Schuld der Bremser
Schuld
der Bremser
Von Heidi Rohde
In der vielbeschworenen Zeitenwende wollen manche die Zeichen der Zeit trotzdem nicht erkennen. Eine milliardenschwere Aufrüstung mittels staatlich finanzierter Schulden wird von fast allen Seiten als willkommenes Konjunkturprogramm gebilligt, sodass man sich schon fast wundern muss, dass niemand das Gefühl beschleicht, das schon mal gehört zu haben. Aber auch wenn die Notwendigkeit einer erhöhten Verteidigungsbereitschaft in Europa Konsens ist, muss trotzdem klar sein, dass ein solcher Sonderfonds wirtschaftlich über die Beglückung der Rüstungsbranche nicht hinausgeht. Dies zumal bisher gar nicht festgelegt ist, ob die Ausgaben nur deutschen und europäischen Unternehmen zugutekommen sollen.
Bei Infrastruktur bleibt mehr hängen
Dagegen findet ein ähnlich großer Topf für Infrastruktur keinen ungeteilten Beifall. Ausgerechnet die mittelständisch geprägten Familienunternehmen treten hier aufs Bremspedal und fordern eine Finanzierung aus dem laufenden Haushalt oder gar aus privaten Mitteln. Dabei eint eigentlich beide Sonderfonds schon mal die eine Legitimation: Die Investitionen wurden über Jahre verschleppt und sind entsprechend groß und dringlich. Vor allem Mittelständlern, die in größerem Maße als etwa die Dax-Konzerne vom Heimatmarkt abhängig sind, sollte an besseren heimischen Bedingungen gelegen sein.
Überall Nachholbedarf
Darüber hinaus haben Investitionen in Infrastruktur den Vorteil, dass sie nicht nur denen finanziell zugutekommen, die sie bauen. Es entstehen wachstumsfördernde Impulse. Dass allein privates Kapital reicht, bleibt angesichts der großen Lücke ein frommer Wunsch. Das zeigt sich querbeet: bei den Verkehrswegen, den Stromnetzen, der Gigabitinfrastruktur. So sind die öffentlichen Investitionen in den Straßenbau seit Jahrzehnten zu gering, als dass sie den notwendigen Modernitätsgrad der Infrastruktur gewährleisten könnten – wie der Sachverständigenrat bemängelt. Zugleich hat sich der Aufbau eines privatwirtschaftlichen Mautsystems als zeitaufwendig und letztlich politisch undurchführbar erwiesen. Die ökonomischen Risiken für den Bau eines gigantischen Stromnetzes, das die Produktion aus erneuerbaren Energien über das Land verteilt, übersteigen die Finanzkraft der vier großen Übertragungsnetzbetreiber angesichts der benötigten zweistelligen Milliardenbeträge. Und der von Privatinvestoren angestrengte Glasfaserausbau wird von einer Pleitewelle begleitet. Wo, wenn nicht bei zukunftsorientierten Investitionen soll der Staat die Schuldenbremse lösen? Dass diese Einsicht über Jahre fehlte, bleibt die Schuld der Bremser.