Mehr Vernunft als Kniefall vor der Autolobby
Abgasvorgaben der EU
Mehr Vernunft
als Kniefall
Von Stefan Kroneck
Die EU-Kommission ist nicht nur in Bezug auf die derzeitigen geopolitischen Verwerfungen schnell lernfähig, sondern auch in Bezug auf die Autoindustrie. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihre Behörde gehen den richtigen Weg, wenn sie den europäischen Autoherstellern mehr Zeit gewähren bei der Erfüllung verschärfter CO2-Emissionsgrenzwerte für die Fahrzeugflotten. Der Zeitraum für die Vorgaben war ohnehin sehr ambitioniert. Diese entstanden in einer Phase, als Brüssel beseelt davon war, mit strengen Regeln für die Branche die Elektromobilität voranzutreiben.
Der Zeitgeist ist das eine, die Umsetzung politischer Ziele das andere. Die Rechnung wurde ohne den Wirt, sprich den Verbraucher, gemacht. Die Nachfrage nach batteriebetriebenen Pkw ist europaweit immer noch überschaubar. Der große Durchbruch der E-Technologie lässt auf sich warten. Die Hersteller befinden sich in einer kritischen Phase des Umbruchs. Die Konjunkturflaute setzt ihnen zu, Absatz und Gewinnmargen stehen unter Druck. Das spüren vor allem Volumenhersteller wie Volkswagen und Renault.
Pragmatismus ist besser
Vom Handel mit Emissionszertifikaten, der dazu dient, Defizite im Neuwagenflottenverbrauch zu hohen Preisen auszugleichen, profitiert derzeit vor allem Elon Musk mit Tesla. Der exzentrische Unternehmer, der US-Präsident Donald Trump unterstützt, mutiert in Westeuropa gerade zu einer Persona non grata.
Mancher kritisiert von der Leyen dafür, vor der mächtigen Autolobby eingeknickt zu sein. Angesicht der ungünstigen Gemengelage – Trumps wieder aufgenommener Handelskrieg und der Verrat Washingtons an der Ukraine im Krieg gegen den Aggressor Russland liefern die Stichworte – ist die EU-Entscheidung zugunsten der europäischen Autoindustrie vielmehr von Vernunft geprägt. Vor diesem Hintergrund lässt der nächste Schritt sicherlich nicht lange auf sich warten, wenn die EU-Kommission das bis 2035 vorgegebene Aus für Autos mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren auch nach hinten verschiebt. Pragmatismus steht Brüssel besser zu Gesicht als eine ideologische Haltung.