Paris

Falsche Blüten

Winterliche Temperaturen lassen nicht nur Plastikblüten an Café-Fassaden, sondern auch die Furcht vor gezielten Stromabschaltungen steigen. Telekomanbieter strafen Kunden der Konkurrenz mit rabiaten Methoden.

Falsche Blüten

Parallel zu den fallenden Temperaturen steigen die Sorgen von Unternehmen und Einzelhändlern, wann und wie sie von den drohenden Stromabschaltungen betroffen sein werden. Der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone droht zwar kein Blackout, doch angesichts des noch immer nicht voll zur Verfügung stehenden Atomkraftwerksparks hat die Regierung sie bereits vorbereitet, dass es im Winter bei niedrigen Temperaturen zu gezielten, örtlich und zeitlich begrenzten Stromabschaltungen kommen dürfte. Wie und ob Unternehmen dann für Umsatzverluste entschädigt werden, ist offenbar unklar.

Die Gesamtzahl der in Unternehmen vorhandenen Notstromaggregate ist nicht sehr hoch. Als kritisch eingestufte Firmen aus der Verteidigungsbranche, aber auch Datazent­ren, Krankenhäuser und Altersheime haben seit langem welche, weil sie dazu vom Staat oder ihrem Versicherer verpflichtet sind. Bei Unternehmen anderer Bereiche sieht das jedoch anders aus. Zwar haben etliche jetzt Kostenvoranschläge eingeholt, doch nach Angaben der Vereinigung der Stromaggregatehersteller Gigrel haben nur wenige tatsächlich eines gekauft. Die Stromübertragungsgesellschaft RTE appelliert nun an Unternehmen, dass es genüge, den Stromverbrauch um 1% bis 2% zu senken, in kritischen Situationen um 15%, um Stromabschaltungen zu vermeiden. Kingfisher und Unibail haben die Heizung in ihren Büros und Einkaufszentren deshalb auf 17 Grad gesenkt, während der Atomkonzern Orana einige Industrieanlagen abschaltet. Während die Industrie bereits mit gutem Beispiel vorangeht, gibt es im Dienstleistungssektor offenbar noch deutlichen Handlungsbedarf.

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Den gibt es auch im stark an Wildwest-Manieren erinnernden Gebaren von Telekom­anbietern, die nicht davor zurückschrecken, Internet- und Festnetz-Kunden der Konkurrenz gezielt zu behindern. Vor allem in Paris berichten Privathaushalte von leidvollen Erfahrungen. Dort verfügen mehr als 96% der Gebäude über Glasfaseranschlüsse. Je nach Straßenzug war einer der vier großen Telekomanbieter Orange, Free, SFR oder Bouygues Telecom für die Installation zuständig. Eine Verpflichtung, bei ihnen dann auch einen Vertrag für das Internet- und Festnetz-Abo abzuschließen, besteht jedoch nicht. Um Kunden, die bei der Konkurrenz unterschrieben haben, dazu zu bringen, doch noch bei ihnen ein Abo abzuschließen, verzögern einige Anbieter bewusst den Zugang zu dem Geräteraum, in dem noch ein Knopfdruck getätigt werden muss, um die Leitung auch wirklich zu aktivieren. Oder sie kappen sie plötzlich wieder. Zumindest ist das die Erklärung, die man von seinem Anbieter zu hören bekommt, wenn der Glasfaseranschluss wochenlang nicht funktioniert. Dass die Telekomanbieter ihren Mitarbeitern gezielte Anweisungen geben, die Konkurrenz zu behindern, erscheint unglaublich. Denn das wäre eine strafbare Behinderung der Konkurrenz.

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Trotz winterlicher Temperaturen sprießen derzeit an etlichen Café-Fassaden in Paris bunte Plastikblumen. Denn die Blüten von Glyzinien, japanischen Kirschen oder Bougainville gelten als „Instagrammable“, als besonders fotogen. Deshalb zögern viele Restaurant- und Café-Betreiber zum Leidwesen der Stadtverwaltung nicht, bis zu 10000 Euro für den unechten Blumenschmuck auszugeben. Die Zahl ihrer Follower auf Instagram sei so von 600 auf mehr als 12000 gestiegen, berichtet die Direktorin der im Hallenviertel gelegenen Brasserie „Au Chien qui fume“, Fabienne Mialane. Sie seien in das Café gekommen, weil sie es auf Instagram gefunden hätten, sagen Touristen, die im „Maison Sauvage“ sitzen, dem Vorreiter des Plastikblütentrends. Laut dem Nachrichtensender BFMTV bringt die falsche Blütenpracht den Gastronomen einen Umsatzanstieg von 30%. Um zu viel Wildwuchs zu verhindern, will Paris die überbordende Verzierung der Fassaden nun reglementieren.