Fragwürdige Abwehrstrategie der Banken
Abwehrkampf
Eigenständigkeit ist kein Selbstzweck
Um ihre Eigenständigkeit zu verteidigen, schütten Commerzbank und Banco Sabadell aus, was sie können. Das freut das Aktionariat, kann aber auf Dauer nicht gut gehen.
In der Liebe und im Krieg sind bekanntermaßen alle Mittel erlaubt. Entsprechend groß war die Erleichterung, als Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp relativ schnell klarstellte, dass sie auf die Avancen von Unicredit nicht mit einer Giftpille reagieren werde. Die frühere McKinsey-Partnerin ist Strategin genug um zu wissen, wie schädlich es ist, selbst zuzukaufen, nur um einen potenziellen Käufer abzuschrecken. Und sie ist ambitioniert genug, die Eigenständigkeit der Commerzbank aus eigener Kraft verteidigen zu wollen.
Alles bleibt beim Alten
Wer den eigens anberaumten Kapitalmarkttag der Commerzbank in der Erwartung einer strategischen Vision besuchte, sah sich indes enttäuscht. Mehr als 70 Folien hat Orlopps Mannschaft vollgeschrieben, um unmissverständlich klarzumachen, dass alles beim Alten bleibt. Geschäftsbereiche mit stabilen Erträgen sollen behutsam ausgebaut, bestehende Kundenbeziehungen besser verwertet werden. Um mit dem bekannten Rezept die Profitabilität schneller zu erreichen, setzt die Commerzbank stattdessen bei den Kosten an.
Doch der angekündigte Stellenabbau ist teuer. Denn Orlopp kann es sich in der gegenwärtigen Situation nicht leisten, in harte Verhandlungen mit der Arbeitnehmerbank zu treten. Und er ist gefährlich. So jubelt der neue Verdi-Vertreter im Aufsichtsrat, dass niemand die Commerzbank gegen seinen Willen verlassen muss. Im Umkehrschluss dürfte das jedoch auch bedeuten, dass das Institut manche Leistungsträger wird gehen lassen, die es lieber gehalten hätte. Die Personalabteilungen der Frankfurter Wettbewerber und die im Aufbau befindliche Geldwäschebehörde AMLA werden sich freuen.
Wenig Fantasie, viel Investorenpflege
Alles in allem ein vergleichsweise fantasieloser Vorstoß also. Um trotzdem den erhofften Kurssprung zu erzielen, intensiviert die Commerzbank die Investorenpflege. So stellte Orlopp den Investoren für die kommenden Jahre – nach Abzug der Restrukturierungskosten und den Kuponzahlungen für die regulatorisch vorgeschriebenen Nachranganleihen – eine Ausschüttungsquote von 100% in Aussicht. Und das, obwohl das Institut für 2024 erst zum vierten Mal in seiner 155-jährigen Geschichte überhaupt eine Dividende zahlt. Außerdem muss der vor drei Jahren vorgelegte Kapitalrückgabeplan seine Praxistauglichkeit im Konjunkturzyklus erst noch unter Beweis stellen.
Und die Commerzbank ist kein Einzelfall. In Spanien spielt der von der heimischen Wettbewerberin BBVA bedrängte Banco Sabadell die selbe Karte. Nachdem er mit der Rückverlegung des Hauptsitzes nach Katalonien bereits die nationale Karte gespielt hat, wirbt Sabadell-Chef César González Bueno im Kampf um die betriebswirtschaftliche Unabhängigkeit mit monetären Argumenten um die Unterstützung der Investoren.
Banco Sabadell schüttet gesamtes Kapital aus
Anfang des Jahres kündigte Gonzáles Bueno an, das gesamte Kapital auszuschütten, das nach Abzug einer harten Eigenkapitalquote von 13% überbleibt. „Unsere Kapazität zur Dividendenausschüttung ist jetzt größer als die von BBVA", so der Bankchef bei der Vorstellung der Jahreszahlen. „Unsere Aktionäre müssen daher entscheiden, ob sie das mit BBVA teilen wollen oder lieber allein beibehalten“, sagte er anlässlich der Vorstellung der Jahreszahlen.
Die Aktionäre werden das Geld gerne einstecken. Gleichwohl sollten sie sich gut überlegen, ob sie sich langfristig an Unternehmen beteiligen wollen, die sie in Ermangelung einer tragfähigen Wachstumsstrategie mit kurzfristigen finanziellen Anreizen locken. Die selbe Geisteshaltung hat – freilich in einem anderen Kontext – eine ganze Reihe von Geldhäusern in der großen Krise von 2008 die Existenz und ihre Aktionäre das eingesetzte Kapital gekostet. Und auch die Aufsichtsbehörden werden gut überlegen müssen, wie lange sie dieses Mittel im Abwehrkampf zu lassen. Europa braucht starke Banken, um sich in der neuen Weltordnung zu behaupten, die sich seit dem Regierungswechsel in den USA abzeichnet. Angesichts der externen Schocks, die in den kommenden Jahren drohen, könnte die Rechnung für die Ausschüttungsparty am Ende wieder beim Steuerzahler landen.