Allianz

Verschärftes Tempo im Klimaschutz

Mit einer neuen Richtlinie treibt die Allianz die Dekarbonisierung ihres Anlageportfolios voran. Nach der Kohleindustrie gerät nun die Öl- und Gasindustrie ins Visier.

Verschärftes Tempo im Klimaschutz

Von Michael Flämig, München

Der Angriffskrieg Russlands bedroht auch den Klimaschutz. Brennende Öldepots symbolisieren die Gefahr. Für Investoren allerdings bleiben die Pariser Vorgaben zur Eindämmung der Erderwärmung ein Top-1-Thema. Dies zeigt anschaulich die diesjährige Hauptversammlung der Allianz. Denn Klimaschutz war ein Kernthema der Veranstaltung. Eine Dreiviertelstunde widmete der Vorstand den zahlreichen Fragen der Anleger.

Günther Thallinger, als Kapitalanlagechef im Allianz-Vorstand für die Dekarbonisierung zuständig und zudem Vorsitzender des Sustainability Boards, lässt keinen Zweifel: „Klimaschutz ist essenziell für uns.“ Die Allianz hat daher – unter sorgfältiger Berücksichtigung der geopolitischen Entwicklungen, wie in München betont wird – bereits Ende April ihre Investitions- und Versicherungsstrategie für die globale Öl- und Gasindustrie angepasst. Die neue Richtlinie greift von Januar 2023 an.

„Ein Kernelement der Allianz-Klimastrategie ist der Kohleausstieg“, erklärte Thallinger den bisherigen Ansatz. Seit 2015 seien die Investitionen in kohlebasierte Geschäftsmodelle eingeschränkt worden, 2018 folgten zusätzlich Beschränkungen im Versicherungsbereich. Es gehe um Anlagen von 2,5 Mrd. Euro im Jahr 2021, die unter Berücksichtigung der Ausschlusskriterien keinen Platz mehr im Portfolio hätten, rechnete Thallinger den Aktionären vor. Die bestehenden Anleihen liefen daher gemäß den Richtlinien aus. Im Jahr 2020 hätten sich die Anlagen, die nicht diesen Richtlinien entsprachen, auf 3,7 Mrd. Euro addiert.

Seit 2015 habe die Allianz über 6 Mrd. Euro Investitionen in kohlebasierte Geschäftsmodelle auslaufen lassen, erklärte Thallinger. Im Portfolio der Versichertengelder befänden sich seit 2018 keine neuen Kohleprojekte mehr – die Allianz hatte ihre Kohlerichtlinien zuletzt im Juli 2021 verschärft. Beispielsweise erhielten Bergbauunternehmen, die neue Kohleminen planten oder mehr als 25% Umsatz durch Kohleabbau erzielten und mehr als 10 Mill. Tonnen Kohle jährlich abbauten, von Januar 2023 keine Schaden- und Unfallversicherung und keine Finanzierung mehr.

Richtlinie für Öl und Gas

Die neue Richtlinie für Öl- und Gasfirmen führe zu einem Ausschluss von weiteren 3,6 Mrd. Euro, sagte Thallinger. Sie schreibt vor, dass die Allianz in zahlreichen Bereichen keine Finanzierung mehr bereitstellt. In diesen Bereichen bietet die Allianz außerdem keine neue Sachversicherungspolicen für Einzelrisiken an, von Juli 2023 an werden bestehende Verträge nicht erneuert. Die Bereiche sind laut Thallinger: Erschließung neuer Gasfelder, Bau neuer Midstream-Infra­strukturen im Zusammenhang mit Erdöl, Bau von neuen Ölkraftwerken und bestimmte Erschließungsprojekte in der Arktis. Vom Jahr 2025 an würden nur noch solche großen Öl- und Gasunternehmen (Produktion von mehr als 60 Mill. Barrel Öläquivalenten im Jahr 2020) versichert und finanziert, die bis zum Jahr 2050 Netto-null-Treibhausgasemissionen anstrebten. Die Ölsand-Unterstützung wird weiter reduziert. Der Allianz-Industrieversicherer AGCS verzichte auf Beitragseinnahmen, räumte Thallinger auf Aktionärsfragen ein. Aber: „Wir gehen davon aus, dass sich der weitaus größte Teil unserer Kunden zum Klimaschutz bekennen wird, so dass sich Kundenverluste in Grenzen halten werden.“

