KommentarAmpel-Krise

Provokation richtet nur Schaden an

Die Ampelkoalition steht vor entscheidenden Tagen. Eskalieren die internen Spannungen, würde dies den Wirtschaftsstandort Deutschland noch stärker belasten. Vorgezogene Neuwahlen wären kontraproduktiv.

Provokation richtet nur Schaden an

Ampel-Krise

Provokation richtet
nur Schaden an

Von Angela Wefers

Nach der Woche der Provokation steuert die Ampel nun in die Woche der Entscheidungen. Noch ist offen, ob die Koalition aus SPD, Grünen und FDP diese Woche überlebt. Am Mittwoch tagt der Koalitionsausschuss mit den Spitzen der Parteien und Fraktionen. Bis dahin hat die FDP erst einmal „spontane Entscheidungen“ abgeblasen. Das heißt übersetzt: kein Ausstieg aus der Ampel. Auch in der SPD gibt es Bestrebungen zur Schadenbegrenzung.

Mit unabgestimmten Papieren und Treffen mit der Wirtschaft hatten sich die Koalitionspartner in der vergangenen Woche gegenseitig beschädigt. Nun könnte die gezielte Provokation eskalieren. Dies würde aber keinem der Regierungsbeteiligten nutzen. Schaden nähme vor allem der Standort Deutschland. Schon jetzt reibt sich das Ausland verwundert die Augen, wie die Bundesregierung in ihrer Zerrissenheit der ohnehin angeschlagenen Wirtschaftslage noch mehr zusetzt. Mit Blick auf die US-Wahl ist Europa herausgefordert, eng zusammenzustehen. Es ist kontraproduktiv, wenn die Regierung des wirtschaftlichen Schwergewichts versucht, sich selbst zu zerlegen.

Neuwahlen sind keine Lösung

Auch wenn sich die Mehrheit der Deutschen Neuwahlen wünscht – gewonnen wäre damit wenig. Der Wunsch ist verbunden mit der berechtigten Hoffnung auf mehr zielgerichtetes politisches Handeln. Vorgezogene Neuwahlen bewirken das Gegenteil. Der Ad-hoc-Wahlkampf würde jegliche politische Aktion sofort lähmen. Demoskopen versprechen auch künftig keine stabileren Mehrheitsverhältnisse. Das offensichtliche Versagen einer amtierenden Regierung würde sogar Wähler animieren, auf die politischen Ränder auszuweichen, um den etablierten Parteien einen Denkzettel zu verpassen.

Wichtig wäre es, zur Debatte über Inhalte zurückzukehren. Mit dem Wirtschaftswende-Papier hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Koalitionspartner provoziert. Die Forderungen nach mehr Zeit auf dem Weg zur Klimaneutralität, der Abschaffung des Solis für Unternehmen, geringerer Körperschaftsteuer, der Neutralisierung von Inflationseffekten bei der Einkommensteuer, nach bezahlbaren Sozialversicherungsbeiträgen sind aber nicht deshalb falsch, weil SPD und Grüne sie ablehnen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) wird bei seinem Treffen mit Industrievertretern nicht viel anderes gehört haben. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat selbst für seine Vorschläge gute Noten aus der Wissenschaft bekommen. Anders als Lindner bleibt Habeck aber Finanzierungsvorschläge schuldig. Solide Fiskalpolitik bleibt ein Muss, wenn der Wirtschaftsstandort wieder florieren soll.

Die Ampel muss in
der Wirtschaftsflaute zur Debatte über Inhalte zurückkehren.

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