EZB-Aufsicht will bessere Performance sehen
Banken
EZB-Aufsicht will bei Banken-Governance mehr Performance
Nach Bankenkrisen in den USA und in der Schweiz wird der EU-Regulierungsrahmen als robust eingeschätzt. Sorgen macht der EZB aber die schwache Governance der Banken.
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Nach den Zusammenbrüchen mehrerer Banken in den USA und der Übernahme der Credit Suisse in der Schweiz haben sich Beobachter die Frage gestellt, ob der durch Basel III gerade erweiterte Regulierungsrahmen schon wieder überholt ist. Dabei stellt sich auch die Frage, wie es um die Banken-Governance bestellt ist, die seit Jahren im Fokus der EZB-Bankenaufsicht steht. Während die Probleme in den USA anders gelagert sind, fällt das Debakel der Credit Suisse unter dieses Thema.
„Mit Blick auf die Schweiz muss man festhalten, dass für die Bankenaufsicht aus den jüngsten Turbulenzen eine Lehre gezogen werden kann: Aufseher müssen ihre Fähigkeit verbessern, erkannte Probleme zu eskalieren und eine rasche Behebung durch die Banken sicherzustellen“, sagt Christian Schiele, Partner der Beratungsgesellschaft ZEB.
Nicht auf Augenhöhe
Das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Aufsicht in eine Bank hängt stark von der Unternehmensführung ab. „In der Wahrnehmung der Kunden und Märkte waren die handelnden Personen in den Führungsorganen der Credit Suisse nur noch eingeschränkt handlungsfähig und glaubwürdig. Gleichzeitig war die Credit Suisse eine politisch gut vernetzte Schweizer Institution“, so Heinz-Gerd Stickling, Partner bei ZEB. Diese Situation habe es der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma besonders schwergemacht, rechtzeitig zu intervenieren.
Heinz-Gerd Stickling, Partner ZEBIn der Wahrnehmung der Kunden und Märkte waren die handelnden Personen in den Führungsorganen der Credit Suisse nur noch eingeschränkt handlungsfähig.
Nicht nur für die Schweiz gilt, dass sich Aufseher oft schwertun, auf Augenhöhe mit globalen Großbanken zu sprechen. „Die EZB tritt im Vergleich zu nationalen Aufsichtsbehörden deutlich selbstbewusster und durchsetzungsstärker auf“, hebt Schiele den Pluspunkt der Europäischen Zentralbank hervor.
Die jüngsten Bankenkrisen zeigten, dass Vertrauen in eine Bank nichts mit der Komplexität und Größe zu tun habe. „Eine schwache Performance oder unzureichende Risikokultur liegt nicht an der Größe, sondern ist das Ergebnis einer schlechten Governance“, sagt Stickling und verweist darauf, dass die Bewertung einer Bank durch die Märkte gemessen an Zahlen wie Marktkapitalisierung, Kurs-Buchwert-Verhältnis und CDS-Spreads oftmals genauso wichtig sei wie die Eigenkapitalausstattung und das Einhalten der Liquiditätsvorschriften. „Die aufsichtsrechtlichen Kennzahlen waren bei der Credit Suisse eher unauffällig.“
Mit einem gewissen Abstand zu den Krisen in den USA und der Schweiz lässt sich heute sagen, dass die Bankenregulierung und die Aufsicht in der EU generell robuster aufgestellt sind. „Die Gesetzgebung ist durch diese Ereignisse im Gegensatz zur Finanzmarktkrise 2007 nicht unmittelbar gefordert“, sagt Schiele.
Christian Saß, Bundesverband deutscher BankenSo etwas hätte in Europa in dieser Form nicht passieren können.
Hinsichtlich der Bankenpleiten in den USA seien die Europäer zu dem Schluss gekommen, dass diesen hausgemachte amerikanische Probleme zugrunde lägen. „So etwas hätte in Europa in dieser Form nicht passieren können. Die Banken werden hier viel intensiver betreut und das Reporting ist sehr viel engmaschiger“, sagt Christian Saß, Experte für Bankenaufsicht beim Bundesverband deutscher Banken. Insofern sei das Governance-Thema in Europa unabhängig von den aktuellen Entwicklungen in den USA zu sehen.
EZB erhöht den Druck
Ungeachtet der Probleme in der Schweiz und in den USA versucht die EZB, höhere Anforderungen bei Banken durchzusetzen. „Ein wichtiges Instrument hierfür ist die Erhöhung des Kapitalniveaus. Schwerwiegende Feststellungen im Rahmen von Prüfungen führen nicht nur zum erhobenen Zeigefinger, sondern auch schnell zu höheren Kapitalanforderungen. Hintergrund sind die Befürchtungen der EZB, dass es zu einer weiteren Krise kommen könnte. Deshalb ist die EZB auch sehr zurückhaltend beim Thema Dividendenausschüttung“, sagt Martin Neisen, Partner bei PwC.
Martin Neisen, Partner bei PwCSchwerwiegende Feststellungen im Rahmen von Prüfungen führen nicht nur zum erhobenen Zeigefinger, sondern auch schnell zu höheren Kapitalanforderungen.
