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Smithfield Market: Wenn die Knochensäge verstummt

Der Smithfield Market wird zum Museum. London wird durch die Schließung des Fleischgroßmarkts steriler. Hier arbeiten noch Menschen ohne Hochschulabschluss in der City.

Smithfield Market: Wenn die Knochensäge verstummt

Notiert in London

Wenn die Knochensäge verstummt

Von Andreas Hippin

London ist um eine weitere Attraktion ärmer: Der Smithfield Market schließt nach mehr als 800 Jahren. In der „Kulturmeile“, die zwischen Farringdon und Moorgate entstehen soll, ist kein Platz für einen Fleischgroßmarkt. Charles Dickens beschrieb die Atmosphäre des Markts einst in „Oliver Twist“. Davon wird sich nichts mehr wiederfinden.

Der Geruch von Eingeweiden und das Geräusch der Knochensäge passen nicht zum Soja-Flat-White der Literati. Sie wollen auf dem Weg zum Kulturgenuss auch nicht Blutlachen ausweichen müssen. Die Besucher der Nightclubs wie Fabric rund um die Markthallen hat das nicht gestört. Es machte die Location für sie, wie im New Yorker Meatpacking District, eher noch ein wenig aufregender.

Schlachthaus und Hinrichtungsort

In Smithfield schlachtete man einst nicht nur Tiere. Hier wurde der schottische Unabhängigkeitsheld William Wallace gehängt, ausgeweidet und gevierteilt. Heute erinnert eine Gedenktafel an ihn. Wat Tyler, der Führer des Bauernaufstands von 1381, wurde hier geköpft. Henry VIII. ließ hier die protestantische Predigerin Anne Askew verbrennen.

Geht es nach dem Willen der City of London Corporation, werden 2028 zum letzten Mal Rinderhälften kurz vor Mitternacht angeliefert, um in den überdachten viktorianischen Markthallen fachgerecht zerlegt zu werden. Entworfen hat sie Horace Jones, dem die britische Metropole auch die Tower Bridge verdankt. Sie stammen aus dem Jahr 1868.

Denkmalschutz verhindert städtebaulichen Vandalismus

Nun wird alles ein bisschen steriler. Bald werden noch weniger Nichtakademiker in der City arbeiten. Immerhin, ein Akt des städtebaulichen Vandalismus wie in Paris bleibt der britischen Metropole erspart. Denn die Hallen stehen unter Denkmalschutz. Das London Museum will einen Teil davon nutzen. Wer in Paris an der U-Bahnstation Châtelet–Les Halles aussteigt, bekommt einen Eindruck davon, was schiefgehen kann, wenn man unbedingt modern sein will.

Doch noch verlassen frühmorgens ganze Schwärme von Lieferwagen den Smithfield Market. Das Warnpiepsen der Fahrzeuge rückwärts fahrender Metzger und Restaurantbesitzer überlagert alle anderen Geräusche. Sie haben sich auf dem Markt eingedeckt und verlassen so schnell wie möglich den Einzugsbereich der „Congestion Charge“. Denn keiner will die Sondersteuer für das Fahren im Stadtzentrum freiwillig bezahlen, die werktags zwischen 7:00 Uhr und 18:00 Uhr erhoben wird.

Fleisch kauft man im Supermarkt

Allerdings war der Markt schon lange nicht mehr die Hauptanlaufstelle für Londoner, die Fleisch kaufen wollen. Das sind mittlerweile die großen Supermarktketten. Nur ein ganz kleiner Teil der Tag für Tag geschlachteten Tiere kommt noch nach Smithfield.

Billingsgate, der größte Fischmarkt im britischen Inland, verdrängte man schon 1982 nach Canary Wharf. Nun soll auch dort der Vorhang fallen. Der Standort soll für Wohnungen genutzt werden. Ursprünglich hatte die City of London Corporation geplant, den Fleisch- und den Fischmarkt nach Dagenham zu verlegen, und dafür 1 Mrd. Pfund budgetiert. Doch verabschiedete sich die Lokalverwaltung angesichts eines starken Anstiegs der Baukosten und der Inflation von dieser Idee.

Großzügige Entschädigungen

Die Händler bekommen Entschädigungen, der „Times“ zufolge geht es um bis zu 300 Mill. Pfund. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass der große Aufschrei von dieser Seite bislang ausgeblieben ist. So mancher wird den Ruhestand antreten.

Angeblich hat die City of London Corporation bereits mehr als 300 Mill. Pfund für den Umzug ausgegeben, darunter 115 Mill. Pfund für Entschädigungen an Händler, die am Geflügelmarkt tätig waren, der schon im vergangenen Jahr die Pforten schloss.

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