LeitartikelChina-Konjunktur

Schöne Wachstumsoptik mit wenig dahinter

Der IWF passt seine Wachstumsprognose für China nach oben an. Die Beweggründe haben jedoch wenig mit gestärktem Konjunkturoptimismus zu tun.

Schöne Wachstumsoptik mit wenig dahinter

Chinas Wachstum

Schöne Optik mit wenig dahinter

Der IWF hebt die BIP-Prognose für China an. Das hat wenig mit
gestärktem Konjunkturvertrauen zu tun.

Von Norbert Hellmann

Beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigt man sich etwas optimistischer zu Chinas diesjähriger Wachstumsperformance. Der weltweit zweitgrößten Wirtschaft wird eine Expansion von 5% zugetraut. Dies löst den seit Herbst geltenden Prognosewert von 4,6% ab, über den man sich in Peking stets echauffiert hatte. Nun aber traut der IWF der chinesischen Regierung zu, das hochheilige offizielle Wachstumsziel von 5% just zu erfüllen. Kann man dies als Vertrauensbeweis für die wirtschaftsplanerischen Lenkungskünste werten? Mitnichten.

Nüchterne Erklärung

Die offizielle Darstellung eines soliden und nachhaltigen Erholungskurses, der nun in Gang gesetzt worden ist, überzeugt nicht. Vielmehr befindet man sich auf einem holperigen Pfad, mit ungleichgewichtiger Zugkraft von Produktion und Konsum und jeder Menge nicht ausgeräumter Hindernisse. Beim IWF, der sein Upgrade mit dem Abschluss des jährlichen Länderberichts nach Artikel IV koordiniert hat, findet sich eine sehr nüchterne Erklärung für die erhöhte Wachstumsprognose. Sie beruht in erster Linie darauf, dass Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal mit 5,3% statt der erwarteten 4,7% vorankam. Das wirkt sich rechnerisch selbstverständlich auf den Prognosewert für das Gesamtjahr aus.

Hauptsache Zielerfüllung

Es herrschen nun bessere Voraussetzungen, das Wachstumsziel hinzubekommen, was für Peking die absolute Priorität darstellt. Die Art und Weise der Wachstumsanregung stimmt allerdings bedenklich. Dahinter steht ein dirigistischer Kraftakt mit dem gewaltigen Forcieren von öffentlichen Infrastrukturinvestitionen und staatlich gefördertem industriellen Kapazitätsaufbau. Damit gelang es, den Niedergang der privaten Sachinvestitionen im Immobiliensektor zu kompensieren. Man kann dies zwar als Erfolg feiern, schafft damit aber keine besseren Voraussetzungen für einen fortschreitenden Erholungskurs. Die vom kriselnden Immobilienmarkt, prononcierter Nachfrageschwäche und latentem Deflationsdruck ausgehenden Risiken drohen die Konjunktur wieder auf abschüssiges Terrain zu bringen.

Dubioser Stützungsplan

Peking hat nun eine Stützungsoffensive für den Immobilienmarkt verkündet und bezeichnet sie als historischen Schritt. Erstmals will sich der Staat mit dem Erwerb von bislang unverkauften Wohnungen durch Lokalregierungen und Staatsunternehmen dafür verbürgen, den gewaltigen Inventarüberhang im Wohnimmobilienmarkt abzubauen. Gleichzeitig will man durch den Wegfall von Kaufrestriktionen und extrem gelockerte Finanzierungsbedingungen den Spekulationstrieb wieder anregen. Das heißt aber auch, Wohnungsnachfrage mit Methoden anzukurbeln, denen man eigentlich abgeschworen hat, um die unweigerliche Nebenwirkung spekulativer Preisblasen in den führenden Großstädten zu verhindern.

Zentralregierung muss ran

Das Kaufprogramm auf Lokalregierungsebene ist „nice to have“, bringt aber noch lange nicht die gewünschte Wende. Das macht auch der IWF bei seinem Verweis auf anhaltende Konjunkturrisiken ziemlich deutlich. Für einen tatsächlich historischen Schritt braucht es einen wesentlich kräftigeren fiskalischen Einsatz der Zentralregierung: Eine Option sind großzügige Finanzierungsprogramme, um von den Bauträgern vorverkaufte, aber auf unbestimmte Zeit verzögerte Wohnanlagen fertigzustellen. Die andere wären nicht minder großzügige Entschädigungsprogramme für geprellte Wohnungskäufer, die Hypothekenkredite für Objekte abzahlen müssen, die sie nicht beziehen können.

Industrie hat Vorrang

Peking scheut aber weiterhin offenkundige fiskal- und solche sozialpolitischen Einsätze am Immobilienmarkt, dessen Krise bereits ins dritte Jahr geht. Auch andere nachfragestärkende Maßnahmen durch die Aufrüstung sozialer Sicherheitsnetze, wie sie vom IWF angeregt werden, bleiben verpönt. Dies vor allem, weil sich der hohe fiskalische Aufwand nicht unmittelbar auf das Wachstum auswirkt. Dann lieber staatlich dirigierte Industriepolitik, die rasch auf Produktion und Anlageinvestitionen und damit auch die BIP-Optik durchschlägt. China mag bei der aktuellen Wachstumsperformance auf Kurs sein, schafft aber die aktuellen Probleme damit nicht aus der Welt.

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