Im BlickfeldReformentwurf aus Berlin

Reform der privaten Altersvorsorge birgt noch reichlich Zündstoff

Der lang ersehnte Entwurf zur Reform der privaten Altersvorsorge liegt nun vor. Bei den Differenzen geht es auch ums Geschäft.

Reform der privaten Altersvorsorge birgt noch reichlich Zündstoff

Noch Zündstoff im Vorsorgesystem

Der lang ersehnte Entwurf zur Reform der privaten Altersvorsorge liegt nun vor. Bei den Differenzen in der Finanzbranche geht es um Grundsätzliches, aber auch ums Geschäft.

Von Angela Wefers, Berlin

Das staatlich geförderte Depot eröffnet in der privaten Altersvorsorge in Deutschland neue Möglichkeiten für alle, die vorsorgen, und auch für den Aktienmarkt. Der nun vorliegende Referentenentwurf aus dem Bundesfinanzministerium stellt neben das bisherige und – künftig reformierte – Garantieprodukt, also die Riester-Rente, ein Vorsorgedepot ohne Garantie und völlige Wahlfreiheit. Für Anleger, die mehr Handreichung benötigen, soll es ein Referenzdepot mit zulässigen Vermögensgegenständen geben. Sollte der Referentenentwurf zum Gesetz werden, kann in Deutschland die frei gewählte Anlage in Wertpapieren für die Altersvorsorge einen deutlichen Schub erleben. Aber bis dahin ist es politisch noch ein weiter Weg.

Kapitaldeckung im System

Mit dem Vorstoß zur Reform der privaten Altersvorsorge ergänzt die Bundesregierung den letzten Puzzlestein ihrer dreiteiligen Rentenreform. Alle drei Teile haben Kapitalmarktbezug. Das Rentenpakt II fixiert das gesetzliche Rentenniveau bei 48%, nimmt dafür aber steigende Beiträge in Kauf und sieht auch von einer längeren Lebensarbeitszeit ab. Renommierte Rentenexperten wie Sachverständigenratsmitglied Martin Werding kritisieren die Lastenverschiebung auf die jüngere Generation und die Steuerzahler. Dies treibt auch die FDP im Bundestag um, wo das Rentenpaket II gerade in erster Lesung behandelt wurde und nun in den Ausschüssen beraten wird.

FDP-Fraktionsvize Johannes Vogel baut noch auf Änderungen und spielt mit dem Gedanken einer Blockade. Teil des Rentenpakets II ist aber auch das sogenannte Generationenkapital als kapitalgedeckte Komponente, das die FDP propagiert. Kreditfinanzierte Bundesmittel sollen von staatlichen Fondsmanagern am Kapitalmarkt so renditeträchtig angelegt werden, dass die um den Zinsaufwand geschmälerten Erträge den gesetzlichen Rententopf füllen können.

Mehrere Bausteine

Zweiter Baustein ist das Betriebsrentenstärkungsgesetz. Mitte September hatte das Bundeskabinett den Regierungsentwurf beschlossen. Das Gesetz soll Betriebsrenten für Geringverdiener und kleine Unternehmen erleichtern. Das Gesetz will auch die Kapitalanlagemöglichkeiten für Pensionskassen und kleine Versicherer erweitern. Dazu wird die Anlageverordnung gelockert. Mittel aus diesen Kapitalsammelstellen können so verstärkt in Venture Capital fließen. Politischer Zündstoff steckt in diesem Entwurf kaum.

Anders sieht es bei der privaten Vorsorge aus. Dort gibt es reichlich Reibungspunkte innerhalb der Koalition und auch unter den Anbietern. Der Versicherungsverband GDV und der Fondsverband BVI liefern sich dazu öffentliche Gefechte. Der GDV hält dem BVI nicht ganz zu Unrecht vor, dass der Begriff einer „Fondsrente“ eine lebenslange Versorgung insinuiere, die ein Auszahlplan aus Fondsvermögen nicht risikofrei leisten kann. Nicht zuletzt geht es darum, wer künftig das Geschäft machen kann. Bislang hatten die Versicherer bei der Zahl der Verträge eindeutig die Nase vorn. Dies könnte sich mit dem Vorsorgedepot ändern.

