Im BlickfeldLithium, Stahl und Co.

Rohstoffkosten der Autoindustrie dürften kaum steigen

Die in einer tiefen Krise steckende Autoindustrie muss derzeit nicht mit deutlich höheren Rohstoffkosten rechnen. Die Preise für Stahl und Lithium sind niedrig und dürften auch längerfristig niedrig bleiben. Allerdings dürfte der Kupferpreis zulegen.

Rohstoffkosten der Autoindustrie dürften kaum steigen

Rohstoffkosten der Autoindustrie dürften kaum steigen

Preise von Stahl und Lithium stark gesunken – Aber deutlicher Schub bei Kupfer zu erwarten

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Wie das am Montag von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck abgehaltene Gipfeltreffen mit den Spitzen der Autoindustrie, der Gewerkschaft IG Metall und anderen Beteiligten noch einmal eindrucksvoll unterstreicht, befindet sich die deutsche Automobilindustrie in einer tiefen Krise. Dazu tragen Faktoren wie hohe Energiekosten, Rezession und eine schwache Nachfrage nicht nur nach Elektroautos bei. Stets ein wichtiger Faktor für Automobilhersteller sind aber auch die Rohstoffkosten jenseits der Aufwendungen für Energie. So können beispielsweise die Kosten für Stahl bei einem Automobil mehrere tausend Euro ausmachen. Ähnliches gilt im Bereich der Elektromobilität für das Leichtmetall Aluminium und für die Rohstoffe, die für Batterien verwendet werden.

Aktuell lässt sich sagen, dass die Krise in der Automobilindustrie nicht durch hohe Stahlkosten verursacht worden ist. Ganz im Gegenteil: Die Notierungen für Eisenerz und für verschiedene Stahlsorten befinden sich auf einem sehr niedrigen Niveau. Vielmehr kann argumentiert werden, dass die niedrige Autonachfrage zum starken Preisverfall bei Erz und Eisen beigetragen hat. Die gesunkenen Preise für Stahl gewähren den Autoherstellern sogar eine gewisse Entlastung, was noch einmal unterstreicht, wie akut die Probleme der Autobranche in anderen Bereichen sind.

Aktuell ist beispielsweise die Notierung für den – allerdings in der Bauindustrie verwendeten – Rebar-Stahl in Shanghai von rund 4.000 Yuan je Tonne zur Jahreswende auf etwa 3.000 Yuan eingebrochen. Im Herbst 2021 hatte die Sorte noch zu mehr als 5.900 Yuan notiert. Dazu trägt entscheidend bei, dass sich die chinesische Bauindustrie als einer der wichtigsten Abnehmer von Stahl nach wie vor in einer tiefen Krise befindet. Im August lag die Nachfrage dieses Sektors nach Stahl noch einmal um 22,1% unter derjenigen vom gleichen Monat des Vorjahres.

Die jüngsten Konjunkturdaten aus China stimmen nicht optimistisch. So ist der chinesische Einkaufsmanagerindex für die verarbeitende Industrie im August mit 49,1 Punkten hereingekommen, wobei Werte unterhalb von 50 Rezession in den betrachteten Sektoren anzeigen. Im Vormonat hatte der Index noch immerhin bei 49,4 gestanden. Der Einkaufsmanagerindex für die chinesische Stahlindustrie für den August steht sogar nur bei 40,4 Punkten, ein ausgeprägter Rückgang von 2,1 Punkten gegenüber dem Stand vom Vormonat.

Besser sieht es auch nicht in anderen Weltregionen aus. So hat beispielsweise der große amerikanische Stahlkonzern Nucor kürzlich für das noch laufende dritte Quartal eine Gewinnwarnung abgegeben. Erwartet wird nun ein Ergebnis je Aktie von 1,30 bis 1,40 Dollar, was noch mal deutlich unter den schon nicht besonders optimistischen Analystenschätzungen mit einem Konsens bei 1,81 Dollar liegt. Auch andere amerikanische Stahlhersteller wie Peer Steel Dynamics hatten bereits Gewinnwarnungen abgegeben. Dies liegt vor allem daran, dass sich die verarbeitende Industrie in den USA schon deutlich in der Rezession befindet.

