Mut zur Wende gefragt
Bank of England
Mut zur Wende
gefragt
Von Andreas Hippin
Die britischen Währungshüter dürften noch vor der Federal Reserve den Leitzins senken.
Es ist schon ein merkwürdiges Bild: In den Vereinigten Staaten wächst die Wirtschaft, während sie in Großbritannien seit einiger Zeit stagniert. Und dennoch halten die Bank of England wie die Federal Reserve an einer restriktiven Geldpolitik fest. Erstere verfolgt zudem ein aggressives Quantitative Tightening. So wird der Abverkauf der seit der Finanzkrise zusammengekauften Schuldentitel im Kauderwelsch der Notenbanker genannt.
Inflationsziel in greifbarer Nähe
Nun mehren sich die Anzeichen dafür, dass sich der britische Arbeitsmarkt abkühlt. Dabei ist ein wesentlicher Teil der Zinserhöhungen, mit denen die Bank of England auf die rasante Teuerung reagierte, noch gar nicht in der Wirtschaft angekommen. Die Volkswirte der Notenbank rechnen zudem damit, das Inflationsziel von 2,0% in kurzer Zeit zu erreichen. Mit Blick darauf hätten ihre Geldpolitiker schon diesen Monat den ersten Zinsschritt nach unten wagen müssen. Die schwedische Riksbank hat es vorgemacht. Am Mittwoch senkte sie erstmals seit 2016 den Leitzins.
Auf die Federal Reserve braucht man in der Threadneedle Street nicht zu warten. Denn dort rückt angesichts der Inflation eine Lockerung in immer weitere Ferne. Eine synchrone Entwicklung wird es also nicht geben. Die Notenbanken stehen am Scheideweg.
Herdentrieb hält an
Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn man sich der US-Notenbank einfach hätte anschließen können. Dem Herdentrieb zu folgen, ist schließlich in der Vergangenheit immer gut gegangen. Zumindest musste sich niemand dafür verantworten, dass er die rasante Teuerung zum vorübergehenden Phänomen erklärt hat. Schließlich haben es alle so gemacht.
Immerhin, die Bank of England wagte sich im November 2021 als Erste vor und erhöhte den Leitzins. Aber da drohte die Inflation bereits außer Kontrolle zu geraten. Sie erhöhte zu langsam. Dann schaffte sie es nicht mehr, mit den Zinserhöhungen aufzuhören, bis 5,25% erreicht waren: Ein erstaunlicher Wert, wenn man bedenkt, dass das Land im zweiten Halbjahr 2023 in eine Rezession gerutscht ist.
Nach wie vor fehlt es an Selbstkritik, vor allem bei den Führungskräften der Zentralbank. Man kann davon ausgehen, dass zumindest die letzten zwei bis drei Zinsschritte nach oben überflüssig waren. Sie erfolgten zu einer Zeit, in der die ersten noch so gut wie keine Wirkung auf die Realwirtschaft gezeigt hatten. Sie werden das ohnehin anämische Wachstum weiter dämpfen. Man kann nur hoffen, dass die Geldpolitiker der Bank of England bald den Mut aufbringen werden, den Leitzins nachhaltig und deutlich zu senken, um weiteren Schaden zu vermeiden.