Trump erschüttert das Fundament des US-Häusermarktes
Im Blickfeld
Trumps Vabanquespiel am Hypothekenmarkt
Der US-Präsident will die staatlich gestützten Banken Fannie Mae und Freddie Mac privatisieren und so Washingtons angeschlagene Finanzen aufpolieren. Doch das Vorhaben droht den billionenschweren Hypothekenmarkt zu destabilisieren.
Von Alex Wehnert, New York
Dem Fundament des amerikanischen Häusermarktes drohen heftige Erschütterungen. Denn die neue Administration in Washington treibt ein monumentales Projekt voran, an dem US-Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit noch gescheitert war: Die Privatisierung der staatlich gesponserten Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac. Ein solcher Schritt gilt praktisch seit der Finanzkrise 2008, als die Institute nach dem Crash am Subprime-Mortgage-Markt illiquide wurden und unter die Kontrolle der Federal Housing Finance Agency gerieten, als republikanischer Traum. Und während Trumps Berater angeblich schon seit dem vergangenen Frühjahr diesbezügliche Gespräche an der Wall Street führen, wird das Vorhaben nun wohl konkreter.
Neue Pläne um Staatsfonds
Mitte März machte in Washington ein Entwurf die Runde, gemäß dem die Eigentümerschaft an Fannie Mae und Freddie Mac in einen neu zu schaffenden US-Staatsfonds überführt werden könnte. Trump ordnete die Schaffung eines solchen Vehikels, der laut Finanzminister Scott Bessent „die Aktivseite des US-Haushalts für das amerikanische Volk monetarisieren“ soll, Anfang Februar per Exekutivbeschluss an. Es soll in „große nationale Unternehmungen“ wie einen Ausbau der Infrastruktur investieren.
Zeitweise war der in Aussicht gestellte Staatsfonds auch als Käufer für die chinesisch kontrollierte Video-App TikTok im Gespräch, die gesetzlich festgelegte Frist für eine Veräußerung der Plattform läuft allerdings bereits am 5. April ab – und laut Trump stehen zahlreiche andere Interessenten bereit. Ohnehin ist angesichts der hohen US-Haushaltsdefizite unklar, wie Washington das geplante liquide Sondervermögen finanzieren will. Der Präsident hat unter anderem seine Strafzölle gegen amerikanische Handelspartner als Mittelquelle ins Spiel gebracht.
Zwei Fliegen mit einer Klappe
Indem die US-Regierung Fannie Mae und Freddie Mac in den geplanten Staatsfonds überführt, könnte sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wie die Investmenthäuser Stifel und Keefe, Bruyette & Woods (KBW) argumentieren. Denn so sei Washington in der Lage, den Hypothekenmarkt weiterhin durch staatliche Präsenz zu stützen, nach und nach Anteilsscheine der Institute auszugeben und selbst Dividenden auf die verbleibende Beteiligung einzusammeln, sobald die Institute ihre vorgeschriebenen Mindest-Kernkapitalquoten von insgesamt 2,5% erreichten.
Damit könne die US-Regierung eine hohe Wertschöpfung generieren. Die Wall Street bewertet die Hypothekenbanken derzeit mit über 330 Mrd. Dollar, die aus Vorzugsaktien und verbrieften Optionen zusammengesetzte staatliche Beteiligung könnte damit über 250 Mrd. Dollar wert sein. Sollte die kolportierte Strategie für Trumps Wunschfonds aufgehen, könnten laut Stifel und KBW künftig reinvestierbare Dividenden von 30 Mrd. Dollar pro Jahr zur Verfügung stehen und den Weg für ein gewaltiges Wachstum des Staatsfonds freimachen.
Stammaktien ziehen an
Andere Pläne sehen indes ein direkteres Vorgehen vor, bei dem Fannie Mae und Freddie Mac in einem IPO-ähnlichen Deal 20 bis 30 Mrd. Dollar von neuen Investoren aufnehmen könnten. Wie genau die Struktur auch ausfällt: Der Markt wertet eine Privatisierung als zunehmend wahrscheinlich, die Aktie von Fannie Mae hat im laufenden Jahr über 90% an Wert gewonnen, jene von Freddie Mac immerhin nahezu 65%. Denn Investoren spekulieren darauf, dass die beiden Institute unter weniger strenger staatlicher Aufsicht höhere Gebühren aus der Besicherung von Hypotheken auf Wohnimmobilien generieren und ihren im Vergleich zu anderen Banken bisher niedrigen Return on Equity von 8% deutlich steigern können.
