Assekuranz

Talanx gibt der Erstversicherung die Sporen

Nach jahrelangen Sanierungsmaßnahmen in der Industriesparte und im deutschen Retailgeschäft gibt die Talanx ihren Erstversicherungssparten Renditeziele vor, die zur Hannover Rück heranreichen sollen.

Talanx gibt der Erstversicherung die Sporen

Von Carsten Steevens, Hamburg

Elektrisiert hat die Talanx Anleger mit ihren Ankündigungen am diesjährigen Kapitalmarkttag nicht. Die Aktie des drittgrößten deutschen Versicherungskonzerns bewegte sich am Mittwoch in einem Korridor zwischen minus 0,2% und plus 0,7% gemessen am Vortagesschlusskurs von 41,18 Euro. Dass sich der Investorentag als positiver Trigger für das Papier erweisen könnte, wie die DZ Bank zu Wochenbeginn mutmaßte, muss sich noch weisen. Die Vorzeichen sind nicht schlecht, an Kaufempfehlungen von Analysten mangelt es jedenfalls nicht. Und zumindest bis zum bisherigen Allzeithoch, das am 19. Februar 2020 kurz vor dem weltweiten Ausbruch der Corona-Pandemie bei 48,34 Euro erreicht wurde, ist es nach dem branchenüberdurchschnittlichen Kursaufschwung der Talanx-Aktie von gut 30% im bisherigen Jahresverlauf nicht mehr weit.

Mit der Steigerung an der Börse schneidet die seit kurzem wieder im MDax geführte Talanx 2021 etwas besser ab als die Hannover Rück, an der sie mit einem Anteil von 50,2% beteiligt ist. Von der Kursentwicklung des weltweit drittgrößten Rückversicherers ist die Talanx-Aktie in erheblichem Maße abhängig. Seit längerem arbeitet man in Hannover daran, dass die Erstversicherung gegenüber der Rückversicherung an Bedeutung gewinnt – auch um die Bewertungslücke zur Rückversicherung zu verringern.

Fortschritte auf diesem Weg lassen sich beobachten. So hat die Talanx etwa bei der Sanierung der lange defizitären Feuerversicherung für die Industrie sowie des deutschen Privat- und Firmenversicherungsgeschäfts, das 2015 kein Geld verdiente, gehalten, was versprochen wurde. Das schafft Vertrauen bei Anlegern, die nun davon ausgehen können, dass sich der Pfad der kontinuierlichen Dividendenerhöhung, der seit dem Börsengang im Herbst 2012 bislang nur für das Coronakrisenjahr 2020 verlassen wurde, fortsetzen wird. Für 2021 stellt die Talanx eine Ausschüttung von 1,60 Euro je Aktie in Aussicht – 10 Cent mehr als in den beiden Vorjahren. Bei einem prognostizierten Konzerngewinn am oberen Ende der Spanne von 900 bis 950 Mill. Euro läge die Dividendenquote mit knapp 43 (i.V. 56)% innerhalb des Zielkorridors von 35 bis 45%.

Die Ausschüttung für 2020 hatte der auf eine verlässliche Dividendenpolitik ausgerichtete Konzern trotz eines Gewinnrückgangs um 27% nicht reduziert – verbunden mit dem Signal, dass die Ergebnisse nach der Pandemie wieder zulegen werden. Für 2022 stellt die Talanx inzwischen eine Gewinnsteigerung auf 1,05 bis 1,15 Mrd. Euro in Aussicht. Damit würde auch ein zentrales Versprechen eingelöst, das beim Kapitalmarkttag 2018 abgegeben wurde: Mit der Ankündigung einer Steigerung des Gewinns je Aktie um durchschnittlich 5% pro Jahr stimmte der Konzern auf den ersten Milliardengewinn im kommenden Jahr ein.

Ob das Ziel erreicht wird, muss sich zeigen. In einem Jahr will die Talanx neue Mittelfristvorgaben für den Konzern festlegen. Für die drei Erstversicherungsbereiche gelten nun bereits Richtwerte für 2025, die sie bei der Eigenkapitalrendite in die Nähe der Hannover Rück bringen würden. Jeweils mehr als 10% sollen Industrieversicherung, Privat- und Firmenversicherung Deutschland und Privat- und Firmenversicherung International erreichen, die mit Edgar Puls seit 2019 sowie mit Christopher Lohmann und Wilm Langenbach seit 2020 unter neuer Führung stehen. Das wäre ein „deutlicher Schnaps obendrauf“, so Finanzchef Jan Wicke in einer Telefonkonferenz mit Verweis auf das bisherige Niveau der Erstversicherung von unter 8%.

Von 2018 bis 2020 erhöhte sich der Gewinn der Erstversicherungsgruppe von 246 auf 326 Mill. Euro, der Anteil der Erstversicherung am Konzernergebnis stieg von 31 auf 42%. Wann eine ausgeglichene Ergebnis-Balance mit der Rückversicherung erreicht sein könnte, ließ Talanx-Konzernchef Torsten Leue am Mittwoch offen. Die aktuelle Botschaft laute, dass die Erstversicherung deutlich profitabel geworden sei und noch profitabler werde.

Um das Renditeziel zu erreichen, soll die Industrieversicherung ihre Bruttoprämien von 6,7 Mrd. Euro im vorigen Jahr auf knapp 10 Mrd. Euro 2025 steigern. Das deutsche Retailgeschäft soll das Renditeziel unter anderem durch eine knappe Verdopplung des Prämienwachstums im Geschäft mit kleinen und mittleren Betrieben auf 800 Mill. Euro erreichen, das internationalen Retailgeschäft durch organisches Wachstum in den fünf Kernmärkten in Lateinamerika und Europa. Zugleich werde Ausschau nach passenden Akquisitionen und Partnerschaften vor allem im Nicht-Leben-Geschäft gehalten. Geprüft werden soll im kommenden Jahr auch, ob ein Einstieg in Südostasien sinnvoll sein könnte.

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