Einigkeit besteht immerhin darin, dass die Riester-Rente von 2001 reformiert werden muss. Die Kapitalmarktskeptiker im Bundestag hatten sie damals blauäugig mit einer Garantie der eingezahlten Beiträge belastet. Die Anlage in renditeträchtige Aktien wurde damit faktisch blockiert. Niedrigzinsphase, hohe Vertriebs- und Verwaltungskosten sowie ein komplexes Fördersystem machten die Riester-Rente vollends unattraktiv. Die Zahl der Verträge erreichte in der Spitze 16,6 Millionen, sank aber bis zum vergangenen Jahr auf 15,5 Millionen. Aus dem Vertrieb haben sich diverse Institute verabschiedet.

Ohne Standardprodukt

Grüne und Verbraucherschützer waren enttäuscht, dass sich die Fokusgruppe private Altersvorsorge im Bundesfinanzministerium 2023 nicht auf ein klar definiertes und standardisiertes Vorsorgeprodukt verständigen konnte. Für Menschen, die sich nicht routiniert im Kapitalmarkt bewegen, wäre dies eine einfache und sichere Lösung zu Reform der Riester-Rente gewesen. Zugleich hätte es diese aber in der Wahlfreiheit beschränkt und staatliche Intervention manifestiert. Stattdessen hatte sich die Fokusgruppe bei dem Ziel, die private Vorsorge renditestärker und einfacher zu machen, auf zwei Varianten festgelegt. Der Referentenentwurf setzt dies nun um: mit einem Versicherungsprodukt in zwei Ausprägungen – mit voller und auf 80% verringerter Garantie der Beiträge zu Beginn der Auszahlungsphase – sowie mit dem Vorsorgedepot ohne jegliche Garantie.

Verschlankung und Flexibilität sollen die private Vorsorge zudem attraktiver machen: Der Vertrag soll nur noch Altersvorsorge abdecken. Die kostspielige Absicherung gegen Erwerbsminderung, Dienstunfähigkeit oder für Hinterbliebene entfällt. In der Ansparphase soll nach fünf Jahren ohne Kosten auf der Seite des abgebenden Anbieters ein Wechsel möglich sein. Anspar- und Auszahlungsphase sollen stärker getrennt werden, indem ein Wechsel vor der Auszahlungsphase möglich ist. In der Auszahlungsphase darf der Vertragsnehmer zwischen lebenslanger Leibrente oder Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr wählen. Die Pflicht zur Restverrentung wird aufgehoben. Letzteres gilt auch für bestehende fondsgebundene Riester-Verträge. Das Kapital der alten Verträge kann im Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien auf einen Vertrag mit neuen Förderkonditionen übertragen werden.

Sowohl die reformierten Garantieprodukte als auch das Vorsorgedepot sollen stärker gefördert werden als bisher: bei Eigenbeträgen von mindestens 120 Euro und maximal 3.000 Euro jährlich. Finanzminister Christian Lindner (FDP) will jeden eingezahlten Euro zusätzlich steuerlich mit 20 Cent vergüten. Für Kinder kommen zusätzliche Beträge hinzu, auch für Berufseinsteiger sowie Menschen mit geringem Einkommen. Die Förderhöhe war nicht Teil der Fokusgruppe und dürfte innerhalb der Regierung noch heiß diskutiert werden. Der Referentenentwurf ist aktuell in der Ressortabstimmung. In der Fokusgruppe waren neben Finanzministerium auch die Ressorts Soziales (SPD) und Wirtschaft (Grüne) vertreten sowie die Sozialpartner und Stakeholder. Dies spricht dafür, dass am grundsätzlichen Konzept politisch nicht mehr gerüttelt wird. Doch die Performance der Ampel-Regierung macht vieles unsicher. Bislang hat noch keiner der drei Teile der Rentenreform Gesetzeskraft erlangt.