Ende eines ordnungspolitischen Sündenfalls
Chipstandort D
Ende eines politischen Sündenfalls
Von Stefan Kroneck
Der Rückzug von Intel und Wolfspeed ist kein großer Verlust für den Hightech-Standort Deutschland. TSMC ging in Dresden geschickter vor.
In der Politik lösen sich manchmal umstrittene Dinge in Wohlgefallen auf, ohne dass es dazu eines Zutuns bedurfte. Dann können die handelnden Personen innehalten und, bei einem für manchen Betroffenen unangenehmen Ausgang, so tun, als ob nichts gewesen wäre. Nach dem Rückzug der US-Chipkonzerne Intel und Wolf-
speed von zuvor großspurig in der Öffentlichkeit angekündigten Milliardeninvestitionen für neue Werke bei Magdeburg (Sachsen-Anhalt) bzw. im Saarland war zwar die Enttäuschung in der Landespolitik und in der Berliner Ampelkoalition groß. Doch nach den Absagen ging man wieder relativ schnell zur Tagesordnung über.
Vielleicht dämmerte es einigen Verantwortlichen, dass da ein großes Rad gedreht wurde, ohne dass dies wirtschafts- und standortpolitisch wirklich ausgereift war. Im internationalen Wettbewerb um die zukunftsträchtigen Technologien läuft man Gefahr, übers Ziel hinauszuschießen: Wird der vermeintliche Zeitdruck als übermächtig wahrgenommen, sind für eine Abwägung der Chancen und Risiken solcher Projekte kaum noch personelle Kapazitäten und ausreichend Fachwissen vorhanden. Statt die Lage ausgewogen beurteilen zu können, wird dann rasch mit Milliardenbeträgen jongliert, so als ob das Geld aus den öffentlichen Kassen locker zur Verfügung stünde.
Moral-Hazard-Problem
Ein Moral-Hazard-Problem liegt sowieso immer dann vor, wenn Politiker und Manager von Organisationen bzw. Unternehmen mit Finanzmitteln operieren, die ihnen gar nicht gehören, sondern Dritten, im konkreten Fall den Steuerzahlern. Das verleitet zu Fehlentscheidungen. Insbesondere in der Causa Intel in Magdeburg war die Gefahr groß, dass Vater Staat öffentliche Mittel verschleudert für ein Vorhaben, dessen Substanz in Bezug auf das vermeintliche Hightech-Format mehr als fragwürdig war. Schon zur Ankündigung der Investitionssumme von insgesamt 30 Mrd. Euro, wovon Berlin 10 Mrd. oder ein Drittel als Subvention beigesteuert hätte, war klar, dass Intel längst nicht mehr zur ersten Garde in der Halbleiterindustrie zählt. Der einstige Branchenprimus befindet sich auf einem absteigenden Ast. Entsprechend wäre die Ware, die man in Sachsen-Anhalt gefertigt hätte, von mittlerer Qualität für den Massenchipmarkt bestimmt gewesen. Das hätte den Standort Deutschland, über dessen Lage derzeit von überall her Wehklagen zu vernehmen sind, keinen überzeugenden Schritt vorangebracht. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein Unternehmen um Steuermittel buhlte, um sich mit fremder Hilfe im härter werdenden Kampf um Marktanteile einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Der ordnungspolitische Sündenfall ist mit der Entscheidung von Intel glücklicherweise vermieden worden. Man sollte sich aber nicht der Illusion hingeben, dass die Politik aus diesem Fehler gelernt hätte und es künftig in ähnlicher Situation besser machen würde. Das Risiko, Steuergelder zu vergeuden und Ressourcen fehlzuleiten, bleibt bestehen, solange es Berlin generell an ordnungspolitischem Sachverstand mangelt. Die einst Anfang der 1970er Jahre nachfragegetriebene Ordnungspolitik nach Couleur des SPD-Politikers und Ökonomen Karl Schiller, der seinerzeit das Land als Wirtschafts- und Finanzminister mitregierte, ist zu einer angebotsseitigen Ordnungspolitik verkommen, die sich in einem Gestrüpp vieler Einzelmaßnahmen verheddert.
Der Dumme ist ZF
Im Fall von Wolfspeed steht der Autozulieferer ZF als der Dumme da. Der von der Autokrise betroffene schwäbische Joint-Venture-Partner muss zusehen, wie er seine betroffenen Mitarbeiter unterbringt, um ein komplettes Desaster zu verhindern. Hier böte sich an, Arbeitsplätze nach Sachsen zu verlagern, wo sich der taiwanesische Auftragsfertiger TSMC bei seiner Standortwahl geschickter anstellte. TSMC trifft dort mithilfe von Partnern wie z.B. Infineon auf ein seit einigen Jahrzehnten bestehendes Chipcluster, welches über eine gute Infrastruktur verfügt. Dort träfen die ZF-Beschäftigten auf ein Netz hoher Qualitätsstandards, die dem Gütesiegel Hightech gerecht werden. Ein solcher Schritt wäre allemal besser, als auf Versprechungen von Konzernen zu vertrauen, die bei der Wahl des Standorts das strukturelle Umfeld nur unzureichend berücksichtigen.