Kommentar Zweitteuerste Übernahme der Firmengeschichte

Hoher Preis, richtige Strategie

10 Mrd. Dollar sind viel Geld. Doch Siemens kann mit dem Kaufangebot für Altair trotzdem punkten. Die Strategie stimmt, und die Marktchancen sind beeindruckend.

Hoher Preis, richtige Strategie

Im Siemens-Vorstand steht eine Software-Akquisition schon geraume Zeit oben auf der Agenda. Doch die Kaufgelegenheiten kamen und gingen, und immer schlugen Konkurrenten zu – die Münchner kamen nicht zum Zug oder wollten die aufgerufenen Preise nicht zahlen. Nun ist alles anders. Siemens hat gute Chance, sich mit Altair Engineering in der Branche Industrieautomatisierung zu verstärken.

Es ist immer problematisch, wenn ein Management sich unter Zugzwang sieht, M&A-Ankündigungen auch einmal Taten folgen zu lassen – zumal die Aktionäre mit den Füßen scharren angesichts der prall gefüllten Siemens-Kasse.

Die Strategie muss stimmen

Der Konzern will nun für Altair gut 10 Mrd. Dollar auf den Tisch legen. Angesichts der Multiples kann einem ganz schwummrig werden. Aber die Kapitalmarkt-Welt hat sich an derlei Relationen gewöhnt. Anything goes. In Boom-Zeiten zählt halt die Strategie, in der Software-Welt gilt dies sowieso.

An diesem Punkt kann es keinen Zweifel geben: Die Strategie stimmt. Erstens verstärkt sich die Sparte Digital Industries mit dem Zukauf in den USA. Dies ist der erste Schritt, um die Abhängigkeit vom chinesischen Markt zu reduzieren.

Zweitens ist die Produkt- und Kundenpalette von Siemens und Altair komplementärer, als man in diesem Feld erwarten kann. Altair hat keine nennenswerten Aktivitäten in der elektronischen Designautomatisierungssoftware, die für das Herstellen und Prüfen von Halbleitern eingesetzt wird. Siemens ist hier kein Riese, aber präsent. Im Produktlebenszyklusmanagement ergänzen sich die beiden Unternehmen. Beispielsweise hat Siemens viel Erfahrung bei mechatronischen Systemen, während Altair in der Simulation von Elektronmechanik punkten kann.

Neuer Faktor Künstliche Intelligenz

Der strategische Fit ist, wie immer bei Mega-Akquisitionen, nur die eine Seite der Medaille. Darüber hinaus entscheidet die Integration über Erfolg oder Misserfolg. Siemens sollte dies in den Griff bekommen. Altair ist trotz des hohen Kaufpreises nicht riesig, es arbeiten 3.500 Menschen für das Unternehmen. Vor allem aber hat Siemens ein exzellentes Integrations-Know-how. Mehr als 30 Akquisitionen hat der Konzern nach eigener Rechnung seit 2012 in dem Feld verdaut, zuletzt im Jahr 2017 die Firma Mentor.

Letztlich bestimmt Tempo und Kompetenz in dem Feld, wer erfolgreich ist. Die Standards werden heute gesetzt, sie sind das Geschäft von morgen. Altair ist für Siemens in dieser Hinsicht ein Zugewinn, wenngleich er teuer erkauft wurde und erst noch beweisen muss, dass er sich auszahlt. Simulationstools werden enorm breit angewandt werden, weil nun die Künstliche Intelligenz deren Einsatz attraktiver macht und darüber hinaus vereinfacht. Die Marktchancen sind faszinierend.

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