KommentarGroßbritannien vor der Wahl

Bank of England zwischen Baum und Borke

Der britischen Notenbank wäre vor den Wahlen ein Non-Event lieber gewesen. Doch vor dem Zinsentscheid wurde das Inflationsziel erreicht.

Bank of England zwischen Baum und Borke

Bank of England

Zwischen Baum und Borke

Von Andreas Hippin

Der Notenbank wäre vor den Wahlen ein Non-Event lieber gewesen. Doch vor dem Zinsentscheid wurde das Inflationsziel erreicht.

Die britische Teuerungsrate hat im Mai das Inflationsziel der Bank of England erreicht. Nach der Pandemie wurden vorübergehend zweistellige Werte erreicht. Nun ist der Preisauftrieb auf 2% zurückgegangen. Sollte das nicht ein Grund zum Feiern sein und ein Grund für die Geldpolitiker, den Leitzins zu senken? Seitdem Premierminister Rishi Sunak im Mai Unterhauswahlen für den 4. Juli ansetzte, ist es für die britischen Notenbanker wichtiger, nicht als Wahlhelfer der Regierung gesehen zu werden.

Natürlich beteuert das geldpolitische Komitee der Zentralbank, seine Entscheidung, den Leitzins unverändert zu belassen, habe rein gar nichts mit den Parlamentswahlen zu tun. Es gehe ihm ausschließlich um die Frage, wie das Inflationsziel mittelfristig nachhaltig erreicht werden könne. Die Bank of England befand sich zwischen Baum und Borke. Die Regierung drang auf eine schnelle Zinssenkung. Doch kann man sich die Empörung der Opposition vorstellen, wenn es dazu gekommen wäre.

Spürbare Auswirkungen

Für viele Wähler wären die Auswirkungen unmittelbar spürbar gewesen. Sie hätten weniger für Kredite bezahlen müssen, wenn sie in ihren Betrieb investieren wollen. Ihre Monatsraten wären niedriger ausgefallen als befürchtet, wenn sie eine Hypothek aus der Niedrigzinsphase während der Pandemie refinanzieren müssen.

Das Erreichen des Inflationsziels kam für die Notenbanker denkbar ungelegen. Sie hätten aus der letzten Sitzung des geldpolitischen Komitees vor dem Wahltermin lieber ein Non-Event gemacht.

Vorwand Dienstleistungsinflation

Nun muss die weiterhin hohe Dienstleistungsinflation als Begründung dafür herhalten, den Leitzins ein siebtes Mal in Folge unverändert zu lassen. Das ist gleich in mehrerlei Hinsicht fragwürdig, denn man darf zum einen davon ausgehen, dass sich die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns um ein Zehntel, die sich hier niederschlägt, so schnell nicht wiederholen wird.

Zum anderen entspannt sich die Lage am Arbeitsmarkt. Es wird weniger gestreikt, was auf eine moderatere Lohnentwicklung in den kommenden Monaten hindeutet. Die wirtschaftliche Inaktivität nimmt weiter zu. Das Wachstum, das im Auftaktquartal positiv überrascht hatte, kühlt sich wieder ab. Vieles spricht dafür, dass sich die in den vorangegangenen Quartalen beobachtete wirtschaftliche Stagnation fortsetzen wird.

Es wäre deshalb keine Überraschung, wenn die Bank of England im August den Leitzins um 25 Basispunkte senken würde. Besser wäre gewesen, sich schon auf dieser Sitzung ein Herz zu fassen.

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