Zinsschritt ist ein Fehltritt
EZB
Zinsschritt ist
ein Fehltritt
Von Martin Pirkl
Die Preiseffekte der Zölle lassen sich derzeit kaum beziffern. Wegen der strukturell erhöhten Inflation wäre eine Zinspause aber
die bessere Wahl gewesen.
Der Zinsentscheid war eine äußerst undankbare Aufgabe für die EZB. Ohne verlässliche Information darüber, wie der von den USA losgetretene globale Zollkonflikt enden wird, mussten die Notenbanker festlegen, ob eine weitere Zinssenkung angemessen ist oder nicht. Am Ende hat sich der EZB-Rat entschlossen nachzulegen und zum sechsten Mal in Folge den für die Geldpolitik wichtigen Einlagensatz um 25 Basispunkte zu senken.
Dafür gibt es auch einige gute Argumente. Die erratische Zollpolitik Donald Trumps verunsichert die Unternehmen und Verbraucher im Euroraum, die ohnehin schon sehr zurückhaltend bei Investitionen und Konsum waren. Laut neuesten WTO-Berechnungen wiegt diese Verunsicherung sogar noch schwerer auf der Konjunktur als die Zölle an sich. Die Inflation im Euroraum könnte in den kommenden Monaten daher geringer ausfallen. Niedrigere Energiepreise könnten das noch verstärken. Zudem bewegt sich die Dienstleistungsinflation in die richtige Richtung und mit ihr im Schlepptau auch die Kerninflation.
Mittelfristig zu niedrige Inflation unwahrscheinlich
Dennoch wäre es besser gewesen, erstmal eine Zinspause einzulegen und abzuwarten. Derzeit ist noch unklar, wie die EU auf die Zölle reagieren wird. Eine Verhandlungslösung ist möglich, aber längst nicht gesetzt. Sollte es zu keiner Einigung kommen, dürfte die EU mit signifikanten Gegenzöllen antworten müssen, was den Inflationsdruck in der Eurozone verstärken würde, ebenso wie Lieferkettenstörungen und eine Fragmentierung im Welthandel.
Es kann gut sein, dass der inflationsdämpfende Effekt durch das schwächere Wirtschaftswachstum dominieren wird. Doch selbst wenn dies so sein sollte, wäre eine Zinspause im April kein Fehler gewesen. Die Gefahr einer mittelfristig zu niedrigen Inflation ist gering. Höhere Fiskalausgaben, die Folgen des demografischen Wandels für den Arbeitsmarkt, die grüne Transformation der Wirtschaft sowie der Klimawandel an sich werden den Inflationsdruck im Euroraum in den kommenden Jahren verstärken.
Die EZB sollte sich also vielmehr darüber sorgen, ob sich die Inflation mittelfristig etwas über ihrem Zielwert festsetzt. Dieses Risiko ist durch die Zinssenkung jedenfalls gestiegen. Eine eventuell zu niedrige Inflation durch eine Zinspause hätte hingegen wenig Chancen gehabt, sich über 2025 hinaus festzusetzen.