KommentarSchwierige Personalsuche

Thyssen-Aufsichtsratschef Russwurm steckt im Dilemma

Thyssen-Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm läuft das Top-Personal davon: Nach nur sechs Monaten im Amt zieht es Finanzvorstand Jens Schulte zur Deutschen Börse.

Thyssen-Aufsichtsratschef Russwurm steckt im Dilemma

THYSSENKRUPP

Russwurm steckt im Dilemma

Von Annette Becker

Thyssen-Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm muss auf die Schnelle einen neuen Finanzvorstand finden – keine leichte Aufgabe.

Das war ein kurzes Gastspiel: Nach nur sechs Monaten im Amt als Finanzvorstand von Thyssenkrupp zieht es Jens Schulte zurück ins Rhein-Main-Gebiet, besser gesagt zur Deutschen Börse. Wann es so weit ist, steht noch dahin. Am Donnerstag hatten sich die Gremien des Essener Traditionskonzerns noch nicht mit der Demission ihrer neuen Allzweckwaffe befasst.

Die Überraschung ist Schulte zweifelsohne gelungen. Glücklich kann darüber niemand sein. In seiner nur kurzen Zeit bei Thyssenkrupp hat es der 53-Jährige geschafft, sich bei allen Stakeholder-Gruppen Ansehen zu erarbeiten. Ganz anders als Konzernchef Miguel López, der es sich schon nach wenigen Monaten im Amt mit IG Metall und Belegschaft gründlich verscherzt hatte. Dabei dürfte das Eckpunktepapier zur Sanierung der Stahlsparte, das kürzlich das Licht der Öffentlichkeit erblickte, vor allem Schultes Handschrift tragen. Persönlichen Angriffen und Anfeindungen sah er sich dadurch nicht ausgesetzt.

Kongenial ergänzt

Schultes Abgang wiegt vor allem für Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm schwer. Dieser hatte seinen einstigen Siemens-Kollegen ja ganz bewusst zu Thyssenkrupp gelotst, wissend, dass sich der sachlich-nüchtern auftretende Finanzer kongenial ergänzt mit dem robust-pragmatisch daherkommenden Konzernchef. Trotz des Überraschungscoups schwärmt Russwurm in wärmsten Tönen von Schulte und signalisiert Verständnis für dessen Wunsch, zu einem Wert aus der obersten Börsenliga weiterzuziehen. Doch das Narrativ verfängt nur begrenzt.

Ihn reize die komplexeste Transformationsgeschichte, welche die deutsche Industrie derzeit zu bieten habe, hatte Schulte im Sommer noch verkündet. Womöglich hat er mittlerweile realisiert, wie dick die Bretter sind, die es zu bohren gilt, und dass ihm dazu das geeignete Werkzeug fehlt. Befremdlich wirkt auch, dass sich Schulte vor nicht einmal zwei Wochen breitschlagen ließ, zusätzlich zu seinen Aufgaben als Finanzvorstand samt Verantwortung für das Performance-Programm Apex interimistisch auch den Personalvorstand zu geben. Zu dieser Zeit dürfte sich sein Wechsel schon abgezeichnet haben.

Die Zeit läuft davon

Russwurm muss nun schnellstens neue Köpfe für die vakanten Vorstandspositionen finden. Doch die Schlange der Bewerber dürfte nicht allzu lang sein, weiß doch jeder gestandene Manager um das Himmelfahrtskommando, auf das es sich bei Thyssenkrupp einzulassen gilt. Dem Aufsichtsratschef läuft die Zeit davon, dabei verträgt die anstehende Sanierung keinen Aufschub.