Das jähe Ende der Party
Jähes Ende der Party
Die Aktienkurse der großen Sportartikelkonzerne stehen unter Druck. Vor allem Puma verliert an Börsenwert – ausgerechnet nach der Feier zum 75. Geburtstag des Unternehmens.
Von Joachim Herr, München
Als Gratulanten kam eine ganze Schar ehemaliger und aktueller Weltklassesportler nach Herzogenaurach: Wimbledon-Sieger Boris Becker war dabei, Fußballweltmeister Lothar Matthäus, Sprintkönig Usain Bolt, der noch immer die Weltrekorde über 100 und 200 Meter hält, die zweifache Weitsprung-Olympiasiegerin Heike Drechsler und Armand Duplantis, der Überflieger im Stabhochsprung. In der Zentrale von Puma im fränkischen Städtchen Herzogenaurach plauderten die Markenbotschafter – vom nun ein Dreivierteljahrhundert alten Unternehmen zu Puma-Legenden ernannt – über ihre Karrierewege, Tief- und Höhepunkte.
Im Spitzensport dreht sich viel um Sieg und Niederlage. "Verlieren ist kein gutes Gefühl", gab Linford Christie auf der Puma-Feier Ende September zu. "Aber man braucht es, weil es einen am Laufen hält." Der Brite, der Anfang der neunziger Jahre Olympiasieger und Weltmeister im 100-Meter-Sprint wurde, erlebte seine vermutlich größte Niederlage 1999: Nach einem positiven Dopingtest sperrte ihn der Leichtathletik-Weltverband. Christie trat zurück.
Stärkster Rutsch seit 2020
Wenige Tage nach der Feier musste auch Puma in gewisser Weise eine Niederlage hinnehmen. Zumindest dürfte die Partylaune ein jähes Ende gefunden haben, als der Aktienkurs des Sportartikelkonzerns am vergangenen Donnerstag um 11,5% im Xetra-Handel abstürzte. Das war nach Feststellung der Nachrichtenagentur Bloomberg der happigste Tagesverlust seit März 2020. Damals lastete die Corona-Pandemie wegen der Schließung vieler Läden schwer auf der ganzen Branche.
Nun geht unter Investoren die Furcht um, im dritten Quartal könnte sich das Geschäft von Puma nicht so gut entwickelt haben. Die schwache Konjunktur und die hohe Inflation treffen die Konsumgüterbranchen in Europa und Nordamerika. In China erholt sich das Geschäft nach der Pandemie recht langsam. Auf den Aktienmärkten nimmt seit einiger Zeit ohnehin die Nervosität zu. Da genügt etwas mehr Unsicherheit, um heftige Reaktionen auszulösen. Den Quartalsbericht hat Puma für den 24. Oktober angekündigt.
Spekulationen über Prognose
Aktienanalysten brachten in ihren Kommentaren zuletzt Skepsis zum Ausdruck. Von der Investmentbank Stifel hieß es zum Beispiel, das Umsatzwachstum und die Bruttomarge von Puma könnten im dritten Quartal die Erwartungen des Marktes verfehlt haben. Nach Ansicht der Branchenbeobachter der kanadischen Bank RBC liegt das obere Ende der Jahresziele von Puma wohl außer Reichweite. Stifel hatte nach dem gut aufgenommenen Quartalsbericht von Nike vor zwei Wochen noch damit gerechnet, dass Puma die Prognose erhöhen könnte. Die jüngsten Signale des Unternehmens hätten diese Erwartung jedoch enttäuscht.
Negative Währungseffekte veranlassten die Analysten der Deutschen Bank, ihre Prognose für das operative Ergebnis von Puma in diesem und im nächsten Jahr zu senken. Seit Mitte Juli hat der Euro im Vergleich mit dem Dollar erheblich an Wert verloren. Das macht den Einkauf der überwiegend in Asien produzierten und in Dollar bezahlten Ware für die europäischen Sportartikelunternehmen teurer. Das Bild der Analysteneinschätzungen ist freilich ein buntes Mosaik. So heißt es von der DZ Bank, die Kommunikation von Puma mit dem Kapitalmarkt habe keine Hinweise geliefert, die den jüngsten Kurseinbruch in vollem Umfang erklärten. Das Unternehmen selbst reagierte knapp auf den starken Tagesverlust: Der Aktienkurs werde nicht kommentiert, der Ausblick für das Jahr 2023 aber bestätigt.