Die Allianz-Investments in Öl- und Gasfirmen sind allerdings immer noch substanziell. Dem Kapitalanlagevorstand zufolge betrug der Anteil Ende vergangenen Jahres 3% der eigenen Assets in Höhe von 642 Mrd. Euro. Dabei versucht die Allianz, auf die Unternehmen Einfluss zu nehmen. Mit 61 Firmen sei man im vergangenen Jahr im Dialog gewesen, davon stammten 34 aus den Branchen Öl, Gas und Energie, sagte Thallinger.

Auch Aktien im Blick

Die Klimaneutralität der Kapitalanlage bis zum Jahr 2050 solle jenseits des Energiesektors mit weiteren Maßnahmen erreicht werden. Der nächste Meilenstein sei das Jahresende 2024, so Thallinger. Im Portfolio der Unternehmensaktien und -anleihen sollten die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Stand 2019 um 25% sinken. Selbstgehaltene Immobilien müssten Emissionen von nicht mehr als 52,5 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Quadratmeter aufweisen. Die Infrastruktur-Eigenkapitalanlagen sollten die absoluten Emissionen um 28% bis Ende 2025 auf Basis von 2020 reduzieren.

Darüber hinaus will die Allianz im Jahr 2030 die Emissionen in ihrem eigenen Geschäftsbetrieb auf netto null gesenkt haben. Einerseits sollen Lösungen zur CO2-Entfernung aus der Atmosphäre eingesetzt werden. Andererseits sollen die Emissionen um 70% im Vergleich zum Jahr 2019 sinken. Zu den Hebeln gehört die Umstellung auf eine vollelektrische Fahrzeugflotte bis spätestens 2030. Die Allianz nutze aktuell 8000 Fahrzeuge, sagte Thallinger. Davon seien 15% hybrid oder rein elektrisch. Der Stromverbrauch der Gruppe betrage 360 Gigawattstunden, davon 69 Gigawattstunden für den Betrieb von Rechenzentren. 77% stammten aus erneuerbaren Energiequellen, im Jahr 2023 sollten es 100% sein.

Die Investments in nachhaltige Energieerzeugung hätten Ende 2021 rund 7 Mrd. Euro betragen, sagte Thallinger. Davon steckten 4 Mrd. Euro in eigenen Wind- und Solarparks, der Rest seien Darlehen an derartige Parks. Die nachhaltigen Anlagen gemäß EU-Definition addierten sich auf 23,1 Mrd. Euro.

Ein vollständiger Rückzug aus der Finanzierung von Öl- und Gasfirmen steht für die Allianz aktuell nicht auf der Agenda. Das Gas aus Feldern, die in Produktion seien, werde benötigt, um die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zu decken, die auch im 1,5-Grad-Pfad bestehe, sagte Thallinger. Eingriffe in die Anlagepolitik Dritter, für die die Allianz rund 2 Bill. Euro anlegt, seien nicht möglich, erklärte er darüber hinaus. Es sei den Ansprüchen der Kunden zu folgen. Das Angebot an nachhaltigen Produkten werde aber ausgebaut.

Thallinger begründete die Integration der nichtfinanziellen Erklärung in den Lagebericht des Geschäftsberichts mit zwei Argumenten. „Die Verlagerung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in die Finanzfunktion ist un­serer Meinung nach Ausdruck un­seres Qualitätsanspruchs“, sagte er. Sie sei auch Teil der Strategie, Nachhaltigkeitsthemen tiefer in Kernprozesse der Fachbereiche zu verankern.

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