Düsterer Ausblick

Die schwache Stahlnachfrage schlägt auch auf den Markt für Eisenerz durch. So merken die Analysten von Goldman Sachs an, dass der fundamentale Ausblick für den Eisenerzmarkt düster bleibe. In China ist die Notierung für Erz mit 62% Eisengehalt inzwischen auf nur noch wenig über 91 Yuan je Tonne gesunken. Dies ist der niedrigste Stand seit November 2022. Zu Jahresbeginn hatte die Tonne Erz noch 140 Yuan gekostet. Zwar könnte es in den nächsten Wochen zu einer gewissen Rally kommen, weil vor allem spekulative Marktteilnehmer ihre Short-Positionen abdecken müssen. Strukturell sei die Lage auf dem Markt aber weiter schwierig. „Bei Eisenerz handelt es sich im laufenden Jahr um den Rohstoff mit der schwächsten Preisentwicklung“, kommentiert Ewa Manthey, Rohstoffanalystin bei der ING. „Wir sind davon überzeugt, dass die Risiken für die Preisentwicklung des Rohstoffs zunehmen angesichts des sich weiter verschlechternden Ausblicks für China“, erwartet sie. Dabei spielt eine Rolle, dass trotz einer schwache Nachfrage das Angebot zugenommen hat. So ist laut ING die Eisenerzproduktion der vier großen Produzenten Vale, Rio Tinto, BHP und Fortescue in der ersten Jahreshälfte gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 1,4% auf 259 Mill. Tonnen gestiegen. Gleichzeitig, so merken die Analysten an, sind die Lagerbestände an Eisenerz in den chinesischen Häfen auf über 150 Mill. Tonnen gestiegen, was das höchste bislang beobachtete Niveau für diese Jahreszeit darstelle. Das dürfte insbesondere vielen chinesischen Stahlkonzernen die Profitabilität kosten, verspricht aber für die Autoindustrie eine anhaltende Entlastung zumindest hinsichtlich der Kosten des nach wie vor bedeutenden Rohstoffs Stahl.

Während Stahl vor allem bei konventionellen Automobilen mit Verbrennungsmotor vorherrschend ist, hat für den Bau von Elektroautos Aluminium eine größere Bedeutung. Hier hat es im laufenden Jahr im Vergleich zum Stand per Jahresanfang keine nennenswerte Entlastung gegeben mit einem Preisrückgang von rund 2% – aber es gab eben auch keine zusätzliche Belastung für die Automobilindustrie. Viele Analysten gehen allerdings davon aus, dass das Angebot bei dem Leichtmetall aktuell weltweit relativ knapp ist. So rechnet der Marktbeobachter BMI mit einem globalen Überangebot von 97.000 Tonnen. Je Tonne wird Aluminium derzeit in London zu rund 2.500 Dollar je Tonne gehandelt. Gegenüber dem Tief vom Juli von rund 2.250 Dollar stellt dies eine deutliche Erholung dar. Ein möglicher weiterer Anstieg des Aluminiumpreises dürfte allerdings durch die schwachen Konjunkturaussichten für praktisch sämtliche bedeutenden Wirtschaftsräume der Welt gedeckelt werden.

Stärkere Nachfrage

Elektroautomobile zeichnen sich auch durch einen deutlich höheren Einsatz von Kupfer aus. Kupfer notiert derzeit mit rund 9.400 Dollar je Tonne deutlich über dem Niveau vom Jahresanfang von rund 8.500 Dollar. Allerdings hat die Notierung auch wieder deutlich Abstand genommen von dem im Mai erreichten Allzeithoch von fast 11.000 Dollar. Autokonzerne dürfen sich aber auf höhere Kosten für Kupfer einstellen. Die Rohstoffanalysten der Bank of America rechnen für das kommende Jahr mit einem Kupferpreis oberhalb von 10.000 Dollar je Tonne. Sie verweisen auf eine stärkere Nachfrage trotz der Flaute der Elektromobilität bei einem begrenzten Angebotswachstum. Sie weisen darauf hin, dass auch für den Ausbau der Stromübertragungsnetze mehr Kupfer benötigt wird. Die Dekarbonisierung erfordere höhere Übertragungskapazitäten. Das Management von BHP, dem weltgrößten Minenkonzern, hat aber jetzt noch auf einen weiteren bedeutenden Faktor für eine höhere Nachfrage nach Kupfer aufmerksam gemacht. So erfordere der Siegeszug der künstlichen Intelligenz erheblich größere weltweite Rechenkapazitäten, was die Produktion und die Verteilung größerer Strommengen nötig mache. Rechenzentren stünden derzeit für rund 1% der Kupfernachfrage, sagte Vandita Pant, Chief Financial Officer von BHP, der Financial Times. Bis 2050 könnten dies schon 6 bis 7% sein. Die Automobilindustrie kann sich also in den kommenden Jahren auf einen härteren Nachfragerwettbewerb und damit auf tendenziell weiter steigende Kosten einstellen.

