Verbrennerverbot

Nachvoll­ziehbare Panik­reaktion

Am Widerstand gegen das Verbrenner-Verbot ab 2035 überrascht vor allem der späte Zeitpunkt. Die fehlende Technologieoffenheit des EU-Vorhabens ist aus Industriesicht problematisch - nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen.

Nachvoll­ziehbare Panik­reaktion

Nanu, wo kommt das denn her? Buchstäblich in letzter Minute regt sich Widerstand gegen das von der EU angedachte Verbrennerverbot ab 2035. Das EU-Parlament hatte im Februar für das Vorhaben gestimmt. Eine für Mittwoch geplante Abstimmung der EU-Diplomaten wurde jetzt kurzfristig durch die schwedische Ratspräsidentschaft verschoben. Informierten Kreisen zufolge wollten Deutschland, Italien, Polen und Bulgarien nicht zustimmen. Gegenwärtig sei die erforderliche Mehrheit unter den EU-Staaten nicht gegeben. Am Freitag soll ein neuer Anlauf folgen. Sollte dieser scheitern, wird spekuliert, dass sogar das für Dienstag geplante Votum der Ministerrunde – eigentlich eine Formalität – auf der Kippe stehen könnte.

Woher kommt der Stimmungsumschwung? Das Thema liegt schließlich lange auf dem Tisch, und bislang war der Gegenwind, dem sich die Befürworter des Verbrennerverbots in der EU ausgesetzt sahen, eher ein laues Lüftchen. An der Speerspitze der Gegenbewegung zum Verbrennerverbot stehen Deutschlands Verkehrsminister Volker Wissing und der Verband der Automobilindustrie (VDA). Argumentiert wird, dass jede klimafreundliche Technologie gefördert werden müsse. Das schließe E-Fuels ein. Verwiesen wird auf zig Millionen im Umlauf befindliche Verbrenner, die auch nach 2035 weiterfahren werden.

Natürlich ist Ökologie nicht die primäre Motivation. Es geht um wirtschaftliche Interessen der Industrie: Investitionssicherheit, einen längeren, lukrativeren Lebenszyklus der nächsten Verbrennergeneration, die Angst vor einem beschleunigten Wertverlust von Autos mit Verbrennungsmotor oder auch die Sorge, dass ein schnellerer Hochlauf der Elektromobilität vor allem Spezialisten wie Tesla in die Karten spielt. Der US-Elektroautobauer ist bereits drauf und dran, Audi beim Absatz zu überholen, und könnte in wenigen Jahren BMW und Mercedes einholen.

Auch jenseits wirtschaftlicher Interessen gibt es Argumente, die Zweifel an den Plänen der EU nachvollziehbar machen. Denn eine technologische Festlegung ist gegenüber einer Zielfestlegung immer auch ein Innovationshemmnis. Beim Thema E-Fuels ist das offensichtlich. Selbst wenn diese für den Gebrauch bei alten Verbrennern künftig genutzt werden können, dürfte es kaum dazu kommen. Mit der Festlegung auf ein Verbrennerverbot wird der potenzielle Markt für die Technologie gekappt und Investitionen in dieselbe dramatisch gebremst. Damit werden E-Fuels auch für im Betrieb befindliche Verbrenner kaum je wirtschaftlich zur Verfügung stehen. Die Gegenwehr gegen das Verbrennerverbot mag wie Panik daherkommen – unverständlich ist aber allenfalls der späte Zeitpunkt. (Börsen-Zeitung, 2.3.2023)

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