Hoher Preis, richtige Strategie
Im Siemens-Vorstand steht eine Software-Akquisition schon geraume Zeit oben auf der Agenda. Doch die Kaufgelegenheiten kamen und gingen, und immer schlugen Konkurrenten zu. Die Münchner zogen den Kürzeren oder wollten die aufgerufenen Preise nicht zahlen. Nun ist alles anders. Siemens hat gute Chancen, sich mit Altair Engineering in der Branche Industrieautomatisierung zu verstärken.
Synergien erstaunlich hoch
Es ist immer problematisch, wenn sich ein Management unter Zugzwang sieht, M&A-Ankündigungen auch einmal Taten folgen zu lassen. Viele Firmen haben in vergleichbaren Situationen zu große Zahlen auf ihren Scheck geschrieben. Siemens will nun für Altair gut 10 Mrd. Dollar auf den Tisch legen. Die Kosten- und Umsatzsynergien werden erstaunlich hoch angesetzt. Papier ist geduldig.
Angesichts der Multiples kann einem ganz schwummrig werden. Im Fall von Altair wird das 14-Fache des erwarteten Umsatzes im nächsten Jahr gezahlt. Das Multiple auf das bereinigte Ebitda-Ergebnis beträgt 31, und dabei sind die kurzfristigen Kostensynergien schon einberechnet. Die Kapitalmarktwelt scheint sich an früher abstrus erscheinende Bewertungen gewöhnt zu haben. Der Aktienkurs reagiert kaum. Anything goes. In Boomzeiten zählt halt die Strategie, in der Softwarewelt gilt dies sowieso.
Die Strategie muss stimmen
An diesem Punkt kann es keinen Zweifel geben: Die Strategie stimmt. Erstens verstärkt sich die Sparte Digital Industries mit dem Zukauf in den USA, wo sie bisher unterrepräsentiert ist. Zweitens ist die Produkt- und Kundenpalette von Siemens und Altair komplementärer, als man in diesem Feld erwarten kann.
Integration ist bewältigbar
Der strategische Fit ist, wie immer bei Mega-Akquisitionen, nur die eine Seite der Medaille. Darüber hinaus entscheidet die Integration über den Erfolg. Siemens sollte dies in den Griff bekommen. Altair ist trotz des hohen Kaufpreises nicht riesig, es arbeiten 3.500 Menschen für das Unternehmen. Vor allem aber hat Siemens ein exzellentes Integrations-Know-how. Der Konzern hat in den vergangenen 17 Jahren rund 23 Mrd. Euro in Software-Unternehmen investiert, die meisten Zukäufe waren ein Erfolg.
Altair ist für Siemens ein Zugewinn, wenngleich diese Akquisition erst beweisen muss, dass sie sich auch finanziell auszahlt. Klar ist aber: Simulationstools stehen am Beginn eines Siegeszuges. Sie werden bald in vielerlei Industrien weit über die klassischen Anwendungsbereiche Automobil oder Luftfahrt eingesetzt werden. Die Nachfrage dürfte stark steigen, zumal künstliche Intelligenz den Einsatz der Tools vereinfacht. Wer schnell und kompetent ist, wird in diesem Markt reüssieren.
Siemens
Hoher Preis,
richtige Strategie
Von Michael Flämig
Altair ist ein Zugewinn, denn die Simulation industrieller Fertigung wächst mit enormen Tempo.