Aktienrückkäufe

US-Rückkäufe auf Rekordfahrt

Die Volumen der Aktienrückkäufe in den USA bewegen sich auf Rekordniveau. Eine wirtschaftliche Abschwächung und eine ab Anfang 2023 geltende 1%-Steuer könnten die Aktivität auf Sicht jedoch hemmen.

US-Rückkäufe auf Rekordfahrt

Aktienrückkäufe erleben in den USA derzeit einen Boom noch nie gesehenen Ausmaßes. Nach einem pandemiebedingten Einbruch des Volumens im Jahr 2020 stellten die vollzogenen Rückkäufe der Unternehmen des S&P 500 laut S&P Dow Jones Global Indices 2021 mit 882 Mrd. Dollar einen Rekord auf. Dazu trug, neben den enorm hohen Liquiditätsüberschüssen der Unternehmen, ein erheblicher Nachholbedarf bei. Viele Firmen hatten unter dem Eindruck des wirtschaftlichen Einbruchs infolge der Pandemie Rückkäufe aus Sicherheitsgründen zurückgestellt, Banken waren sie sogar untersagt. Beginnend Mitte 2021 wurden drei Quartale in Folge rekordhohe Rückkäufe getätigt, auf 281 Mrd. Dollar lautet die Bestmarke, die im ersten Quartal 2022 aufgestellt wurde. Anschließend folgte im zweiten Quartal ein Rückgang auf rund 220 Mrd. Dollar. Aber auch das ist im historischen Vergleich ein enorm hohes Volumen. Von Juli 2021 bis Juni 2022 haben die Unternehmen des S&P 500 Aktien für 1,005 Bill. Dollar und damit erstmals innerhalb von zwölf Monaten für mehr als 1 Bill. Dollar rückgekauft.

1 Prozent ab Anfang 2023

Ob die Billionen-Marke auch auf Kalenderjahresbasis geknackt werden kann – nach den ersten sechs Monaten stehen rund 500 Mrd. Dollar zu Buche –, ist noch offen. Denn im Unterschied zu den Volumen der tatsächlichen Transaktionen ist die Zahl der Rückkaufankündigungen in diesem Jahr bislang rückläufig. Zudem bläst den in der amerikanischen Öffentlichkeit umstrittenen Rückkäufen derzeit seitens der Politik der Wind ins Gesicht. Als Teil des Inflation Reduction Act, den Präsident Joe Biden im August unterzeichnet hat, müssen Unternehmen ab Anfang kommenden Jahres eine Steuer von 1% auf das Volumen der von ihnen getätigten Aktienrückkäufe zahlen.

Die Steuer hat zum einen politischen Charme, weil sie den Teilen der Demokratischen Partei entgegenkommt, die Rückkäufen besonders kritisch gegenüberstehen und Einschränkungen fordern. Zum anderen sprechen handfeste fiskalische Interessen dafür. Aktienrückkäufe sind tendenziell kurstreibend, Wertgewinne werfen jedoch anders als Dividenden nicht direkt Steuern ab. Zusätzlich zur Abschöpfung der Rückkäufe – das Joint Taxation Committee des Kongresses schätzt das Aufkommen der Steuer in den nächsten zehn Jahren auf 74 Mrd. Dollar – könnte somit auch eine teilweise Substitution von Rückkäufen durch Dividenden in der Auskehrungspolitik der Unternehmen den Staatseinnahmen zugutekommen.

Wie sich die Steuer auf die Rückkäufe und den Aktienmarkt auswirken wird beziehungsweise ob sie überhaupt nennenswerte Folgen haben wird, ist noch unklar. Zu den Kritikern zählt Ben Laidler, Global Markets Strategist der sozialen Investment-Plattform eToro. Die späte Einführung einer Steuer auf Aktienrückkäufe in Höhe von 1% bedrohe eine wichtige Säule des US-Aktienmarktes. Diese hätten sich in den letzten zwölf Monaten auf fast 1 Bill. Dollar belaufen und befänden sich auf Rekordniveau, was die Unternehmen zum größten Einzelkäufer am Aktienmarkt mache. Eine Steuer in Höhe von 1% scheine gering zu sein, aber sie beginne, eine wichtige Säule des US-Aktienmarktes zu untergraben. Außerdem werde der Satz von 1% in Zukunft möglicherweise angehoben. Ein positiver Nebeneffekt der Rückkaufsteuer werde möglicherweise darin bestehen, dass sie Anreize für mehr Dividendenausschüttungen schaffe.

