Leitartikel IWF-Tagung: Zwischen Washington und Berlin

Vertrauen ist eine politische Währung

Die globale Unsicherheit schlägt negativ auf die Wirtschaft durch. Deutschlands Regierung verspielt mir ihrem nun zugespitzten Dauerstreit auch noch Vertrauen.

Vertrauen ist eine politische Währung

IWF-Tagung

Vertrauen ist eine politische Währung

Die globale Unsicherheit schlägt auf die Wirtschaft durch. Deutschlands Regierung verspielt auch noch Vertrauen.

Angela Wefers, Berlin

Es ist keine Zeit zum Feiern, mahnte Kristalina Georgiewa bei der Eröffnung der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Washington die Delegierten. Die IWF-Chefin konnte zwar verkünden, dass die Inflation weltweit wieder zurückgeht. Aber das Wachstum bleibt schwach und die globalen öffentlichen Schulden erreichen eine besorgniserregende Höhe. In diesem Jahr steigen sie über die Marke von 100 Bill. Dollar. 2030 dürfte die Schuldenquote 100% der weltweiten Wirtschaftskraft erreichen. Hohe Schulden bedeuten mehr Zinsen. Dies engt den finanziellen Spielraum für politische Entscheidungen ein.

Die Mahnung Georgiewas, wieder fiskalische Puffer aufzubauen, müssen die Regierungen ernst nehmen, wenn sie handlungsfähig bleiben wollen. Dasselbe gilt für die Aufforderung, Strukturreformen und wachstumsfördernde Investitionen anzustoßen. Mehr Wachstum verspricht mehr Steuereinnahmen. Das Wachstum ist aber gerade in Europa schwach, besonders in Deutschland. Klamme Staatshaushalte sind die Folge. Dies bekam die Bundesregierung ausgerechnet in Washington zu spüren, weil parallel zur Tagung von IWF und Weltbank in Deutschland die Ergebnisse der Herbst-Steuerschätzung bekannt gemacht wurden.

Schlimmer als befürchtet

Die neuen Löcher im Bundeshaushalt kamen nicht unerwartet. Im konjunkturellen Abschwung laufen die Steuerschätzer stets der Entwicklung hinterher. Aber die Ergebnisse waren schlimmer als befürchtet. Über die ohnehin noch offenen Konsolidierungsposten hinaus steht die Ampel nun vor einer noch größeren Aufgabe, um den Etat 2025 ins Lot zu bringen. Es ist das letzte reguläre Jahr dieser Legislaturperiode und so etwas wie die Abschlussbilanz der Ampel.

Die ohnehin streitbare Stimmung in der Regierung der Drei ist nun zum Zerreißen gespannt. Die Spitzen der Koalition sprechen nicht miteinander, sondern nur noch übereinander – und das nicht gut. Individuelle Vorstöße dienen der politischen Show, sind aber ungeeignet, politisch etwas zu bewegen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kommentierte die Ergebnisse der Steuerschätzung notgedrungen diesmal von Washington aus. Die klare Botschaft an die Koalitionspartner, dass die Löcher durch Priorisierung der Ausgaben zu decken sind und nicht durch zusätzliche Schulden, konnte vor allem beim grünen Koalitionspartner keine Freude auslösen.

Ohne Chance auf Realisierung

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hatte mit seinem Vorschlag, aus einem neuen „Deutschlandfonds“ mit der Gießkanne fünf Jahre lang Investitionszuschüsse zu zahlen, nicht nur Lindner überrascht. Er hatte auch die Finanzierung offen gelassen. Das Vorhaben wäre so enorm teuer, dass es ohne Chance auf Realisierung ist. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) überraschte seine Koalitionspartner mit seinen Plänen zu einem Gipfel mit Industrievertretern und Gewerkschaften an diesem Dienstag. Die FDP fühlte sich davon so sehr provoziert, dass sie selbst zu einem Gipfel einlud – mit Schwerpunkt Mittelstand statt Industrie. Was immer auf dem einen oder anderen Gipfel beschlossen werden könnte, ist unerheblich, solange die Ampel so agiert, wie sie agiert. SPD, Grüne und FDP haben das Vertrauen in die Umsetzung ihrer Vorhaben verspielt. Gegenseitige Blockade ist die bestimmende Strategie. Vieles krankt daran, etwa die dringend nötige Reform der Altersvorsorge.

Vertrauen ist Währung, die auch weltweit zählt. Investitionsattentismus und schwaches Wachstum sind die Folgen von Unsicherheit. Russlands Krieg in der Ukraine, der brennende Konflikt in Nahost und schwelende Spannungen in Asien zwischen China und Taiwan hinterlassen ihre Spuren. Bei den internationalen Banken haben inzwischen Sicherheitsberater und Krisenanalysten Konjunktur, wie sich in Washington zeigte. In Deutschland setzt die Welt – noch – Vertrauen, dass es das Land hinbekommt, wieder Wachstum zu generieren und die Schuldentragfähigkeit zu wahren. Weniger Bürokratie und Regulierung, mehr Investitionen und Aufbruchsgeist können dies ermöglichen. Dafür muss die Ampel liefern – und zwar etwas anderes als Dauerstreit. Es wäre auch ihre beste Versicherung für die nächste Bundestagswahl.

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