Finanzplatz Frankfurt gewinnt an Bedeutung
Auftrieb für den Finanzplatz
Selten war ein Finanzplatztag so von Aufbruchstimmung geprägt wie in diesem Jahr. Die Bankenmetropole floriert, auch dank Unterstützung aus Wiesbaden und Berlin. Die Ansiedlung der Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA ist ein Erfolg für den Standort.
Von Tobias Fischer, Frankfurt
Für den Finanzplatz Frankfurt läuft es rund. Während die geopolitischen Spannungen die Wirtschaft in Alarmstimmung versetzen, erfreut sich die kleine Bankenmetropole am Main zunehmender Bedeutung – auch international. Die Ansiedlung neuer Institutionen, weitere Wolkenkratzer im Herzen des Bankenviertels und der anhaltende Anstieg der Stellen bei Finanzdienstleistern scheinen so gar nicht zu den reichlich unwirtlichen konjunkturellen Rahmenbedingungen zu passen. Doch der vermeintliche Widerspruch ergibt Sinn, wie auf dem Finanzplatztag der Börsen-Zeitung deutlich wurde. Denn für ein Europa, das sich im Zuge der neuen Weltordnung zu emanzipieren versucht, spielt Frankfurt eine zentrale Rolle.
Neues Miteinander
Um in Berlin die Bedürfnisse des Standorts gezielter zu adressieren, hat die hessische Landesregierung kürzlich das sogenannte Finanzplatzkabinett ins Leben gerufen und in säulenübergreifender Kooperation erarbeitete Vorschläge dem Bundesfinanzministerium übergeben. „Ein Finanzplatz braucht die Unterstützung der Politik“, unterstrich Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud R. Traud. Wie Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) in seiner Eröffnungsrede des Finanzplatztags signalisierte, rennt die Initiative offene Türen ein: Egal, in welcher Konstellation, die künftige Bundesregierung „werde sich weiterhin für die Wettbewerbsfähigkeit und das Wohlergehen des Finanzplatzes einsetzen“.
Die Jahre des Fremdelns, die auf die Finanzkrise folgten, gehören offensichtlich der Vergangenheit an. Einen Stimmungswandel nimmt jedenfalls Oliver Behrens wahr, der Präsident der Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance. „Nach der Finanzkrise waren wir froh, als zumindest ein Klima wohlwollender Toleranz entstand war, jetzt scheinen wir einen Schritt weiter zu sein.“ Erste Erfolge des neuen Miteinanders sind die gemeinsamen und von Erfolg gekrönten Bemühungen zur Ansiedlung des grünen Standardsetzers International Sustainability Standards Board (ISSB) und der europäischen Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA in Frankfurt.
Führender Finanzplatz in Kontinentaleuropa
Die Neuansiedlungen dürften dazu beigetragen haben, dass sich Frankfurt im globalen Finanzplatz-Ranking des Londoner Thinktanks Z/Yen Group zuletzt um drei Plätze vorgeschoben hat. Frankfurt rangiert nun auf Rang 10 und ist damit der führende Finanzplatz in Kontinentaleuropa. Und auch im jüngst veröffentlichten Open Financial Ecosystem Index (Ofex), dem Finanzplatz-Ranking des Center for Financial Studies (CFS) in Kooperation mit dem französischen Institut Louis Bachelier (ILB), ist Frankfurt um einen Platz aufgestiegen und belegt nun Rang 5.
Innerdeutscher Bedeutungsgewinn
Mit dem internationalen Bedeutungsgewinn wächst auch das Gewicht Frankfurts im Inland. Wie aus dem jüngsten Finanzplatzreport der Helaba hervorgeht, stieg der Anteil der bundesweit rund 620.000 Banker, die in der Mainmetropole arbeiten, in der vergangenen Dekade von 9 auf 11%. Diese Zahlen stammen allerdings noch von Anfang 2024, seither ist die Zahl der Stellen im Frankfurter Finanzsektor weiter gestiegen. Mitte vergangenen Jahres waren es den Helaba-Finanzplatzexpertinnen Traud und Ulrike Bischoff zufolge 71.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Frankfurts Banken, bei der Bundesbank und der Börse.

