Hoffen auf den Wohlfühlfaktor
Im Blickfeld
Hoffen auf den Wohlfühlfaktor der Olympischen Spiele
Wie sich das Sportgroßereignis auf die französische Wirtschaft und Unternehmen auswirken wird.
wü Paris
Von Gesche Wüpper, Paris
Es ist eine besondere Ankunft, auf die sich Marseille für den 8. Mai vorbereitet. Doch je weiter sich der Dreimaster Belem mit der olympischen Flamme an Bord der französischen Hafenstadt nähert, desto mehr unterscheiden sich die Erwartungen, wie sich die Olympischen Spiele auf die Wirtschaft Frankreichs auswirken werden. Auf 10,7 Mrd. Euro hatte die Stadt Paris diese einst geschätzt, als sie 2016 für die Austragung kandidierte. Präsident Emmanuel Macron sprach zuletzt von 6 Mrd. Euro, der Wirtschaftsberater Astères von 5,3 Mrd. Euro und Wirtschaftsprofessor Jean-Pascal Gayant unlängst von 4 Mrd. Euro.
Die Kandidaten hätten in ihren Bewerbungen auch Angaben zu den wirtschaftlichen Auswirkungen machen müssen, erklärt Chefökonom Bruno Cavalier von Oddo BHF. Das habe zu einer gewissen Tendenz geführt, die Zahlen ein wenig aufzublasen.
Keine dauerhaften Effekte
Wenn man sich anschaue, welche makroökonomischen Auswirkungen Olympische Spiele in der Vergangenheit gehabt hätten, so seien diese eher bescheiden gewesen. Vor allem in entwickelten Industrienationen und Städten, die wie Paris bereits ein beliebtes Ziel von Touristen sind. In London beispielsweise hätten sie keine dauerhaften wirtschaftlichen Effekte gehabt.
„In vielen Fällen zeigt sich, dass die Olympischen Spiele sogar eine Verschwendung öffentlicher Gelder waren.“ Mit einem auf 10 Mrd. Euro geschätzten Budget sei bisher jedoch keine großartige Verfehlung der Kalkulation zu erkennen, sagt Cavalier. Er gehört zu den 17 Analysten und Ökonomen, die für Oddo BHF unter Leitung von Jérôme Bodin eine Studie zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Olympischen Spiele in Frankreich und der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland erarbeitet haben.
„Wegen des Zustands der öffentlichen Finanzen stellt man sich viele Fragen, aber ich denke nicht, dass die Olympischen Spiele die öffentlichen Finanzen verschlechtern werden“, meint er. Immerhin seien die Kosten auf mehrere Jahre verteilt; selbst wenn sich die für Sicherheitsvorkehrungen notwendigen Ausgaben wegen der Anspannung der Lage im Mittleren Osten noch erhöhen könnten.
Wiederholung des Effekts von 1998?
Im Gegensatz zu den Spielen selbst, die die französische Wirtschaft vor allem kurzfristig beflügeln dürften. Cavalier schätzt den wirtschaftlichen Impuls während der Veranstaltung auf 2 bis 3 Mrd. Euro. Dazu dürften die 1,2 Millionen ausländischen Touristen, die anlässlich der Veranstaltung in Frankreich erwartet werden, gut die Hälfte beitragen. Das französische Wachstum könnte sich deshalb im dritten Quartal auf 0,5% erhöhen, nachdem es im ersten Quartal nur 0,2% betrug, schätzt Cavalier. Das Observatoire français des conjonctures économiques (OFCE) erwartet einen geringeren Aufschwung von 0,3%. Einig sind sich Oddo BHF und OFCE aber darin, dass das Wachstum im Schlussquartal wieder auf 0,1% sinken dürfte.
Die Frage sei, ob die Olympischen Spiele in Frankreich für einen Wohlfühlfaktor sorgen könnten, meint der Oddo-BHF-Chefökonom. „Können sie die Stimmung so aufbessern wie 1998 die Fußball-Weltmeisterschaft?“ Damals hatte der Sieg der Bleus im Stade de France für Begeisterung und neue Zuversicht gesorgt – und so letztendlich den Konsum angekurbelt. Auch als Folge davon ist das Wachstum 1998 von 2,3% im Vorjahr auf 3,5% gestiegen; stärker, als es Ökonomen erwartet hatten.
Baubranche profitierte im Vorfeld
Die Olympischen Spiele in Paris dürften jetzt auch ohne diesen Wohlfühleffekt einige Branchen wie Tourismus-, Getränke-, Verbrauchsgüter- und Transportindustrie sowie Medien deutlich beflügeln, da die Zuschauer den Konsum ankurbeln dürften. Die Telekomanbieter Orange, SFR, Bouygues und Free hoffen dabei vor allem auf Besucher aus Übersee, für die sie spezielle Olympia-Angebote entwickelt haben.
Bereits im Vorfeld haben Unternehmen aus der Baubranche von dem Sportgroßereignis profitiert. So hat Bouygues die neue 138 Mill. Euro teure Adidas-Arena gebaut. Vinci Construction, Icade, CDC Habitat, Nexity, Eiffage, Legendre Immobilier und Groupe Pichet wiederum waren am Bau des 1,5 Mrd. Euro teuren olympischen Dorfes beteiligt, während Myrtha Pools die 24 wiederverwendbaren Schwimmbecken liefert.
Verkehrsanstieg nützt JCDecaux
Es ist jedoch der Gewerbeimmobilienspezialist Unibail-Rodamco, der neben Adidas zu den sechs Werten gehört, die Oddo BHF jetzt im Vorfeld von Olympia und Fußball-EM besonders empfiehlt. Denn die vier Standorte, die er zusammen mit der Industrie- und Handelskammer des Großraums Paris betreibt, werden für die Spiele genutzt. Gleichzeitig dürften acht seiner Einkaufszentren in Paris, Lille und Lyon vom Verkauf offizieller Olympia-Produkte profitieren.
In der Medienbranche ist Außenwerber JCDecaux der Favorit von Oddo BHF. Er sei besonders stark im französischen Markt, der für 18% der Umsätze stehe, sagt Oddo-Analyst Jérôme Bodin. Der durch die Olympischen Spiele erwartete Anstieg des Verkehrs sorge für den Außenwerber für mehr Publikum, was wiederum mehr Umsatz bedeute. Deshalb dürften sich die Olympischen Spiele mit 30 Mill. Euro positiv auf den Umsatz auswirken, die Fußball-EM in Deutschland, wo JCDecaux laut Bodin 7% seines Umsatzes macht, mit 10 Mill. Euro.
Easyjet gut positioniert
Im Hotel-, Freizeit- und Gaststättengewerbe empfehlen die Oddo-Experte Accor und Sodexo. Immerhin macht Accor 20% ihres Umsatzes in Frankreich und 7% bis 8% in Deutschland. Sodexo wiederum wird als Partner der Olympischen und Paralympischen Spiele die Athleten und einen Teil der Zuschauer mit rund 40.000 Mahlzeiten pro Tag verpflegen.
Nicht Air France-KLM und Lufthansa, sondern Easyjet werden die Olympiade und die Fußball-EM nach Ansicht von Oddo-Analyst Yan Derocles am meisten nützen, da die Fluggesellschaft sowohl in Paris als auch an den deutschen Austragungsorten der Fußball-EM gut positioniert sei. Die Ereignisse dürften sich nur geringfügig auf die Fluggastzahlen auswirken, da die Flugzeuge zu dieser Jahreszeit ohnehin gut gefüllt seien, meint er. Allerdings dürften die Preise steigen.