Nvidia steht mit dem Schweizermesser am OP-Tisch
Nvidia
Schweizermesser am OP-Tisch
Von Alex Wehnert
Nvidia hat ihre Wandlungsfähigkeit wiederholt bewiesen. Doch die jüngste Verlagerung im KI-Boom gefährdet die Vormachtstellung des Chipdesigners.
Während Nvidia-Investoren über die jüngsten Zuwächse bei Erlösen und Gewinn jubeln, muss der Chipdesigner mehr denn je um seine Vormachtstellung bangen. Schuld daran ist nicht nur der Erfolg des chinesischen Start-ups DeepSeek, das erhebliche Zweifel an der Zweckmäßigkeit der gewaltigen Investitionen von US-Technologieriesen in künstliche Intelligenz (KI) geweckt hat – sondern auch ein tiefgreifender Wandel innerhalb des Marktes. Denn nun, da Millionen Menschen die Tools von OpenAI oder Anthropic und die KI-Assistenten von Microsoft oder Alphabet verwenden, stehen die Anbieter vor neuen Herausforderungen. Sie müssen ihre großen Sprachmodelle nicht nur trainieren. Vielmehr kommt es für sie zunehmend darauf an, diese auch zu betreiben.
Härterer Wettbewerb bei Inferenz
Damit ist das Stichwort Inferenz am Chipmarkt in aller Munde. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit von KI-Modellen, aus den im Zuge des maschinellen Lernens eingespeisten Daten Muster zu erkennen und somit auch aus unbekannten Informationen Schlüsse zu ziehen. Nvidia hat mit der Prozessorplattform Blackwell zwar durchaus große Performance-Fortschritte mit Blick auf Inferenz erzielt. Doch wenngleich die Kalifornier damit die Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellen, die den Siegeszug des einst auf Grafikkarten für Videospiele spezialisierten Designers überhaupt erst möglich gemacht hat: Im Markt für Inferenz-Chips zeichnet sich ein weit härterer Wettbewerb ab als bei Trainingsprozessoren, bei denen Nvidia enteilt ist.

Konkurrenten wie Advanced Micro Devices, die zuletzt eher wieder tiefer gestapelt hat, richten sich mit ihren Produkten von vornherein stärker auf Inferenz aus – ganz zu schweigen von spezialisierten Start-ups wie Cerebras. Nvidia hat hingegen den Anspruch, beide Seiten des KI-Geschäfts zu bedienen, und ist durch ihre Herkunft aus dem Grafikkarten-Geschäft laut Analysten dabei fundamental limitiert. Gewissermaßen steht der Börsenliebling also mit dem Schweizermesser am OP-Tisch.
Vielseitigkeit ist nicht der Schlüssel
Bei dem Werkzeug handelt es sich um ein nützliches Hilfsmittel: Wer nur mal ein Bier öffnen, einen Korken ziehen oder eine Schraube drehen muss, der findet innerhalb der üblicherweise roten Kunststoff-Griffschale schnell ein passendes Gerät. Mit der integrierten Klinge komplexe Eingriffe anzustreben, empfiehlt sich jedoch nicht – auch wenn sie noch so sehr geschärft ist.