Trumps fliegender Start birgt wirtschaftliche Risiken
Trumps fliegender Start birgt wirtschaftliche Risiken
Der neue Präsident unterschätzt viele der gesamtwirtschaftlichen Folgen seiner America First Agenda: höhere Preise, Arbeitsplatzverluste, steigende Staatsschulden und ein größeres Wohlstandsgefälle
Von Peter De Thier
Mit atemberaubendem Tempo ist US-Präsident Donald Trump in seine zweite Amtszeit gestartet. Trump unterzeichnete während der ersten Woche mehr Dekrete als jeder andere Präsident. Er hat internationale Organisationen verlassen, mit Einfuhrzöllen gedroht und Steuersenkungen angekündigt. Obwohl Alleingänge bisher den Ton angaben, hat Trump die Rückendeckung eines republikanisch beherrschten Kongresses, der Gesetzesvorlagen im Dienst der „America First“ Doktrin durchwinken wird. Doch die wirtschaftlichen Konsequenzen der ehrgeizigen Agenda hat die Trump-Administration entweder nicht verstanden oder sich entschieden, diese zu ignorieren.
Reizthema Migration
Geprägt wurde der turbulente Start von dem Reizthema Migration. Schon während der ersten Tage bereitete der Präsident den Weg für die versprochene Massendeportation von Menschen, die ohne Aufenthaltsberechtigung in den USA leben. Er bezog das Militär ein und schickte 1.500 Soldaten nach Texas, um die wichtigsten Grenzübergänge zu überwachen. Trump ordnete zudem Razzien an, um illegale Migranten aufzutreiben. Auch kippte er Regeln seines Vorgängers Joe Biden, die Asylanträge aus dem Ausland erlaubten.
Der Präsident behauptet, mit seiner Politik der „Invasion unseres Landes“ einen Riegel vorschieben zu wollen. Zwar geben Vertreter der demokratischen Opposition Trump insofern recht, als auch sie den unkontrollierten Zustrom illegaler Migranten bremsen wollen und eine umfassende Einwanderungsreform befürworten. Unter anderem Visa-Programme für Migranten, die qualifizierte Fachkräfte oder auf anderem Wege wirtschaftlich produktiv sind. Gleichwohl fällt die Bewertung der ökonomischen Konsequenzen höchst unterschiedlich aus.
Migranten stützen Agrarsektor
Migranten seien häufig kriminell, würden aber alle das Lohnniveau drücken und den Lebensstandard hart arbeitender Amerikaner drücken, argumentiert Trump. Tatsache ist aber, dass viele Branchen, allen voran die Landwirtschaft, dringend auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen sind. Wie das Forschungsinstitut New American Economy feststellt, sind etwas mehr als 36% der landwirtschaftlichen Arbeiter in den USA Migranten, die kein Visum haben. Und der Agrarsektor steuert nach Angaben des Bureau of Labor Statistics (BLS) jedes Jahr mehr als 1,5 Bill. Dollar zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei.
Zudem leisten die 330 Mrd. Dollar an Haushaltseinkommen, die undokumentierte Migranten erwirtschaften, einen produktiven Beitrag zur kollektiven Kaufkraft der Konsumenten in den USA. Wie das Baker Institute der Rice University in Texas aus diesen und anderen Daten schließt, würde die Abschiebung dieser Arbeiter „zu Preiserhöhungen sowie mehr Lebensmittelimporten führen und gravierende gesamtwirtschaftliche Konsequenzen entfalten“.
„Zölle sind das schönste Wort“
Trump und seine Berater übersehen nicht nur die ökonomischen Folgen ihrer Einwanderungspolitik. Dasselbe gilt für die protektionistischen Ansätze im Außenhandel. „Zölle sind das schönste Wort in der englischen Sprache“ hatte der Republikaner während des Wahlkampfs gesagt. Noch diese Woche könnte er Abgaben in Höhe von 25% für Einfuhren aus Mexiko und Kanada verkünden. „Zölle sind der einzige Weg, um Amerikas Autoindustrie zu retten“, ist Trump überzeugt.
