Börsengänge und Übernahmen

Gegen die Wand

Die Party im Investment Banking geht zu Ende. Im M&A-Geschäft ist nur eine Gruppe noch zum Dealmaking verdammt: die Finanzinvestoren.

Gegen die Wand

Zweckoptimismus ist eine der Grundhaltungen von Investmentbankern. Auch wenn die Inflation trabt, die Konjunktur einbricht und die Zinsen steigen – so wie jetzt –, dann sprechen sie davon, dass die „Pipeline voll“ ist und die Krise ein Wendepunkt, der Konzernumbauten erfordert. So sollen Börsengänge herbeigeredet werden, obwohl der IPO-Markt schon seit einem halben Jahr tot ist, und M&A-Deals, obwohl die Finanzierungen teurer werden und obwohl die Preisvorstellungen derjenigen, die jetzt Unternehmen zum Verkauf stellen, noch so hoch sind, wie es die bis vor kurzem anhaltende Notenbank-Geldflut samt billionenschweren staatlichen Konjunkturprogrammen ermöglicht hat.

Es sieht ganz so aus, als würde das Investment Banking nach zwei Jahren völlig außergewöhnlicher Dynamik, zu der auch der Hype um Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) gehörte, beinahe gegen die Wand fahren. Es wurde schon seit Mo­naten ruhiger, jetzt herrscht endgültig Flaute – und niemand weiß, wie lange sie anhält und wie schnell es dann wieder nach oben geht. Bei Fusionen und Übernahmen ist die Ursache für den Knick nicht fehlende Finanzierung, sondern das Auseinanderdriften der Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern.

Für Investmentbanker, die sich jetzt mit den Boni aus den „Krisenjahren“ 2020 und 2021 einen schönen langen und ruhigen Sommerurlaub machen können, muss sich das Ganze wie die Vertreibung aus dem Paradies anfühlen. Im Jahr 2021 hatte die „Investment Banking Wallet“ in Deutschland für die wichtigsten Spieler – darunter J.P Morgan, Goldman Sachs, Deutsche Bank, Morgan Stanley und Bank of America – noch den Spitzenwert von fast 3,7 Mrd. Dollar erreicht. Im laufenden Jahr dagegen wird es deutlich schlechter aussehen. Das globale M&A-Volumen liegt zwar bis Mai mit knapp 2 Bill. Dollar noch über dem historischen Durchschnitt (außer in Deutschland). Der Einbruch gegenüber dem Vorjahr ist jedoch mit mehr als 20% überdeutlich und wird sich absehbar im Jahresverlauf verstärken.

Nur eine Käufergruppe scheint im M&A-Geschäft bisher noch unaufhaltsam weiterzumachen: die Finanzinvestoren. Sie haben laut Daten von J.P. Morgan im ersten Quartal 2022 in Europa 45% zum M&A-Volumen beigetragen – so viel wie niemals zuvor. Ihre Kassen sind mit mehr als 3 Bill. Dollar an Kapitalzusagen institutioneller Investoren für Investments in Unternehmenskäufe, Wagniskapitalbeteiligungen, Direktkredite, Infrastruktur und Immobilien übervoll. Auch in Deutschland wurden die drei größten Deals 2022 mit deutscher Beteiligung von Private-Equity-Häusern ge­prägt. Advent kaufte zusammen mit Lanxess die DSM-Plastiksparte für 4 Mrd. Dollar. Oaktree bietet 2,7 Mrd. Dollar für den Shopping-Center-Konzern Deutsche Euroshop, und Astorg Partners zahlt dieselbe Summe für den Auftragshersteller von Medikamenten Cordenpharma.

Aber selbst in der Private-Equity-Branche beginnen die Alarmglocken zu läuten. Die Finanzinvestoren beginnen zu ahnen: Wer jetzt zu den bisher üblichen Bewertungen von im Durchschnitt dem Zwölffachen des operativen Gewinns weiter einkauft, könnte bald auf seinen Unternehmensbeteiligungen sitzen bleiben. Diese Stimmungs­lage wurde jetzt beim inter­nationalen Branchentreff „Superreturn“ in Berlin deutlich – dem wichtigsten Stelldichein der Private-Equity-Branche. Man stehe vor einer „Bewertungskrise“, nachdem die Preise jahrelang durch Tiefstzinsen in die Höhe getrieben wurden, warnen bedeutende Manager wie der General-Atlantic-Europachef Gabriel Caillaux oder Scott Kleinman, Co-Präsident beim Branchenriesen Apollo.

Die Exzesse bestehen darin, dass die Bewertungen in die Höhe geschossen sind, weil die Zinssätze 14 Jahre niedrig oder sogar negativ waren. Eine ganze Reihe neuer Akteure hat den Deal-Zyklus ein wenig zu sehr beschleunigt. In der Welt des Wagniskapitals etwa erhöhte der Hedgefonds Tiger Global das Tempo in bisher ungekanntem Ausmaß mit täglich neuen Finanzierungsrunden. Eine ausreichende Prüfung der Bücher erschien bei diesem Tempo kaum vorstellbar. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase wurden vor allem Gesundheits- und Tech-Unternehmen so hoch bewertet, dass bei weiteren Eigentümerwechseln wohl der Rückwärtsgang bei der Bewertung eingelegt werden muss. Mit Zeitverzögerung werden die Finanzinvestoren die Wertkorrektur nachholen müssen, die die Aktienmärkte schon hinter sich haben. Dann wird auch das M&A-Geschäft mit Private Equity ruhiger.

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