Diese Wetten kommen bislang vor allem der Hedgefonds-Firma Pershing Square zugute, die gemäß jüngster vorliegender Dokumente aus dem Jahr 2014 mit 11,3 bzw. 11,1% einen großen Anteil an den umlaufenden Stammaktien von Fannie Mae und Freddie Mac hält. Der umstrittene Pershing-Chef Bill Ackman verbreitete bei Investorenpräsentationen jüngst Schätzungen, gemäß denen seine Anteile bei einer Privatisierung der Hypothekenbanken jeweils 34 Dollar pro Aktie wert sein könnten, nachdem die Kurse zuletzt in der Spanne zwischen 5 und 7 Dollar schwankten.
Gewaltiger Sekundärmarkt
Allerdings warnen Ökonomen, dass alles andere als ein extrem vorsichtiges Vorgehen bei der Privatisierung den amerikanischen Hypothekenmarkt zum Einsturz bringen könnte. Fannie Mae und Freddie Mac stellen zwar selbst keine Kredite aus, garantieren und bündeln diese aber in Mortgage Backed Securities (MBS) und kreieren damit einen Sekundärmarkt im Gesamtvolumen von 6,6 Bill. Dollar. Gewichtet nach Kreditrisiko hängen damit 48% der US-Inhaberschuldverschreibungen auf Immobilien an den beiden Instituten, weitere 17% entfallen auf die vollständig staatliche Ginnie Mae.

Selbst kleine Anpassungen an der Struktur und Beaufsichtigung der Hypothekenbanken können das Vertrauen, das Investoren in die von den Instituten aufgelegten Wertpapiere setzen, massiv beeinflussen. Bröckelt es, macht sich das unmittelbar in den Bilanzen von Assetmanagern um Blackrock und Pimco, US-Groß- und Regionalbanken sowie der Federal Reserve bemerkbar, die weiterhin großvolumige MBS-Positionen halten. Sie und andere Investoren können diese aufgrund der Beteiligung Washingtons an den Ausstellern Fannie Mae und Freddie Mac praktisch als Kredite ohne Default-Risiko mit ähnlicher Sicherheit wie Treasuries behandeln. Entlässt die US-Regierung die Hypothekenbanken ohne formalisierten staatlichen Backstop in den freien Markt, kann dies schwere Verwerfungen im gesamten Finanzsystem anrichten.
Erfahrene Investmentbanker, denen die Krise von 2008 noch in düsterer Erinnerung ist, beobachten die Bemühungen zur Privatisierung von Fannie Mae und Freddie Mac daher mit Unruhe. Denn dass die Administration in Washington bei den Hypothekenbanken mit besonderer Sorgfalt vorgehen würde, ist derzeit nicht zu beobachten. William Pulte, der von Trump eingesetzte Vorsitzende der als Regulator von Fannie Mae und Freddie Mac agierenden Federal Housing Finance Agency (FHFA), hat direkt zum Kahlschlag angesetzt. So machte der ehemalige Private-Equity-Manager und Erbe eines Immobilienentwickler-Imperiums sich selbst zum Verwaltungsratschef beider Institute und entließ über ein Dutzend Direktoren der Banken sowie hochrangige Vertreter seiner eigenen Behörde.
Unsichere Phase
Beobachter befürchten, dass das radikale Vorgehen die Fähigkeit von Fannie Mae und Freddie Mac negativ beeinflusst, die von ihnen gesetzten Kreditstandards präzise zu kontrollieren und stimmige Daten für Investoren bereitzustellen. Es trifft den Markt in einer Phase, in der Trumps aggressive Handelspolitik und die Furcht vor neuen Inflationsanstiegen bei Bond- und MBS-Investoren ohnehin für Verunsicherung sorgen. Die Spreads von Hypotheken mit staatlicher Garantie gegenüber „konventionellen“, über reguläre Banken aufgelegten Häuserkrediten – bei denen die Schuldner in der Regel weitaus höhere Bonitätsscores aufweisen – haben zuletzt entsprechend angezogen.
Analysten fürchten, dass die Zinsen auf Inhaberschuldverschreibungen, die sich ohnehin schon auf den höchsten Niveaus seit Beginn des Jahrtausends befinden, infolge einer Privatisierung von Fannie Mae und Freddie Mac dauerhaft auf höhere Niveaus schießen und amerikanische Haushalte schwer belasten könnten. Trumps Ambitionsprojekt am Hypothekenmarkt wird damit zum Vabanquespiel.