Anders schätzen aber ausgewiesene Fachexperten die Lage ein. Sie weisen darauf hin, dass Mexiko und Kanada jedes Jahr 5,3 Millionen Fahrzeuge fertigen, von denen 70% für den Export in die USA bestimmt sind. Hinzu kommt, dass beide Nachbarstaaten Teile liefern, die für die Fertigung in US-Werken unverzichtbar sind. Würden diese über Zölle künstlich verteuert, dann käme es praktisch über Nacht zu immensen Preissteigerungen.
Die höheren Preise träfen nicht nur Importwagen, sondern auch die 10,2 Millionen Autos, die in den USA jährlich vom Band rollen. Wie Michael Robinet, Vizepräsident bei S&P Global Mobility, einem Informationsdienstleister für die Autoindustrie, glaubt, begreift Trump nicht, dass die USA, Kanada und Mexiko seit Jahren einen einheitlichen Markt bilden. „So etwas wie ein All-American-Auto gibt es nicht mehr“, sagt Robinet. Verschärfen würde sich die Lage, wenn US-Hersteller sich entscheiden sollten, die eigene Produktion zurückzufahren, weil sie keine höheren Preise für die Teile zahlen wollen. Darüber, dass auch alle anderen Zölle, die unter Trump zu erwarten sind, inflationär wären, besteht unter Ökonomen ein breiter Konsens.
Folgenschwere Steuerpolitik
Anders als angekündigt dürften auch die verteilungspolitischen Folgen der Steuerpolitik aussehen. Deren Eckpunkte verkündete die Regierung während der ersten Woche im Amt. So soll es künftig nur noch zwei Einkommenssteuerklassen geben. Demnach müssten Haushalte, die weniger als 168.000 Dollar im Jahr verdienen, 15% ihres Gehalts an das Finanzamt abführen. Besserverdienende müssten 30% zahlen. Auch würden zahlreiche Vergünstigungen abgeschafft werden, die der Mittelklasse und Ärmeren zugutekommen.
Wie eine Studie des Joint Economic Committee des Kongresses ergeben hat, „müsste dann eine vierköpfige Familie mit einem Jahreseinkommen von 90.000 Dollar über 6.000 Dollar mehr an Steuern zahlen“. Trump würde damit eine Wählerschicht bestrafen, die maßgeblich zu seinem Sieg beitrug. Gleichzeitig würde das Wohlstandsgefälle größer. Auch würde der Wirtschaft, deren Gesamtleistung zu fast 70% aus Privatkonsum besteht, wichtige Kaufkraft entzogen werden.
Steigende Staatsverschuldung
Trump hat in seiner ersten Woche auch versprochen, den Unternehmenssteuersatz auf bis zu 15% heruntersetzen. Während seiner ersten Amtszeit hatte er diesen bereits von 35 auf 21% gesenkt. Das Ziel war es, die Attraktivität der USA für ausländische Unternehmen zu erhöhen. Gleichzeitig wuchs aber das Haushaltsdefizit um 1,3 Bill. Dollar. Geht der Satz weiter runter, dann würde die Staatsverschuldung, die schon heute mehr als 120% des BIP ausmacht, ebenfalls klettern.
Folgen hat auch Trumps Kampfansage an erneuerbaren Energien. Immerhin haben staatliche Investitionen in grüne Energien 2023 142.000 neue Jobs geschaffen, und 2024 könnten die Neueinstellungen in dem Sektor auf 200.000 gestiegen sein. Diese Jobs wären durch Trumps Maßnahmen gefährdet. Etwa dann, wenn er die fossile Energieindustrie dereguliert und im Gegenzug Steuervergünstigungen für grüne Energien abschafft. Damit hat er bereits begonnen, nämlich mit der Abschaffung von Steuergutschriften für den Kauf elektrischer Autos. Nach Ansicht des Nationalökonomen Jason Furman bergen die diversen Komponenten der Trump-Agenda Gefahren für den Arbeitsmarkt, die Preisstabilität und das robuste US-Wachstum. „Es ist vieles daran, das unsere Wirtschaft jetzt absolut nicht braucht“, so der Harvard-Professor.