LeitartikelBondmärkte

MSCI gerät unter Zugzwang

MSCI wird unter Druck kommen, wenn es um die Aufnahme der EU-Bonds in die Staatsanleiheindizes geht. Die EU ist ein Super-Sovereign und damit für den SSA-Markt viel zu groß. Und der Druck wird über andere Indexanbieter auf MSCI zukommen.

MSCI gerät unter Zugzwang

It is not a matter of IF it happens, it is a matter of WHEN it happens. Und damit ist die Situation von MSCI und der Aufnahme der Anleihen der Europäischen Union (EU) in die Staatsanleiheindizes des Indexanbieters trefflich beschrieben. MSCI hat sich im Juni nach einer Marktkonsultation entschieden, die Bonds der EU noch nicht in die Staatsanleiheindizes zu integrieren, und hat den Beschluss hierüber nach einer weiteren Marktkonsultation auf das zweite Quartal 2025 vertagt. Aber spätestens dann werden die EU-Bonds als Staatsanleihen qualifiziert. Dafür gibt es sehr gute Gründe.

Die EU muss als sogenannter Super-Sovereign eingestuft werden. Die EU-Mitgliedsländer haben verschiedene Souveränitäten auf die EU übertragen, darunter etwa Rechtsaspekte, weshalb die EU als „übergeordneter Staat“ angesehen werden kann. Seit der Pandemie hat die EU einen großangelegten Auftritt an den Anleihemärkten. Dieser begann zu einer schwierigen Zeit – nicht nur pandemiebedingt, sondern weil die EZB zu dieser Zeit als großer Anleihekäufer im Rahmen des beendeten QE weggefallen war. Zudem hatte die EU keine große eigene Investorenbasis, diese musste sich die EU erst aufbauen. Heute zählt die Adresse mehr als 1.700 Investoren. Das allein verdient Respekt.

Eingewandt wird gerne mal, dass das Anleiheprogramm ja nur bis 2026 ausgelegt ist, und damit wird die Frage aufgeworfen, was danach passiert. Aber selbst wenn dann die Entscheidung gefällt werden sollte, dass die Anleiheemissionen nicht mehr weiter über neue EU-Bonds ausgeweitet werden, und nur die bestehenden Schuldpapiere in der Folgezeit bei jeweiliger Fälligkeit ersetzt werden, kommt die EU auf einen Marktanteil im europäischen Staatsanleihemarkt von um die 10%. Das ist nicht zu ignorieren und schon gar nicht wegzudiskutieren. Mit einer derartigen Größe wird die EU für das Segment der SSA (Supranationals, Sub-Sovereigns und Agencies) nicht nur zu groß, sie verzerrt das Segment dadurch sogar, weshalb ein Wechsel in die Staatsanleihen erfolgen muss.

Gerne eingewandt wird – aber es ist eben auch nur ein schwacher Vorbehalt –, dass die EU keine eigene Steuer(erhebungs)hoheit hat wie ein Staat, also bei der Bedienung von Zins und Tilgung nicht auf – selbst festzulegende – Steuern zurückgreifen kann. Das ist ja richtig, aber mal im Ernst: Wenn Europa bzw. die EU wirklich mal in einer Situation angekommen sein sollte, dass die Staatengemeinschaft, hinter der ja immerhin die drei Triple-A-Staaten Deutschland, Luxemburg und die Niederlande stehen sowie eine Reihe von weiteren potenten Staaten mit Investment-Grade-Rating, Zins und Tilgung nicht mehr leisten kann, hat Europa sicherlich sehr viel schwerwiegendere Probleme am Hals als einen anstehenden Zinskupon.

MSCI kommt noch aus einem weiteren Grund unter Zugzwang. Andere Indexanbieter wie iBoxx, Bloomberg, S&P, J.P. Morgan etc. setzen sich ebenfalls mit dem Thema Aufnahme in die Staatsanleiheindizes auseinander, manche Entscheidung steht hier noch im zweiten Halbjahr an. Es ist zu erwarten, dass hier ein positiver Beschluss über die Aufnahme getroffen wird. Ist nur die Frage, wer sich hier zuerst aus der Deckung wagt. Dann werden die anderen nachziehen (müssen). Denn diese Indizes inklusive EU-Bonds werden als Benchmark zugrunde gelegt, Anleger orientieren sich daran, richten Portfolios danach aus. Und wenn die EU dann in einem Staatsbondindex vertreten ist und dieser als Benchmark herangezogen wird, erfolgen (weitere) Käufe der Investoren in diesen Bonds, um den Index abzubilden. Das erhöht nochmals die Liquidität der EU-Anleihen, bringt sie noch näher an die Staatsanleihen heran – ein Prozess mit einem Element von Eigendynamik. MSCI wird dann am Markt nicht im Abseits stehen wollen, wenn andere die Benchmark-Rolle übernehmen.

Und MSCI wird auch das Prozedere der Investorenkonsultation sicher noch überdenken. Dem Vernehmen nach soll dieser nicht so gelaufen sein, wie man es im Markt gewohnt ist, ohne dass MSCI daraus riesige Vorwürfe gemacht werden. Aber nach einem nochmaligen, vielleicht etwas eleganteren Anlauf einer Marktkonsultation wird sich MSCI sicher zu dem Entschluss durchringen, die EU als Staat zu qualifizieren, und die Bonds entsprechend einstufen. MSCI wird das heute schon klar sein.

EU-Anleihen

MSCI gerät unter Zugzwang

MSCI wird die Anleihen der EU in die Staatsanleiheindizes aufnehmen müssen. Denn der Druck vom Markt wird viel zu groß.

Von Kai Johannsen
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.