Der Vorstandsvorsitzende Arne Freundt äußerte sich in der Finanzzeitung "Euro am Sonntag" kaum präziser: Die Prognose stehe, und Puma sei voll auf Kurs, diese zu erreichen. Das zeige, dass das Unternehmen in einem sehr schwierigen Marktumfeld weiter Marktanteile gewinnen könne. Freundts Worte sorgten allerdings nur für eine leichte Beruhigung: Am Freitag, dem Tag nach dem Absturz, erholte sich der Kurs um 2,5%, gab aber am Montag um 2,1% nach. Immerhin ging es am Dienstag in einem sehr festen Markt um 2,1% nach oben. Vor zwei Wochen hatte es noch wesentlich besser ausgesehen: Am 28. September hatte der Branchenprimus Nike mit seinen Quartalszahlen und seinem guten Abschneiden auch den Aktienkursen von Puma und Adidas auf die Sprünge geholfen.
Lagerbestände verkleinert
Für Beruhigung der Investoren sorgte besonders die Tatsache, dass Nike in den Monaten von Juni bis August die nach den Erfahrungen mit den Engpässen in der Pandemie zu stark aufgestockten Lagerbestände um ein Zehntel verringert hat. Das gelang im Gegensatz zu den vorangegangenen Monaten ohne höhere Rabatte. Zudem stellte Finanzvorstand Matthew Friend in Aussicht, die Bruttomarge im aktuellen Quartal zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren wieder zu steigern. Der Umsatz soll wie in den drei Monaten zuvor abermals leicht steigen.
Seit der Veröffentlichung des Berichts und des Ausblicks hat der Aktienkurs von Nike in New York um etwa 10% zugelegt. Verglichen mit dem Beginn dieses Jahres ergibt sich aber immer noch ein Minus von fast 20%, verglichen mit dem Hoch vor knapp zwei Jahren fiel der Kurs um mehr als 40%. Der Börsenwert von Puma hat sich in dem längeren Zeitraum sogar mehr als halbiert.
Signale aus dem Vorstand
Am heftigsten traf es die Aktionäre von Adidas: Gemessen am Höchststand im August 2021 stürzte der Kurs bis Anfang November des vergangenen Jahres auf weniger als ein Drittel ab. Erst der Wechsel an der Vorstandsspitze von Kasper Rorsted zu Bjørn Gulden half der Aktie auf die Beine. Im Sog des Kurssturzes von Puma am vergangenen Donnerstag verloren die Adidas-Anteile 3,7% an Wert. In den vergangenen drei Börsentagen glich Adidas diese Scharte allerdings mit einem Plus von fast 9% mehr als aus.
Der Grund ist vermutlich, dass im Gegensatz zu Puma die Signale des Vorstands zum aktuellen Geschäft gut ankamen. Die Analysten von RBC schließen aus den Aussagen, dass es mit dem Abbau der Lagerbestände vorangeht. Und sie rechnen mit einer höheren Jahresprognose, wenn Adidas die Quartalszahlen am 8. November präsentiert. Das Analysehaus Jefferies erkennt in den bisherigen Zielen ohnehin nur eine niedrige Hürde.
Lösung für "Yeezy"
Dass Gulden die Latte gern erst einmal tiefer legt, zeigte er schon in den neun Jahren als Vorstandschef von Puma. 2023 bezeichnet er als Übergangsjahr für Adidas, ehe die Rückkehr zu Wachstum und höherer Profitabilität gelingen soll. Nach den Halbjahreszahlen hatte Gulden bereits einen geringeren Rückgang des Umsatzes und einen niedrigeren Betriebsverlust als zunächst angekündigt in Aussicht gestellt. Das liegt vor allem an der Lösung für die "Yeezy"-Schuhe aus der beendeten Kooperation mit dem Skandal-Rapper Kanye West: Adidas verkauft die Sneaker in Tranchen und spendet einen Teil des Erlöses. Nach der schweren Niederlage wirkt das zumindest wie ein kleiner Sieg.
Gruppenbild mit CEO (von links): die Puma-Markenbotschafter Colin Jackson, Heike Drechsler, Linford Christie, Merlene Ottey, Vorstandschef Arne Freundt, Usain Bolt, Armand Duplantis, Jaroslawa Mahutschich, Lothar Matthäus, Boris Becker und Ralph Sampson.