Orcels kluges Zeitspiel
Unicredit
Orcels kluges Zeitspiel
Von Anna Sleegers
Wer sich von der parallelen Vorlage der Quartalsergebnisse von Unicredit und Commerzbank mehr Klarheit erhofft hat, sieht sich enttäuscht. Unicredit-Chef Andrea Orcel lässt sich weiterhin nicht in die Karten schauen, ob, wann und zu welchen Konditionen er eine Mehrheitsübernahme des deutschen Wettbewerbers plant. Die Unklarheit erhöht den Druck auf die erst kürzlich zur Vorstandschefin der Commerzbank aufgestiegene Bettina Orlopp.
Schon lange dabei
Die Bankerin ist allerdings lang genug an Bord, um derlei Situationen zu meistern. Wie in den Tagen, als der aktivistische Investor Cerberus ihrem Vor-Vor-Vorgänger Martin Zielke die Hölle heiß machte, hilft jetzt nur eines: den Turbo einlegen. Gelingt es dem Institut durch ambitioniertere Ziele und eine konsequente Kapitalrückgabepolitik die Börsenbewertung dauerhaft in die Höhe zu treiben, wird Unicredit das Vorhaben ad acta legen müssen. Schließlich muss auch Orcel seinen Investoren erklären müssen, warum sich der Zukauf lohnt. Unbegrenzten Spielraum werden sie ihm dafür nicht geben, zumal auch die Realisierung der Kostensynergien ein teures Unterfangen zu werden verspricht.
Der Knick im Aktienkurs, den die Commerzbank am Tag der Veröffentlichung verbuchte, ist dabei weitgehend bedeutungslos. Denn auch Unicredit geriet am Tag nach den Präsidentschaftswahlen in den USA kräftig unter Druck. Zudem dürften die Kursbewegungen derzeit vor allem geprägt sein von den Absicherungsgeschäften der diversen Investoren, die an den Fusionsfantasien mitverdienen wollen.
Höheres Ertragsniveau muss sich noch stabilisieren
Ob es Orlopps Mannschaft gelingt, die Bewertung auf ein neues Niveau zu heben, wird sich erst noch zeigen müssen. Bis dahin tut Orcel gut daran, auf Zeit zu spielen. Schließlich ist das bei der Europäischen Zentralbank (EZB) beantragte Inhaberkontrollverfahren für die Beteiligung in Höhe von 10% noch nicht mal in Gang gesetzt. Was auch immer noch passiert, die italienische Großbank gewinnt auf jeden Fall: Entweder Marktanteile in Deutschland, oder aber den Kursgewinn, sollte sie sich doch wieder von den günstig erworbenen Commerzbank-Anteilen trennen.