Noch nie gab es so viele Banker in der Stadt, und ihre Zahl wächst zumindest vorerst auch noch ein bisschen. Die Finanzplatzexpertinnen der Helaba erwarten bis Jahresende einen Anstieg auf 73.500. Mitarbeiter von Versicherungen, Fondsgesellschaften und Aufsichtsinstitutionen sind darin noch nicht einmal enthalten. Seit Jahren und Jahrzehnten weist der Trend am Main nach oben, derweil im großen Rest der Bundesrepublik in der Branche unterm Strich Personalabbau betrieben wird.
Abbau im Commerzbank-Tower
Allerdings bremst der Fachkräftemangel das Beschäftigungswachstum zunehmend aus, wie Traud und Bischoff konstatieren. Und auch der Abwehrkampf der Commerzbank gegen Unicredit wirkt sich bereits negativ aus. Um die ehrgeizigen Renditeziele schneller zu erreichen, baut das Institut 4.000 Stellen ab. Dies soll zwar durch neue Stellen teilweise kompensiert werden, allerdings werden diese eher außerhalb der Frankfurter Konzernzentrale entstehen. Was es für den Finanzplatz bedeuten würde, wenn die Italiener zum Zuge kommen sollten, ist bislang weitgehend unklar.
Tatsächlich verdankt der Finanzplatz sein Wachstum vor allem Auslandsbanken. Befeuert durch den Brexit, zeigt in Frankfurt Flagge, wer international im Finanzwesen Rang und Namen hat. Aber auch die deutschen Finanzinstitute ziehen zunehmend Stabsfunktionen, Nachhaltigkeits-, Digitalisierungs- und Regulierungsexperten in der 750.000-Einwohner-Stadt zusammen. Und schließlich sind sieben der zehn größten Banken über ihren deutschen Hauptsitz in Frankfurt verankert: Deutsche Bank, DZ Bank, KfW, Commerzbank, J.P. Morgan SE, Helaba und ING Deutschland.
Weitere Hochhäuser
Im Stadtbild stehen die für dieses Jahr beabsichtigte Vollendung der Hochhausgruppe „Four“, deren Turm 1 nun Stammsitz der Deka ist, und der im Bau befindliche Central Business Tower für den Höhenrausch des Finanzplatzes. Nach der für 2028 geplanten Fertigstellung wird sich die Commerzbank in dem 205 Meter hohen Gebäude einmieten, Bauherrin ist die Helaba.
Behrens warnt jedoch davor, dem Höhenrausch zu verfallen. Frankfurt schöpfe sein Potenzial nicht aus und müsse an seiner Wettbewerbsfähigkeit arbeiten, mahnt der Präsident von Frankfurt Main Finance. Alle Finanzplatzakteure müssten „Hand in Hand“ agieren, damit der Standort nicht zurückfällt. CFS-Geschäftsführer Volker Brühl bereiten die Bürokratie, hohe Energiekosten und Steuern Sorge. Im Verbund mit beträchtlichen Aufwendungen für Lebenshaltung und Wohnen schade dies der Attraktivität des Finanzplatzes.
Das könne sich zumindest durch Verbesserung der „intellektuellen Infrastruktur“ abfedern lassen, im Zusammenwirken von Hochschulen und Finanzindustrie. Ein Dilemma sei, dass einerseits händeringend Personal gesucht werde, andererseits branchenerfahrene Arbeitssuchende nicht über die gefragten Qualifikationen verfügten. Für die kommenden Jahre erwarten die Helaba-Expertinnen, dass die demografische Entwicklung und Konsolidierungen im Bankensektor Bremsspuren im Wachstum der Frankfurter Bankbeschäftigung hinterlassen werden.