Berlin

Rückenwind für die kapital­gedeckte Rente

Ein wissenschaftliches Gutachten gibt den Gesprächen in der Bundesregierung Rückenwind für eine kapitalgedeckte Rente.

Rückenwind für die kapital­gedeckte Rente

Akute Sorgen mit der Energie, der Außen- und Sicherheitspolitik nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und die nahende Herbstwelle in der Corona-Pandemie könnten den Blick auf andere wesentliche Fragen unserer Gesellschaft verstellen: eine Rentenreform, die das Auskommen der Alten sichert und die jungen Beschäftigten sowie die Wirtschaft nicht überfordert. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzminister hat jetzt ein Gutachten zur „Kapitalgedeckten Rente“ vorgelegt. Das Thema liegt auch politisch auf dem Tisch, denn das Versprechen der Ampel zur Rente steht finanziell auf tönernen Füßen: Ein Rentenniveau mindestens von 48% und ein Beitragssatz von höchstens 20% sind mit der deutschen Alterspyramide perspektivisch nicht bezahlbar.

Das Gutachten trägt im Titel die Frage: „Ein neuer Anlauf?“. Das Fragezeichen lässt sich streichen. Die Gespräche in der Bundesregierung laufen bereits. Das Gutachten gibt dafür den erhofften Rückenwind. Das unabhängige Gremium, das seine Themen selbst wählt, hat über Monate gründlich gearbeitet. Die Wissenschaftler plädieren klar für eine kapitalgedeckte Komponente in der staatlich organisierten Altersvorsorge. Und sie dringen auf ein Obligatorium. Nur mit einem Pflichtbeitrag kann der Staat dem Samariterdilemma entrinnen, nämlich am Ende die armen Rentner zu unterstützen, die lieber gut gelebt haben, als vorzusorgen. Auch wenn die Finanzbranche frohlocken sollte, weil sie auf neues Geschäft hofft: Offen bleibt, wie und wo die obligatorische Kapitaldeckung genau angesiedelt sein soll – in der staatlichen oder der privaten Säule der Vorsorge. Dafür wird vieles grundsätzlich beleuchtet: die Beitragsgarantie, die etwa auf der Riester-Rente lastet, oder die Governance für einen Staatsfonds.

*

Es gibt durchaus gute Chancen, dass die Ampel-Koalition eine Altersvorsorgereform zustande bringt. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, der Deutschen Rentenversicherung 2022 aus Haushaltsmitteln 10 Mrd. Euro Kapitalstock zuzuführen, die am Markt angelegt werden können. Vorgesorgt hat Finanzminister Christian Lindner dafür im Bundeshaushalt zwar noch nicht, aber es dürfte auch 2023 werden, bis solch ein komplexes Projekt fliegt. Die SPD in Person des Rentenministers Hubertus Heil liebt zwar den Kapitalmarkt nicht so sehr, findet aber wohl aus anderem Grund Gefallen an dem Projekt. Mit Hilfe des Kapitalstocks ließen sich auch die Garantien bezüglich Mindestrentenniveau und Beitragsgrenze verwirklichen. Die Reform der Riester-Rente könnte nur ein kleiner Aspekt in dem Rentenpaket sein. Wirklich helfen kann die Kapitaldeckung nur, wenn der Kapitalstock wächst und der Zufluss verstetigt wird. Die Wissenschaftler haben einen wenig diskutierten Weg einer Anschubfinanzierung über öffentliche Kredite aufgezeigt, die mit der Schuldenbremse und den EU-Fiskalregeln konform wäre. Nicht zuletzt könnte der Bund Beteiligungen für den Kapitalstock versilbern. Dann blieben die Fiskalregeln bestimmt gewahrt.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.