Während Kupfer also ein unverzichtbares Metall für die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft ist, stellt sich die Kupferproduktion als besonders die Umwelt belastend dar. Dies könnte, ähnlich wie bei fossilen Energieträgern, für eine Verknappung der Investitionen in die Kupferförderung und -verarbeitung und damit eine Begrenzung der Angebotsmenge sorgen. Bemühungen um eine „grüne Kupferproduktion“ haben bisher zu keinen greifbaren Ergebnissen geführt.

Demgegenüber ist bei Lithium, dem wohl wichtigsten Batteriemetall, zumindest bis voraussichtlich 2027 Entspannung an der Preisfront angesagt. Der Preis für Lithium war 2021 und 2022 extrem gestiegen, seither hat es allerdings einen sehr starken Preisverfall gegeben, der zu einem Rückgang gegenüber dem höchsten Stand von rund 90% geführt hat. Insbesondere der zunächst starke Anstieg der Elektromobilität hatte den Preis für Lithium angetrieben. Dann hat allerdings die nachlassende Nachfrage nach Elektroautos insbesondere außerhalb Chinas für eine Ernüchterung der Marktteilnehmer gesorgt. Hinzu kam, dass das Angebot an Lithium deutlich stärker gestiegen ist als die Nachfrage. Hier steht eine Bereinigung an, allerdings wollen noch viele Länder weltweit, die über Lithium-Vorkommen verfügen, an dem (vermeintlichen) Boom teilhaben und streben die Ausbeutung der Ressourcen an.

Allerdings gibt es jetzt das erste Anzeichen einer Bereinigung auf der Anbieterseite. So kursierten zuletzt bisher unbestätigte Berichte, dass der chinesische Batteriegigant Contemporary Amperex Technology (CATL) eine Mine schließe. Dies würde gemäß den Analysten der UBS das weltweite Angebot um immerhin 5% verkleinern. Allerdings könnten Hoffnungen von Produzenten auf eine Preiserholung verfrüht sein, denn nach Angaben der Rohstoffanalysten von J.P. Morgan befinden sich die chinesischen Lagerbestände an Lithiumcarbonat mit 130.000 Tonnen auf einem Allzeithoch. Und die Rohstoffexperten von Goldman Sachs gehen davon aus, dass im kommenden Jahr das Angebot die Nachfrage um sage und schreibe 57% übertrifft.

Zuversichtlicher für die Perspektiven der Produzenten sind allerdings die Rohstoffexperten der Citigroup. Sie rechnen mit einer Erholung der Lithiumpreise um bis zu 25% in den kommenden zwei bis drei Monaten. Sie begründen dies vor allem mit der Minenschließung durch CATL. Zudem rechnen sie mit Eindeckungen durch spekulative Investoren, die sich stark short positioniert hatten. Sollte dies eintreten, wären das schlechte Nachrichten für die Autoindustrie als einem der wichtigsten Kunden von Batterien.

Was die längerfristigen Aussichten für den Lithiummarkt betrifft, so herrscht derzeit Unsicherheit. Die meisten Analysten sind der Ansicht, dass das Überangebot 2027 abgebaut sein könnte, so dass dann die Preise wieder steigen. Aber auch hier gibt es möglicherweise Revisionsbedarf. Die Analysten der UBS haben kürzlich ihre Erwartungen für die weltweite Lithiumnachfrage bis ins Jahr 2030 um rund 10% reduziert. Die Krise in der Automobilindustrie dürfte zu der Reduzierung der Prognosen beitragen.

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