Italiens Banken liebäugeln mit Zukäufen im Ausland
Blickfeld
Italiens Banken schauen über die Grenze
Die Rekordgewinne könnten schon bald auch für Übernahmen im Ausland genutzt werden und nicht mehr nur für Ausschüttungen.
Von Gerhard Bläske, Mailand
Die großen Banken Italiens haben 2023 Rekordgewinne von über 21 Mrd. Euro erwirtschaftet. Und auch im ersten Quartal 2024 geht es vermutlich in diesem Tempo weiter. „2023 war ein Jahr mit in dieser Form nicht wiederholbaren Ergebnissen, aber ich erwarte auch für das erste Quartal positive Überraschungen“, sagt Stefano Caselli, Dekan der renommierten Mailänder Bocconi School of Management: „Ich glaube, dass die Banken sehr gute Ergebnisse vorlegen werden – alle Banken – weil die Rezession, die so viele erwartet hatten, nicht eingetreten ist und die Zinsen hoch geblieben sind.
Auch das Europäische Wiederaufbauprogramm Next Generation zeigt Wirkung, und das Niveau der faulen Kredite bleibt niedrig.“ Italiens Banken profitieren überdies von riesigen Steuergutschriften, die sie von Profiteuren der vom Staat großzügig gewährten Hilfen für die ökologische Sanierung von Gebäuden aufgekauft haben. Caselli glaubt, dass sie schon bald bei der europäischen Konsolidierung mitmischen werden.
Den Großteil der Gewinne schütten die Institute an die Aktionäre aus, insgesamt rund 20 Mrd. Euro – in Form von Dividenden oder Aktienrückkaufprogrammen. Allein Unicredit kommt auf 10 Mrd. Euro – zur Dividende von 3 Mrd. Euro kommen ein Aktienrückkaufprogramm von 5,6 Mrd. Euro und eine Zwischendividende von 1,4 Mrd. Euro. Bei der Intesa Sanpaolo sind es 5,4 Mrd. Euro Dividende und ein Buy-back von 1,7 Mrd. Euro.
Ein anderer Teil der Gewinne fließt in die Stärkung der Kapitalbasis. „Die Banken müssen ihr Kapital stärken, um ihre Solidität zu bestätigen, um Fusionen und Übernahmen zu tätigen und um in Technologie zu investieren“, erklärt Caselli.
Letzteres haben viele italienische Institute bereits getan. So hat Intesa Sanpaolo etwa die Online-Bank Isybank gegründet, wohin die Konten eines Großteils der Kunden transferiert worden sind – nicht ohne Friktionen. Außerdem heuern die Institute in großem Stil junge IT-Spezialisten an, die ausscheidende ältere Mitarbeiter zum Teil ersetzen. Mit dem Ausbau der Vermögensverwaltung und des Versicherungsgeschäfts wappnen sich die Institute ferner für Zeiten mit niedrigeren Zinsen.
Doch je länger die Phase der Supergewinne dauert, desto stärker rückt auch ein anderes Thema wieder in den Vordergrund: die Nutzung des Überschusskapitals, aber auch der stark gestiegenen Aktienkurse für mögliche Übernahmen und Fusionen. Denn allein die Aktionäre zu beglücken, die Kapitalbasis zu stärken und zu digitalisieren reicht nicht aus. Und bei der Kreditvergabe sind die Banken vorsichtig: Die größten Institute haben 2023 etwa 5% weniger Kredite vergeben. Das liegt nur zum Teil daran, dass die Kreditnachfrage wegen der höheren Zinsen zurückgegangen ist. Es liegt auch daran, dass die Banken zurückhaltender bei der Vergabe sind.
Allfinanzkonzerne
Seit einiger Zeit gibt es wieder vermehrt Spekulationen um Konsolidierungen. Eine davon geht in Richtung Allfinanzkonzerne: So hat angeblich die HVB-Mutter Unicredit ein Auge auf die hochrentable Investmentbank Mediobanca geworfen, die wiederum mit 13% Großaktionär bei der Versicherung Generali ist. Die Mittel dafür hätte Unicredit mit einem Überschusskapital von 13% und dem sehr starken Anstieg des Aktienkurses seit dem Amtsantritt von CEO Andrea Orcel vor drei Jahren.
Besonders unter Beobachtung steht aber die noch teilstaatliche Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS), die bis Ende dieses Jahres privatisiert werden muss. Nach einer Kapitalerhöhung um 2,5 Mrd. Euro Ende 2022 hat sich das Institut deutlich erholt, weist wieder hohe Gewinne aus und schüttet für 2023 erstmals nach 13 Jahren wieder eine Dividende aus. Rom hat den starken Kursanstieg genutzt und die Beteiligung in zwei Schritten von 64 auf 26,7% reduziert. Weitere Verkäufe dürften bald folgen, weil der klamme italienische Staat dringend Geld braucht. Als potenzielle Käufer werden Unicredit, die eine Übernahme 2021 geprüft, dann aber abgelehnt hat, sowie BPM und BPER genannt.
Ein interessantes Szenario wäre auch ein Einstieg der Versicherung Unipol. Der BPER-Großaktionär hat 19,7% der Anteile an der hochrentablen Volksbank von Sondrio erworben und könnte so einen Bancassurance-Konzern schmieden.
Die italienischen Großbanken haben die Mittel, um bei einer Konsolidierung nicht nur in Italien, sondern auch in Europa mitmischen zu können. Bei der Marktkapitalisierung etwa schlagen die beiden größten Banken Intesa Sanpaolo und Unicredit mit zusammen 122,6 Mrd. Euro sowohl die beiden größten französischen Banken BNP Paribas und Crédit Agricole als auch (klar) Deutsche Bank und Commerzbank. Sie müssen sich im EU-Raum nur den spanischen Instituten geschlagen geben. Für Beobachter ist klar, dass Italiens Großbanken bald aktiv werden.
Unicredit ist eine Partnerschaft mit der griechischen Alpha Bank eingegangen, an der die Italiener mit 9% beteiligt sind. Nachdem die beiden Institute ihre Aktivitäten in Rumänien zusammengelegt und dort nun das drittgrößte Institut des Landes geschaffen haben, prüfen sie weitere Projekte, auch in anderen osteuropäischen Ländern.
Größere Operationen
Doch auch größere Operationen sind wahrscheinlich, glaubt Caselli von der Bocconi: „Früher oder später werden wir auch grenzüberschreitende Geschäfte sehen, aber ich erwarte auch eine weitere Konsolidierung in Italien und Deutschland. In beiden Ländern gibt es noch viele kleine Banken. Ich rechne damit, dass vor allem die größten Banken aktiv werden. Einer der Kandidaten wird zweifellos die Unicredit sein, nicht nur wegen des Wertes ihrer Aktien, sondern auch wegen ihrer Erfahrung bei grenzüberschreitenden Transaktionen“, fügt er hinzu. Orcel hat sich diesbezüglich zuletzt offener gezeigt.
Caselli rechnet damit, dass sich auch die Intesa Sanpaolo, die 2020 den nationalen Konkurrenten UBI Banca übernommen hat, bewegen wird: „Intesa Sanpaolo kann auch etwas tun.“ Das gemessen an Bilanzsumme und Kapitalisierung größte italienische Institut ist im Vergleich zu Unicredit viel weniger international ausgerichtet und hat seinen Schwerpunkt folglich eindeutig in Italien. Dort kann die Bank aber schon aus kartellrechtlichen Gründen nicht durch Übernahmen wachsen.