Kostenkampf um das Entlastungspaket
Das dritte Entlastungspaket des Bundes gegen Preisauftrieb und hohe Energiekosten gerät zum Zankapfel, bevor die Gespräche zwischen Bund und Ländern überhaupt begonnen haben. Ein Ende im Vermittlungsausschuss prophezeit die Fraktionsspitze der CDU/CSU im Bundestag. Dies ist nicht unwahrscheinlich, auch wenn Schwarzmalerei über den Gang von Regierungsvorhaben zum Geschäft der Opposition gehört. Es zeichnet sich ab, dass in der angespannten Energie- und Wirtschaftslage die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand in ein Machtspiel münden wird, das wenig mit der eigentlichen Systematik der Finanzverfassung zu tun hat.
Am 28. September kommen Bund und Länder in einer Ministerpräsidentenkonferenz zusammen. Zentrales Thema: die Finanzierung des dritten Entlastungspakets. Die Spitzen der Ampel-Koalition hatten sich am 3. September auf einen Katalog zur Entlastung von Bürgern und Wirtschaft verständigt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) benannte den Umfang mit 65 Mrd. Euro. Hinzu kommen die beiden ersten Entlastungspakete mit zusammen 30 Mrd. Euro. Die Ampel kleckert nicht, sie klotzt. Dies sollte jedenfalls die Botschaft nach der Marathonsitzung jenes Wochenendes sein. Drei Tage braucht das Bundesfinanzministerium, um die finanziellen Folgen der Koalitionsrunde seriös zusammenzurechnen. Für 2022 und 2023 summierte das Finanzressort Ausgaben und Einnahmeausfälle auf 55,5 Mrd. Euro. Zwei Drittel davon entfallen demnach auf den Bund, einiges davon auch auf die Länder. Nicht enthalten sind unabhängig davon in der überschlägigen Rechnung die Folgen der verschobenen CO2-Preiserhöhung, der Strompreisbremse – also der Abschöpfung von Gewinn aus Marktpreisspitzen – sowie die Dämpfung der Netzentgelte.
Das Entlastungspaket hat einen politischen Haken. Die Ampel-Spitzen beschlossen Maßnahmen zulasten Dritter. Dies betrifft Ausfälle bei Gemeinschaftssteuern wie Umsatzsteuer oder Lohn- und Einkommensteuer, die Bund, Ländern und Gemeinden zu unterschiedlichen Anteilen zustehen. Dazu gehören der Ausgleich der kalten Progression, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas und für die Gastronomie oder die Abschaffung der Doppelbesteuerung bei der Rente. Die Länder wurden von den Beschlüssen der Ampel-Koalition überrascht. Bei Steuerrechtsänderungen ist der Bund aber auf Zustimmung der Länder im Bundesrat angewiesen. Können sich Bundestag und Länderkammer im Gesetzgebungsverfahren nicht einigen, landet der umstrittene Entwurf im Vermittlungsausschuss. Dort sitzen keineswegs nur Finanzexperten. Sie sitzen dort zudem ohne fachlichen Beistand. So ist der Weg durch alle Instanzen nicht nur langwierig, sondern der Ausgang des Vermittlungsverfahrens oft problematisch. Schon jetzt werden finanzielle Forderungen der Länder laut – etwa nach mehr Geld für den Nachfolger des 9-Euro-Tickets. Aber auch nichtmonetäre Forderungen tauchen auf, um politische Positionen durchzusetzen. So dringt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auf längere Laufzeiten der Atomkraftwerke.
Der Bund hat in der Vergangenheit häufig nachgegeben und sich ein Verhandlungsergebnis erkauft. Dieser Weg ist teuer. Er hat die föderale Finanzlage in den vergangenen Jahren zugunsten der Länder verschoben – etwa weil der Bund Umsatzsteuerpunkte abgegeben oder Zahlungsverpflichtungen übernommen hat. Letzteres betrifft die Übernahme von Kosten der Unterkunft für Bedürftige und Geflüchtete, Finanzhilfen rund um Kinderbetreuung und Bildung oder die Aufstockung der Regionalisierungsmittel für den öffentlichen Nahverkehr. Die Finanzausstattung der Länder ist mittlerweile besser als die des Bundes. Die Länder – mit den in ihrer Obhut befindlichen Gemeinden – haben Anspruch auf fast drei Fünftel des Steueraufkommens, der Bund nur noch auf knapp zwei Fünftel. Auch die Dynamik zeigt, dass sich die Steuereinnahmen der Länder nach einer Krise schneller erholen als die des Bundes. Vom öffentlichen Schuldenstand schultert der Bund rund zwei Drittel, die Länder übernehmen ein Drittel. Der Bund muss damit mehr für Zinsen ausgeben als die Länder. Anders als der Bund dürften die Länder im nächsten Jahr auch schon wieder ausgeglichene Haushalte haben.
Der Bund hat allen Grund, seine Mittel zusammenzuhalten, wenn er die Finanzen weiter zu seinen Ungunsten verändern will. Die angespannte Lage zwischen Bund und Ländern zeigt aber auch, dass die Machtverhältnisse in der föderalen Finanzverfassung besser austariert sein sollten. Für die Ampel bedeutet es, die Länder frühzeitiger einzubinden, damit sich die Fronten nicht zu sehr verhärten. Sonst könnte vom Entlastungspaket wenig übrig bleiben.