkräftig beweist, sich Respekt erwirbt und nicht zum Spielball nationaler Aufseher degeneriert. Diese Gefahr ist in jedem Fall deutlich geringer, wenn ein erfahrener Geldwäschebekämpfer an die Spitze der Behörde rückt.
Europas Abgeordnete können zeigen, dass sie sich an dem orientieren, was für die EU am besten ist.