LeitartikelLandtagswahlen

Symbolpolitik wäre zu wenig

Der Rechtsruck in Sachsen und Thüringen bringt eine neue politische Landschaft. Die Reaktion der Parteien ist leider altbekannt und geht in die falsche Richtung. Dabei ist klar, dass ein wenig Symbolpolitik nicht genügen kann.

Symbolpolitik wäre zu wenig

Landtagswahlen

Symbolpolitik reicht nicht mehr

Von Sebastian Schmid

Der Rechtsruck in Sachsen und Thüringen bringt eine neue politische Landschaft hervor. Die Reaktion der Parteien ist leider altbekannt – und geht in die falsche Richtung.

Da knickt er weg – der letzte Strohhalm. Bis zuletzt wurde bei der Frage nach zwei drohenden Wahlsiegen der rechtspopulistischen AfD in den Bundesländern Sachsen und Thüringen von vielen Politikern der Ampel darauf verwiesen, dass es sich ja nur um Umfragen handele. Das ist seit Sonntagabend vom Tisch. Die Wählerstimmen haben die Demoskopie bestätigt. In Thüringen wird die AfD stärkste Kraft, in Sachsen war auch am Abend noch unklar, ob die Regierungspartei CDU am Ende noch leicht die Oberhand behält. Zusammen mit Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und Linke haben in beiden Bundesländern die Mehrzahl der Bürger für Protestparteien gestimmt. Und das bei einer deutlich höheren Wahlbeteiligung als noch vor fünf Jahren.

All das ist deprimierend genug, insbesondere in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten. Viele Unternehmen im Osten haben in den Wochen vor der Wahl davor gewarnt, die AfD zu wählen. Sie sind auf ausländische Fachkräfte angewiesen. Doch der Wirtschaft wurde erneut vor Augen geführt, dass ihre Stimme an der Wahlurne scheinbar keine Rolle spielt – trotz der enormen Bedeutung für den Wohlstand im Land.

Noch problematischer erscheint indes die erste Fehleranalyse nach der Wahl. In den Talkrunden des Abends wurde breit debattiert, ob es nun einen Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen braucht oder zumindest eine härtere Migrationspolitik. Klar, in der Nachwahlbefragung des ZDF spielte das Thema die größte Rolle in der Wahlentscheidung für 35% der Sachsen und 34% der Thüringer. Gleich danach kam das Thema Schule/Bildung. Im ersten Thema wird der AfD die größte Kompetenz zugebilligt, im zweiten der CDU (gefolgt von der AfD). Den Parteien der Ampelkoalition wird hier praktisch nichts zugetraut.

Das größte Problem ist dabei indes, dass den Parteien das Grundproblem nicht bewusst zu sein scheint. Zuwanderung gibt es in Deutschland schon lange. Doch wie diese im vergangenen Jahrzehnt gemanagt wurde, scheint den Menschen nachhaltig gegen den Strich zu gehen. Die Zahl der Flüchtlinge ist dabei nur Teil des Problems. Viel problematischer ist die Unfähigkeit, eine Lösung für diejenigen zu finden, die bereits hier sind. Wie können im Krieg traumatisierte Menschen überhaupt in die Gesellschaft integriert werden? Wieso macht es die Bürokratie integrationswilligen Flüchtlingen und Unternehmen mit Bürokratie so schwer, zusammenzufinden? Stattdessen bemüht sich der Staat primär, Menschen zu alimentieren bzw. in der Alimentation zu halten. Das gilt nebenbei nicht nur für Zuwanderer, sondern auch für bereits ansässige Mitbürger im Bürgergeld.

In den Vereinigten Staaten hat der alte Traum „vom Tellerwäscher zum Millionär“ in den vergangenen Jahrzehnten stark gelitten und dem Populisten Donald Trump den politischen Aufstieg ermöglicht. Hierzulande gilt dieser ohnehin nur in geringerem Ausmaß. Doch eine Bildungspolitik, die über die Jahre immer weniger fordert und dafür immer mehr 1er-Abiturienten hervorbringt, wird daran nur wenig ändern.

Zuwanderern wird es indes noch schwerer gemacht. Die Anerkennung eines Berufsabschlusses aus dem Ausland für Nicht-EU-Ausländer, die nicht etwa aus der Schweiz oder anderen westlichen Ländern kommen, ist ein bürokratischer Albtraum, wie auch viele hierher geflüchtete Ukrainer feststellen durften. Wer als Arzt aus einem Bürgerkriegsland nach Deutschland flieht, muss zwar nicht den umgekehrten amerikanischen Traum fürchten (vom Millionär zum Tellerwäscher). Dafür ist die Absicherung zu gut. Er kann aber schon vom Urologen zum Uber-Fahrer werden.

Dabei würde gegen die AfD und den Rechtsruck kaum etwas mehr helfen als gut integrierte Zuwanderer. Mit jedem politischen Erfolg der Rechtspopulisten sinkt indes die Chance auf eine integrationsfördernde Politik. Denn die AfD wird diese nie unterstützen. Wer vom Problem lebt, hat schließlich kein Interesse an der Lösung. Was es bräuchte, wäre ein neuer Grundkonsens von Politik, Gewerkschaften und Unternehmen: Es ist wichtiger, Menschen in Arbeit zu bringen als das „Reinheitsgebot“ der deutschen Berufsausbildung hochzuhalten. Anders als die Abschiebung von 28 hochkriminellen Flüchtlingen wäre das mal mehr als ein symbolischer Akt.