Uni am See geht baden
Colin Huang, der Gründer der chinesischen E-Commerce-Sensation Pinduoduo, ist irgendwie fein raus. Seine Anteile an dem im rasenden Tempo zu Chinas drittgrößtem Onlinehändler aufgestiegenen Start-up sind rund 45 Mrd. Dollar wert. Davon lässt es sich bequem leben, und es bedeutet den dritten Platz auf Chinas Reichenliste, noch vor der Entrepreneur-Legende Jack Ma. In einer anderen Rangliste, nämlich der der spendenfreudigsten Philanthropen im Reich der Mitte, steht er sogar ganz oben. So etwas macht sich immer gut im Lebenslauf eines Milliardärs und erspart zudem möglichen Ärger mit der chinesischen Parteiführung, die einflussreiche Internetunternehmer derzeit auf dem Kieker hat. Sie ist nämlich darum bemüht, aus abenteuerlustigen Tech-Titanen gute Parteisoldaten zu machen, notfalls mit Gewalt.
Richtig zu spüren bekam das Ma, der mit Alibaba und Ant Group sowohl Chinas größten Onlinehändler wie auch den führenden Fintech-Konzern des Landes gegründet und großgezogen hat. Ma hat ebenfalls großzügig gespendet, allerdings nur Kritik an Chinas hinterwäldlerischen Finanz- und Marktregulatoren, die das Tech-Phänomen nicht richtig verstehen. Damit war das Maß voll. Der Staat ließ den potenziell wertvollsten Börsengang aller Zeiten der Ant Group einfach verbieten und verpasste Ma damit eine „Watschn“, deren Widerhall an den Märkten noch lange nicht verklungen ist. Chinas Tech-Guru ist praktisch von der Bildfläche verschwunden und darf sich öffentlich nicht mehr blicken lassen.
Huang jedoch hat aus Pekinger Sicht alles richtig gemacht, indem er sein Ego im noch zarten Erfolgsunternehmeralter von 41 Jahren zurücksteckte, das Tagesgeschäft bei Pinduoduo anderen überließ, seine Board-Funktionen aufgab und zudem auf die Ausübung seines dominierenden Anteilsstimmrechts verzichtete. Er ist nun ganz raus und kümmert sich mit seiner von Pinduoduo-Anteilen gefütterten Stiftung um Wissenschaftsförderung in Bereichen, die dem Wohl der Nation und der Volksgesundheit dienen, wie etwa Biomedizin und Lebensmittelsicherung.
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Huang stammt wie Jack Ma aus der Großstadt Hangzhou in der seit jeher vor Entrepreneurgeist nur so strotzenden Provinz Zhejiang. Er hat seiner Alma Mater, der zu den Top-Universitäten des Landes zählenden Zhejiang University, 100 Mill. Dollar gespendet, um dort neue Forschungsinitiativen in Sachen Life Sciences aufleben zu lassen. Sein Name wird dort sicherlich auf vielen Plaketten blinken.
Machen wir einen Schwenk auf die andere Stadtseite Hangzhous: Dort, an den Gestaden des touristisch reizvollen West Lake, steht eine Elite-Business-School, die sich bis gestern Hupan Daxue nennen durfte. Hupan heißt auf Chinesisch so viel wie „nah am See“ und Daxue so viel wie Universität. Hupan wurde im Herbst 2015 als exklusive Lehranstalt zur Weiterausbildung von Top-Managern gegründet und zwar von niemand Geringerem als Jack Ma und einer Hand voll befreundeter Entrepreneure.
Ma fungierte als Unipräsident, was der Lehranstalt eine unwiderstehliche Anziehungskraft verlieh. Bei einer Jubiläumsfeier im Oktober 2020 konnte er stolz berichten, wie Hupan bislang knapp 12000 Bewerbungen angezogen, aber nur 250 „Studenten“ zugelassen hatte. Es war mithin leichter, bei Amerikas Top-Business-Schools in Harvard oder Stanford Einlass zu finden, als bei der Uni am See.
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Mit dem staatsorchestrierten Abschuss von Jack Ma ist Hupan gar noch „exklusiver“ geworden. Die Rekrutierung neuer Studenten wurde nämlich auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Jetzt ist auch mit dem Universitätstitel Schluss. Seit Wochenbeginn heißt die Schule auf ihrer eigenen Webseite nur noch Hupan, was hellhörig macht. Und siehe da, auf Chinas sozialen Medien gehörte am Montag ein Videoclip zu den Rennern, in dem man Handwerker an Hupans Eingangspforte eifrig werkeln sieht. Dort steht ein großer dekorativer Stein mit dem Namen des Instituts, auf dem die chinesischen Zeichen für Universität in Handarbeit sorgsam weggekratzt werden.
(Börsen-Zeitung,