Telekommunikation

Telekom­firmen unter Beschuss

Die Politik muss sich entscheiden: Entweder sie überlässt das Feld den Finanzinvestoren, oder sie schafft zumindest einen regulatorischen Rahmen, um die Renditechancen der Telekomfirmen zu erhöhen. Dann steigen die Aktienkurse von allein, und die Gefahr von Übernahmeattacken sinkt

Telekom­firmen unter Beschuss

Die Planspiele der neuen Regierungskoalition, durch den Verkauf von Bundesbeteiligungen mehr Geld in die leeren Kassen zu holen, dürften bei der Deutschen Telekom derzeit sehr gemischte Gefühle auslösen. Während der Einstieg strategischer Investoren der Führungsetage prinzipiell willkommen ist, um ein unternehmerisches Gegengewicht zu den oft wenig betriebswirtschaftlich orientierten Wünschen des staatlichen Großaktionärs zu bilden, dürfte die Vorstellung eines Komplettausstiegs von Bund und KfW die Alarmglocken schrillen lassen. Denn auch die Telekom, die ihr Beteiligungsportfolio in den vergangenen Jahren gezielt aufgeräumt und ihre Investitionskraft fokussiert hat, könnte in diesem Fall vor unerwünschten Avancen nicht sicher sein. Die Börse hat selbst den gelungenen Mega-Coup in den USA, wo der Telekom fast die Hälfte des zweitgrößten Mobilfunknetzbetreibers des Landes gehört, der es auf eine Marktkapitalisierung von 144 Mrd. Dollar bringt, nicht sonderlich honoriert. Zwar ist der Bonner Konzern derzeit der relativ wertvollste der Branche in Europa. Aber er ist dabei mit einem operativen Ertrags-Multiple von knapp 5,7 auch nur der einäugige König unter den Blinden – im Vergleich zur unterirdisch anmutenden Lage der Konkurrenz. Telefónica, Telecom Italia und BT Group pendeln grob zwischen einem Faktor unter 3 und knapp über 4, abgesehen von KPN, deren Kurs bereits durch Übernahmespekulationen inflationiert ist.

Europaweit rollt die Attacke. Unter Beschuss stehen derzeit die schwächsten Glieder der Kette – Telecom Italia, bei der KKR eine 11 Mrd. Euro schwere Offerte für das gesamte Unternehmen vorgelegt hat, sowie BT Group, die im Visier des neuen Großaktionärs Patrick Drahi steht. Die Auswahl kommt wenig überraschend, denn beide Konzerne haben deutlichen Nachholbedarf beim Ausbau von zukunftsfester Glasfaser-Infrastruktur und deshalb unter anderem sogar sinkende operative Ergebnisse in Aussicht gestellt; denn der Investitionsbedarf ist gigantisch. Mit Telefónica und KPN haben sie gemeinsam, dass das Kapital relativ breit gestreut bzw. komplett in privater Hand ist. Weckrufe, wie der jüngste von Vodafone-Chef Nick Read, die eine Konsolidierung der Branche in Europa anmahnen, kommen augenscheinlich zu spät. Und sie verhallen ungehört. Unternehmen und Staaten nehmen ihre Zuflucht zu Giftpillen politischer Art, indem von einem direkten staatlichen Vetorecht oder wahlweise der sogenannten goldenen Aktie Gebrauch gemacht wird. Die Barrieren sind motiviert durch die Sorge, dass kritische Infrastrukturen zum Spielball unternehmerischer Interessen oder sogar als fragwürdig geltender internationaler Investoren werden könnten.

Indes ist es mit Schutzzäunen allein nicht getan. Die gigantische Investitionslücke, die sich in der europäischen Telekommunikationsbranche aufgebaut hat, lässt sich dadurch nicht schließen. Beim Ausbau von Glasfaser hat sich bereits gezeigt, dass ein nennenswerter Fortschritt ohne Privatkapital kaum zu erzielen ist. Und dieses ist in Hülle und Fülle vorhanden. Große Infrastrukturfonds setzen seit geraumer Zeit reihenweise Glasfaser-Vehikel auf, teils auch in Kooperation mit den Platzhirschen wie Telekom oder Telefónica. Dass diese ihre Netze für Investoren damit immer weiter öffnen, erscheint unvermeidbar. Es ist offenbar der einzige Weg für die Unternehmen, ihre Kapitalkosten einzudämmen und die Rendite auf das eingesetzte Kapital zu erhöhen.

Im Mobilfunk ist eine solche in nennenswerter Größenordnung überhaupt nicht erkennbar. Für die Vielzahl der Netze in Europa lassen sich die Investitionen nicht zurückverdienen. Denn im Mobilfunk mehr noch als im Festnetz kämpfen die Unternehmen mit anhaltendem Preisdruck, der durch den harten Wettbewerb mehrerer Anbieter selbst in kleineren Ländern angeheizt wird. Eine durchgreifende Konsolidierung wird von den Kartellbehörden blockiert – aus Sorge um die Verbraucherpreise. Die anstehenden Investitionen in die 5G-Technik werden die Lage verschärfen – zumal anstelle von Zusammenschlüssen vielmehr der Eintritt neuer Markteilnehmer bevorsteht, wie dies in Deutschland durch den 5G-Newcomer United Internet der Fall ist. Die etablierten Player müssen an ihren Kostenstrukturen arbeiten, jedoch können sie damit auch bei großer Anstrengung nicht genug ausrichten. Die Politik muss sich entscheiden: Entweder sie überlässt das Feld den Finanzinvestoren, oder sie schafft zumindest einen regulatorischen Rahmen, um die Renditechancen der Telekomfirmen zu erhöhen. Dann steigen die Aktienkurse von allein, und die Gefahr von Übernahmeattacken sinkt.

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