Teuerung

Kaum erträgliche Inflation

In der Energie- und Inflationskrise muss jeder seinen Beitrag leisten: Verbraucher, Unternehmen, Staat und die EZB.

Kaum erträgliche Inflation

Es kommt nicht ganz überraschend – und ist trotzdem ein ziemlicher Schock, der nachwirkt: Die Inflation in Deutschland hat im September erstmals seit den 1950er Jahren die 10-Prozent-Marke ge­knackt. In den nächsten Monaten könnte es sogar deutlicher zweistellig werden, auch wenn der Ausblick ungewöhnlich unsicher ist. So oder so ist die Teuerung ein Riesenproblem und für die Menschen wie die Unternehmen im Land nur noch schwer bis kaum erträglich. Eine baldige deutliche Besserung ist leider nicht in Sicht. Umso wichtiger ist es, dass nun alle ihren Beitrag leisten: Niemand darf sich aus der Verantwortung stehlen.

Haupttreiber der Inflation sind weiterhin die rasant gestiegenen Energiepreise. Die erneute Eskalation im Ukraine-Krieg mit der Teilmobilmachung in Russland hat die Energiekrise sogar noch einmal verschlimmert und die Risiken bei der Inflation weiter verstärkt. Aber längst sind es nicht mehr nur die Energiepreise – die Inflation breitet sich immer stärker in der gesamten Wirtschaft aus. Und es ist weiter jede Menge Preisdruck in der Pipeline. Die Rekordinflation von zuletzt 45,8% bei den Erzeugerpreisen ist da ein trauriger Beleg. Keine Frage: Aktuell spricht zwar wenig dafür, dass zweistellige Inflationsraten zur neuen Normalität werden. Aber bis der offizielle Zielwert von 2% wieder erreicht wird, wird viel Zeit vergehen. Die Inflation ist gekommen, um (zumindest vorerst) zu bleiben.

Im Kampf gegen die aktuelle Energie- und Inflationskrise ist jetzt jeder gefragt – nicht nur der Staat und die Zentralbank, sondern auch die privaten Haushalte und Unternehmen. Natürlich bedeutet die hohe Inflation für die Verbraucher eine enorme Belastung und viele lässt sie sogar ganz real um die eigene Existenz fürchten. Da braucht es fraglos staatliche Unterstützung. Aber genauso wichtig und unvermeidbar ist es, jetzt Verzicht zu üben. Das betrifft insbesondere den Konsum von Energie. Dass etwa der Gasverbrauch zuletzt teils merklich angestiegen ist und mitunter deutlich oberhalb des Durchschnitts der Vorjahre lag, ist ein großes Problem. Das befeuert die Gas- und Strompreise und mithin die Inflation und erhöht die Gefahr eines Gasmangels im Winter. Auch bei sinkenden Temperaturen sind Einsparungen nötig, damit Deutschland einigermaßen durch die Wintermonate kommt – ohne Gasrationierung.

Aber auch die Unternehmen tragen viel Verantwortung. Natürlich stellt die Preisexplosion bei Energie auch sie vor immense Herausforderungen und viele wissen kaum, wie es weitergeht. Schnelle und unbürokratische Liquiditäts- und Finanzhilfen sind da das Gebot der Stunde. Aber auch die Unternehmen müssen einen Beitrag leisten. Das betrifft die Drosselung des Energieverbrauchs, soweit es die Produktion erlaubt. Das betrifft aber auch die Beteiligung an den sozialen Kosten der Inflation. Mit angemessenen Lohnerhöhungen und (steuerfreien) Einmalzahlungen sollten sie ihre Mitarbeiter unterstützen. Das dürfte sich für sie auch langfristig auszahlen – Stichwort: Fachkräftemangel.

In Krisen- und Kriegszeiten richtet sich der Blick aber natürlich vor allem auf den Staat – und tatsächlich ist nun zuvorderst die Bundesregierung gefragt, die Bürger und Unternehmen zu entlasten. Priorität müssen dabei möglichst gezielte Hilfen für die Schwächsten in der Gesellschaft haben. Aber der Staat darf auch die Mittelschicht mit einer merklich um sich greifenden Abstiegsangst nicht vergessen. Mit dem neuen „Abwehrschirm“ gegen die hohen Energiekosten hat die Ampel-Koalition nach eigener Rechnung nun insgesamt 295 Mrd. Euro ins Schaufenster gestellt. Ob das Geld gut investiert ist, lässt sich final erst beurteilen, wenn alle Details bekannt sind. In jedem Fall muss es jetzt schnell gehen, ohne dass sich ein Murks wie bei der Gasumlage wiederholt. Die Regierung muss dabei auch höllisch aufpassen, dass sie keine falschen Anreize setzt – Stichwort: Energiewende – und dass sie nicht durch simples Schuldenmachen am Ende das Inflationsproblem sogar noch vergrößert. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass der Staat nicht alle schützen und jede Härte kompensieren kann.

Umso wichtiger ist, dass sich die Inflation nicht noch mehr verfestigt. Dabei kommt der Europäischen Zentralbank (EZB) eine zentrale Rolle zu. Sie kann mit ihrer Geldpolitik zwar die Erstrundeneffekte der Energiekrise auf die Inflation kaum bekämpfen. Aber sie muss vor allem verhindern, dass die Inflationserwartungen vollends außer Kontrolle geraten und es zur Lohn-Preis-Spirale kommt. Dafür sind jetzt weiter klare Signale mit kräftigen Leitzinserhöhungen nötig. Eine Geldpolitik, die die Nachfrage sogar noch weiter stimuliert, passt nicht mehr in die Zeit.

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