Unterschiedliche Ziele, aber ähnliche Probleme auf der Iberischen Halbinsel
Unterschiedliche Ziele, ähnliche Probleme
Spanien will die Steuern anheben, Portugal dagegen senken. Doch beide Minderheitsregierungen drohen im Parlament zu scheitern.
Von Thilo Schäfer, Madrid
Spanien und Portugal werden von Analysten, Investoren und Medien unter dem Etikett „iberischer Markt“ in einen Topf geworfen. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den beiden südeuropäischen Nachbarn, aber eben auch viele Parallelen. So läuft die Wirtschaft auf der Iberischen Halbinsel derzeit deutlich besser als im Großteil Europas. Das Bruttoinlandsprodukt Spaniens wuchs im zweiten Quartal im Jahresvergleich um 3,1%, das von Portugal um 1,6%. In beiden Fällen sind der Touristenboom und die Gelder aus den „Next Generation EU“-Funds wichtige Treibkräfte. Bei der Konsolidierung ihrer Staatsfinanzen sind Madrid und Lissabon ebenfalls weiter als etwa Frankreich.
Derzeit werden beide Länder von Minderheitsregierungen geführt, die arge Probleme haben, ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen und den Haushalt durch die jeweiligen Parlamente zu bringen. Doch während die Koalition aus Sozialisten und Linken von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez Steuererhöhungen anvisiert, will das Bündnis aus Konservativen und Liberalen von Luís Montenegro in Portugal Steuern senken.
Letzte Woche reichte die portugiesische Regierung, die erst im April die Sozialisten von António Costa ablöste, den Haushaltsplan für 2025 im Parlament ein. Darin ist eine Senkung der Unternehmenssteuer um einen Punkt auf 20% vorgesehen. „Es gibt einen sehr starken Wettbewerb seitens Spaniens, um Investoren mit Plänen für Portugal abzuwerben, um nicht zu sagen zu rauben“, erklärte Ministerpräsident Montenegro. In Spanien beträgt der Standardsatz der Körperschaftsteuer 25%.
Steuerbefreiung für Junge
Die wichtigste und umstrittenste Maßnahme der Portugiesen ist jedoch die drastische Senkung der Einkommensteuer für junge Menschen bis 35 Jahre. Damit will man in Lissabon die Abwanderung gut qualifizierter Menschen bremsen, die seit der Finanzkrise fortschreitet und ein echtes Problem für die Wirtschaft darstellt. Den Schritt, die jungen Leute mit Steueranreizen im Lande zu halten, hatte die sozialistische Vorgängerregierung von Costa eingeführt. Doch die Konservativen bauen das Schema nun deutlich aus. Wer unter 35 ist und weniger als 28.000 Euro jährlich verdient, zahlt im ersten Jahr gar keine Einkommensteuer. In den folgenden vier Jahren muss die Person nur 25% der Einkünfte versteuern, vom sechsten bis zum neunten Jahr die Hälfte und im zehnten und letzten Jahr 75%.
Neben Steuersenkungen sieht die Regierung in Lissabon auch noch Spielraum für mehr Ausgaben, wie höhere Gehälter im öffentlichen Sektor. Nach einem Haushaltsüberschuss von 1,2% im Jahr 2023 soll dem Plan nach auch in diesem und im nächsten Jahr ein Plus unterm Strich herauskommen und die Staatsverschuldung auf 93,3% sinken. „Es ist wichtig, dass das Land ausgeglichene Finanzen mit Überschüssen von 0,2 oder 0,3% hält, um in den nächsten Jahren die Schulden weiter zu senken“, kommentierte Finanzminister Joaquim Miranda Sarmento bei der Vorlage des Haushaltsplans.
Mahnung vor hohen Staatsausgaben
Doch gibt es Zweifel daran, ob die Rechnung der rechten Minderheitsregierung aufgehen wird. Der Internationale Währungsfonds warnte in seinem jüngsten Länderbericht zu Portugal Anfang Oktober vor den „erhöhten Kosten“ der Steuersenkung für junge Menschen, „wohingegen die Wirksamkeit zur Eindämmung der Auswanderung ungewiss ist“. Der Gouverneur der portugiesischen Zentralbank, Mário Centeno, sprach seinerseits vom größten Anstieg der Staatsausgaben seit 1992. „Wir haben in der Vergangenheit ja genug Probleme erlebt, um zu wissen, was das bedeutet“, mahnte der frühere Finanzminister der Regierung Costa.
Spanien hatte im Zuge der Finanzkrise auch ein Problem mit dem Verlust junger qualifizierter Menschen, die ins Ausland gingen, jedoch nicht in dem Maße wie das Nachbarland. Doch Steueranreize stehen bei der Linkskoalition von Sánchez nicht auf dem Programm. Im Gegenteil. Der sozialistische Regierungschef sieht Spielraum für eine Anhebung der Abgaben für Vermögende und Großkonzerne. Denn das nationale Statistikamt INE hat unlängst seine Fehlkalkulationen bei der Messung der Wirtschaftsleistung über Jahre korrigiert und das BIP nachträglich nach oben revidiert. Dadurch sinken nicht nur die Quoten für das Staatsdefizit und die Verschuldung, denen Eurostat noch Rechnung tragen muss. Auch die Steuerlast ist in Spanien durch diesen Effekt im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung geringer als bisher angenommen. Auf 4 Prozentpunkte bezifferte Sánchez die Differenz der Steuerquote in Spanien gegenüber dem Durchschnitt in der Europäischen Union von 41% des BIP. Das lässt seiner Ansicht nach viel Luft für neue und höhere Abgaben.
Spanien hat sich gegenüber der Europäischen Kommission zu einer umfangreichen Steuerreform verpflichtet, im Gegenzug für die Hilfsgelder. Doch bislang steht lediglich fest, dass die ursprünglich auf zwei Jahre begrenzte Sondersteuer auf die Übergewinne von Banken und Energieversorgern zu permanenten Abgaben gemacht werden. „Wir haben Spielraum für steuerpolitische Maßnahmen, ohne dabei das Wachstum zu gefährden“, versicherte Spaniens Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo am Dienstag bei der Vorstellung des Fiskalplans, den er an die Kommission schickte. Doch konkrete Steuerpläne wollten der Minister und seine Mitarbeiter nicht nennen. Die würden im Rahmen des Haushalts für 2025 vorgestellt, hieß es. Doch der Haushaltsplan droht zu scheitern, weil die katalanischen Separatisten der linken Minderheitsregierung von Sánchez diesmal die Gefolgschaft verweigern könnten.
Neuwahlen?
Auch das konservativ-liberale Bündnis von Montenegro muss in Portugal weiter um seine Finanzplanung bangen, obwohl man in langen Verhandlungen den Sozialisten bei Streitthemen wie der Senkung der Unternehmenssteuer und der Einkommensteuer für junge Menschen entgegengekommen ist. Die Partei von Oppositionsführer Pedro Nuno Santos ringt derzeit zwischen Ablehnung und Enthaltung aus Staatsräson sowie politischem Kalkül. Denn im Falle eines Scheiterns des Haushalts könnte es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen. Das wäre das dritte Mal in drei Jahren. Sánchez hat in Spanien dagegen zuletzt klargemacht, dass er den Haushalt von 2023 zur Not ein weiteres Mal verlängern würde, um weiter an der Macht zu bleiben. Das ist einer der Unterschiede auf der Iberischen Halbinsel.