Die Kommentare von Marktexperten fallen allerdings mehrheitlich gelassen aus. Die Steuer von 1% bedeute zwar zusätzliche Kosten, sei aber nicht hinreichend signifikant, um Auswirkungen auf Rückkäufe zu haben, meint beispielsweise Howard Silverblatt, Senior Index Analyst und Aktienrückkäufeexperte von S&P Dow Jones Global Indices. Allerdings betont Silverblatt, dass die Steuer von beiden Parteien, also auch von Republikanern, unterstützt wurde. Daher sei der Satz von 1% möglicherweise nur der erste Schritt. Der Analyst hat mögliche Auswirkungen auf die Ergebnisentwicklung der S&P-500-Unternehmen berechnet und kommt auch diesbezüglich zu dem Schluss, dass die Folgen überschaubar sind. Auf Pro-forma-Basis hätte die Steuer die operativen Ergebnisse der S&P-500-Unternehmen Silverblatt zufolge im Jahr 2021 um 0,48% reduziert.

Eine eventuelle Anhebung der Rückkaufsteuer zu einem späteren Zeitpunkt außen vor gelassen, ist die Annahme relativ geringer Auswirkungen plausibel. Denn andere Faktoren haben wesentlich größeren Einfluss auf die Auskehrungspolitik der Unternehmen. Dazu zählt die Ergebnisentwicklung und damit letztlich das makroökonomische Umfeld. 2020 verfügten die amerikanischen Unternehmen wie im Jahr zuvor und auch derzeit über eine immense, rekordhohe freie Liquidität von nahezu 2 Bill. Dollar. Dennoch wurden die Aktienrückkäufe wie erwähnt zurückgefahren, da nicht absehbar war, wie stark der ökonomische Einbruch vor dem Hintergrund der Pandemie ausfallen würde. Ähnliches könnte auch nun bevorstehen. Die US-Zentralbank Fed steht unter erheblichem Druck, die Leitzinsen anzuheben, um der hohen Inflation Herr zu werden, und wird vor diesem Hintergrund die Zügel weiter anziehen. Es besteht das Risiko, dass sie den Bogen überspannt mit einer Rezession als Folge. Dieses Risiko beziehungsweise eine Abkühlung der Wirtschaft könnte einen wesentlich stärker hemmenden Einfluss auf die Rückkaufaktivität haben als eine Steuer in Höhe von 1%. Gleiches gilt für die sich im Zuge der restriktiven Geldpolitik verschlechternden Refinanzierungskonditionen. Angesichts steigender Zinsen, kürzertretender Verbraucher sowie die Produktion beeinträchtigender Angebots- und Arbeitskräfteprobleme schienen sich die Unternehmen Sorgen über ihre Ergebnisaussichten zu machen und seien vorsichtiger, was ihre Ausgaben betreffe, so Silverblatt.

Der Analyst verweist wie andere Experten jedoch darauf, dass die Rückkaufsteuer zunächst eine von ihren Initiatoren nicht beabsichtigte Wirkung entfalten könnte. Im vierten Quartal werde es möglicherweise vorgezogene Aktienrückkäufe geben, um die neue Steuer zu vermeiden, was zu einem weiteren Rekordjahr für Aktienrückkäufe führen könne. Als ein Anzeichen dafür wurde gewertet, dass General Motors im Umfeld der Unterzeichnung des Inflation Reduction Act die Wiederaufnahme ihrer Aktienrückkäufe ankündigte und ihr Rückkaufprogramm von 3,3 Mrd. auf 5 Mrd. Dollar erhöhte und der Baumarktriese Home Depot ein 15 Mrd. Dollar schweres Rückkaufprogramm auflegte. Im September folgten Johnson & Johnson und Texas Instruments mit der Ankündigung von Rückkäufen im Volumen von 5 Mrd. und 15 Mrd. Dollar.

Die Aktienrückkäufe könnten durch „Last-Minute-Transaktionen“ zur Vermeidung der Steuer, aber auch mit der Absicht, die gedrückten Kursniveaus zu nutzen, somit durchaus in diesem Jahr noch die Schwelle von 1 Bill. Dollar erreichen. Im kommenden Jahr würde dann aber aufgrund der eventuellen Vorzieheffekte sowie in Abhängigkeit vom Ausmaß der wirtschaftlichen Abschwächung mit einer niedrigeren Rückkaufaktivität zu rechnen sein.

Von Christopher Kalbhenn, Frankfurt

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