Ein Indikator für eine mögliche Krise sei beispielsweise, dass Banken ein signifikantes Zinsänderungsrisiko aufgebaut haben. „Bei den Baufinanzierungen in Deutschland sind die Zinsen auf der Aktivseite fest, während sie sich auf der Passivseite verändern. Hinzu kommt, dass der Immobilienmarkt sich immer noch in einer Blase befindet. Wenn aber die Preiskorrektur nicht langsam und schrittweise erfolgt, dann kommt sie mit einem Ruck. Ein Minus von 30% würde zu Dominoeffekten führen, Kreditnehmer werden ausfallen“, so Neisen.
Mehr als eine kulturelle Frage
Governance ist nicht auf eine gute Unternehmenskultur begrenzt. Es geht um die rechtzeitige Wahrnehmung von Risiken. „Gut geführte Banken scheitern nicht – warum Governance ein Dauerthema bei Bankenkrisen ist“, lautete das Thema einer Rede von EZB-Chefaufseher Andrea Enria. Er zieht die Verbindung von Risikomanagement zu Governance. „Wenn wir uns die jüngsten Bankenzusammenbrüche ansehen, sehen wir in den meisten Fällen ein Versagen beim Risikomanagement, zum Beispiel beim Zinsrisiko, Liquiditätsrisiko und beim Kreditrisiko der Gegenpartei. Letztendlich ist dies auf schlechte Unternehmensführung zurückzuführen.“
EZB-Chefaufseher Andrea EnriaGut geführte Banken scheitern nicht.
Das verbindende Thema sei, dass die Märkte schwache Banken als "Ausreißer" identifiziert haben, vor allem weil ihre Manager die Risiken nicht richtig gemanagt haben und ihre Vorstände nicht in der Lage waren, die Probleme rechtzeitig zu erkennen und dafür zu sorgen, dass sie schnell behoben werden. Enria: „Die Governance war die Wurzel des Problems.“
Heiligtum der Autonomie
Die EZB erkennt, dass Governance und Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen kein einfacher Bereich für die Aufsichtsbehörden sind. „In der Tat wurde die EZB gelegentlich dafür kritisiert, dass sie sich zu sehr in den Bereich der internen Governance einmischt, den die meisten Banken als das Heiligtum ihrer privaten Autonomie bei der Organisation und Führung ihrer Geschäfte betrachten“, so der scheidende Chefaufseher Enria. Wenn jedoch eine schlechte Unternehmensführung die Lebensfähigkeit einer Bank gefährde, müssten die Aufsichtsbehörden mutig sein und Veränderungen anregen.
Ein Thema für die EZB ist auch die IT-Infrastruktur. Ein Beispiel für schlechte Governance seien die vielen IT-Projekte, die nur halb umgesetzt wurden und doppelt so teuer waren. „Es ist ein Problem, wenn der Vorstand solche Projekte beziehungsweise die Steuerung nicht im Auge hat. Aus Sicht der Aufsicht ist es dann auch nicht angemessen, wenn nach Abschluss eines schlecht ausgeführten Projekts Vorstand und IT-Partner sich dafür feiern lassen“, sagt Neisen.
Auslöser und Ursache
Auch wenn es nicht um neue Regulierungsmaßnahmen in puncto Governance geht, so müssten bestehende Guidelines konsequent umgesetzt werden. Die rasche Veränderung des Zinsumfelds sei nur ein Auslöser gewesen für manche Schwierigkeit. Als Probleme sieht die Aufsicht Schwächen in der Unternehmensführung, schlechtes Aktiv-Passiv-Management, ein schlechtes Management des Zinsänderungsrisikos und einen Mangel an Aufmerksamkeit für die Struktur der Verbindlichkeiten und Einlagen.
Diese Punkte spiegeln sich auch in den schlechten SREP-Werten bei Governance wider sowie dem Druck der EZB, die Anwendung bestehender Leitlinien zur Governance einzufordern. In dem Zusammenhang ist die laufende Konsultation der EZB zu einem neuen Leitfaden (Risk Data Aggregation and Risk Reporting, RDARR) zu sehen. Dabei geht es um die Grundsätze des Baseler Ausschusses (BCBS239).
Christian Schiele, ZEBDas Ergebnis ist stets, dass die Banken im Bereich Governance am schlechtesten abschneiden.
Im Rahmen des Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP, Supervisory Review and Evaluation Process) machen sich die Mitarbeiter der EZB-Bankenaufsicht ein Bild von den Risiken der Banken. „Die EZB veröffentlicht jährlich die Bewertungen der einzelnen SREP-Komponenten. Das Ergebnis ist stets, dass die Banken im Bereich Governance am schlechtesten abschneiden. Mittlerweile hat das Thema bei der EZB eine höhere aufsichtliche Priorität und steht oben auf der Tagesordnung“, sagt Christian Schiele. Fast 75% der Banken erreichen den zweitschlechtesten SREP-Score, nicht eine einzige den besten.
Die EZB hat Governance-Schwächen schon seit einiger Zeit als eine der wichtigsten Prioritäten der Aufsicht hervorgehoben. Die Governance sei der Bereich, zu dem die EZB in SREP die meisten Feststellungen und Empfehlungen mache. Aus Sicht von Saß fährt die EZB beim Thema Data Governance mittlerweile eine relativ harte Linie und behält sich vor, sämtliche Instrumente zu nutzen, von Kapitalmaßnahmen bis hin zu Strafzahlungen. „Das Thema Strafzahlungen kennt man in Europa, anders als in den USA, bisher kaum.“