Näher am Ziel
Der Sportwagenbauer Porsche könnte ab dem vierten Quartal dieses Jahres an die Börse kommen, wie Volkswagen vor einer Woche nach dem Beschluss einer Eckpunktevereinbarung verkündet hat, die die Basis für die weitere Vorbereitung sein soll. Der geplante Teilbörsengang soll den ganzen Wert der hochrentablen Stuttgarter Konzerntochter zur Geltung bringen, wovon auch das Mehrmarkenunternehmen aus Wolfsburg profitieren könnte. Andere Konzerne wie Siemens haben mit der Abspaltung und Börseneinführung von einzelnen Geschäften und Tochtergesellschaften Wege vorgezeichnet. Wie lässt sich das nun absehbar gewordene Porsche-IPO, das − gemessen an der im Raum stehenden Bewertung des Sportwagenherstellers von 60 bis 100 Mrd. Euro − weltweit möglicherweise eines der bislang größten würde, einordnen?
Gedankenspiele gibt es schon seit langem. So heizte Porsche-Finanzchef Lutz Meschke im Herbst 2018 Spekulationen mit Verweis auf den Börsengang von Ferrari drei Jahre zuvor an. Dieser habe auch Fiat einen Wertzuwachs gebracht, weil dem Kapitalmarkt signalisiert worden sei, jetzt werde aufgeräumt, man müsse selbst die Kosten im Griff haben und könne Probleme nicht mit guten Renditen aus der Sportwagensparte überdecken. Den Test der Marktreaktion gut drei Jahre nach Bekanntwerden der Dieselabgasmanipulationen im VW-Konzern bremste die Eigentümerfamilie Porsche/Piëch, die über die nicht mit dem Sportwagenbauer zu verwechselnde Porsche Automobil Holding SE über gut 53% der Stimmrechte bei Volkswagen verfügt, wenig später zwar ab. Ein Börsengang sei überhaupt kein Thema. Inzwischen jedoch haben sich Voraussetzungen für ein Going Public von Porsche verändert.
Das 1948 in Stuttgart von Ferry Porsche gegründete Unternehmen, das seit 2012 Teil des VW-Konzerns ist, hat 2021 weltweit knapp 302000 Fahrzeuge an Kunden übergeben – so viele wie noch nie in der Firmengeschichte. Der nach „Dieselgate“ forcierte konzernweite Wandel in Richtung Elektromobilität hat dabei dazu geführt, dass sich der vollelektrische Porsche Taycan inzwischen besser verkauft als die langjährige Sportwagen-Ikone 911. Verglichen mit dem Vorjahr haben sich die Verkaufszahlen des E-Modells 2021 auf 41300 mehr als verdoppelt. Mit Blick auf Nachhaltigkeitsziele wie jenes, bis 2030 auf einen Anteil der Elektrifizierten an allen weltweit ausgelieferten Porsche-Modellen von mehr als 80% zu kommen, können die auch auf durstige SUV-Modelle setzenden Schwaben Fortschritte vorweisen.
Ferner kann Porsche Anleger mit einer Gewinnhistorie ansprechen: Trotz Corona-Pandemie und der für die Autobranche kritischen Halbleiterknappheit hält das Unternehmen als einer der profitabelsten Automobilhersteller seine als strategisches Ziel angestrebte Umsatzrendite von 15%. Der Sportwagenbauer, der infolge seines wertschaffenden Wachstums von einer guten Komponentenzuteilung innerhalb des VW-Konzerns profitiert, bleibt die Gewinnmaschine. Porsche eile von Erfolg zu Erfolg, erklärte VW-Vorstandschef Herbert Diess unlängst. Das wird dem Mehrmarkenkonzern den Plänen zufolge weiterhin zugutekommen: Neben Einnahmen aus dem Börsengang, mit denen sich der weitere Wandel hin zu E-Mobilität und softwarebasierten Diensten beschleunigen lässt, werden die Wolfsburger als Mehrheitseigentümer auch künftig enorme Mittel aus Stuttgart erhalten.
Befördern wird den geplanten Börsengang zudem der in den vergangenen Jahren forcierte und mit den operativen Erfolgen einhergehende Ausbau der Eigenständigkeit. Porsche gehört keiner der Markengruppen im VW-Konzern an, der Sportwagenbauer verfolgt ergänzende oder eigene Projekte bei Antriebstechnologien, bei der Produktion von Elektromodellen oder der Fertigung von Batteriezellen.
Anleger und Ratingagenturen haben positiv auf die Ankündigung der Pläne reagiert, die von den VW-Großaktionären und Mitarbeitern unterstützt werden. Für den Erfolg des geplanten Börsenauftritts dürfte indes neben dem Timing des IPO wesentlich sein, wie Fragen unter anderem zur Bewertung des weiterhin im VW-Konzern voll konsolidierten Sportwagenbauers oder zu Verflechtungen auf den Organebenen von Volkswagen, Porsche und Porsche SE beantwortet werden. Ihrem Ziel, nach der 2009 gescheiterten Übernahme von VW durch Porsche wieder direkten Zugriff auf den Sportwagenbauer zu erhalten, kommt die Eigentümerfamilie nun aber schon näher.