Herrschaft der Maschinenmenschen
Künstliche Intelligenz
Herrschaft der Maschinenmenschen
Von Alex Wehnert
Der Kampf um eine verantwortungsvolle Entwicklung künstlicher Intelligenz ist längst verloren.
Die Menschheit steuert darauf zu, von humanoiden Robotern unterjocht zu werden. Was nach einer dystopischen Verschwörungstheorie im Stile der „Terminator“-Filmreihe klingt, wird in den Vereinigten Staaten bereits Realität. Die anthropomorphen Halbautomaten, die für die Wirtschaft und zunehmend auch für die Politik den Kurs vorgeben, sind allerdings keine dem Labor entsprungenen Blechkameraden, sondern Maschinenmenschen wie Elon Musk. Empathie und Altruismus sind für den reichsten Mann der Welt abstrakte Begriffe – deren Wert er nicht einmal dann erkennt, wenn sie ihm unternehmerischen Nutzen bringen würden.
Musk schwingt sich zum Moralapostel auf
Ausgerechnet Musk hat sich allerdings zum Moralapostel aufgeschwungen, der über die Tech-Schmiede OpenAI urteilt. Der Milliardär kehrte dem als Non-Profit-Gesellschaft aufgelegten Start-up bereits 2018 den Rücken – nach eigener Darstellung aufgrund von Plänen für die Entwicklung des gewinnorientierten Firmenarms. Seit dem vergangenen Jahr führt er einen Rechtsstreit gegen OpenAI. Zuletzt ersuchte Musk um eine richterliche Anordnung, um die Umwandlung des Start-ups, das am Donnerstag die angeblich weniger fehleranfällige Version 4.5 seines KI-Modells GPT vorstellte, in eine gewinnorientierte Public Benefit Corporation zu blockieren. Zudem trat er mit einem unaufgeforderten Übernahmeangebot für die Non-Profit-Gesellschaft hinter OpenAI an den Verwaltungsrat heran, das dieser prompt abschmetterte. Musks Anwälte erhoben darauf einmal mehr den Vorwurf, die Direktoren des Start-ups suchten sich nur selbst zu bereichern.
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Tatsächlich kann auch OpenAI-Chef Sam Altman kaum als glaubhafter Botschafter für eine verantwortungsvolle Entwicklung künstlicher Intelligenz auftreten. Investoren hat der CEO trotz rechtlicher Unwägbarkeiten versprochen, die Umwandlung des Start-ups bis Ende 2026 abgeschlossen zu haben. Mit Microsoft und anderen Geldgebern feilscht er darum, wie hoch ihre Anteile an einer neu aufgestellten Gesellschaft ausfallen sollten. Doch wie sehr Altmans Profitstreben auch die Tech-Szene spaltet, zeigt der letztlich von Microsoft abgewürgte Putsch gegen den CEO im November 2023. Nach diesem verließen langjährige Schlüsselmitarbeiter das Unternehmen, für Frühphasen-Investoren ist OpenAI heute kaum wiederzuerkennen. Vom bei der Gründung 2015 festgehaltenen Ziel, „künstliche Intelligenz zum Wohle der gesamten Menschheit“ zu entwickeln, hat sich das Unternehmen seit der Veröffentlichung von ChatGPT im Herbst 2022 hart abgekehrt.
Doch wie berechtigt Kritik an Altmans Kurs auch ist: Wenn Musk ihm unverantwortliches Vorgehen vorwirft, nennt der Topf den Kessel schwarz. Bereits im September legte OpenAI Dokumente vor, gemäß denen Musk eine Umwandlung in eine For-Profit-Gesellschaft unterstützte, dem Unternehmen aber den Rücken kehrte, als er nicht die Kontrolle erhielt. Seit 2023 macht er dem ChatGPT-Entwickler mit seinem Start-up xAI Konkurrenz. Dass ihn Macht berauscht und er seiner persönlichen Agenda alles andere unterordnet, hat der Milliardär bereits zur Genüge in seinem Unternehmensimperium bewiesen. Seit dem Amtsantritt Donald Trumps legt er unter anderem durch seine Einmischungen bei US-Regulierungsbehörden aber noch eine Schippe drauf.
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Nun kämpfen noch einige wenige Tech-Köpfe dagegen an, dass die Kontrolle über die KI-Entwicklung in den Händen zweier nicht vertrauenswürdiger Manager liegt. Zuletzt hat die ehemalige Technologiechefin von OpenAI, Mira Murati, das Start-up Thinking Machines Lab an den Start gebracht, das „KI-Systeme breiter verständlich und zugänglich“ machen will. „Zum Wohle der Öffentlichkeit“ will sie Codes und Forschungspapiere veröffentlichen. Damit schlägt Murati in die gleiche Kerbe wie ihr einstiger OpenAI-Kollege Ilya Sutskever, dessen Start-up Safe Superintelligence für einen sicheren KI-Fortschritt sorgen will. Doch wird auch ihnen angesichts des Einflusses, den Altman und Musk bereits angehäuft haben, nichts anderes übrig bleiben, als sich korrumpieren zu lassen oder zu scheitern. Denn der Kampf um eine verantwortungsvolle Entwicklung künstlicher Intelligenz ist längst aussichtslos.