Wenn die Schuldenkrise zum Dauerzustand wird
Wenn die Schuldenkrise zum Dauerzustand wird
Musk und DOGE tragen kaum zum Defizitabbau bei – Mangelnde Kompromissbereitschaft der US-Politiker beschwört wirtschaftliche Risiken herauf – Schuldenquote wird in den kommenden Jahren auf weit jenseits von 120 Prozent steigen
Von Peter De Thier, Washington
Zwei Billionen Dollar an Einsparungen, um die US-Staatsschulden in den Griff zu bekommen, lautete die Ansage, als Elon Musk und sein Department of Government Efficiency (DOGE) begannen, den staatlichen Verwaltungsapparat zurechtzustutzen. Zwei Monate nach dem Beginn von „Trump 2“ sorgt die DOGE-Kettensäge täglich für Schlagzeilen. Doch die Ergebnisse lassen zu wünschen übrig. Unterdessen sind die Regierung und der Kongress weiter denn je davon entfernt, die Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen. Die Zahlungsverpflichtungen des Fiskus übersteigen die Wirtschaftsleistung der USA um fast ein Viertel und sind auf Kurs, weiter anzuschwellen. Die Krise droht, zum Dauerzustand zu werden.
Versprechen eines Schuldenabbaus
Es gibt kaum ein anderes Thema, über das sich USA-Politiker so sehr die Köpfe heiß reden: Seit Jahrzehnten fordern fiskalisch konservative Republikaner einen Abbau des Haushaltsdefizits. Seit den achtziger Jahren beschimpfen sie Demokraten als „verschwenderische Liberale“. Dem hält die Opposition dagegen, dass ihre konservativen Gegner zu viel für die Rüstung ausgeben und die „oberen Zehntausend“ steuerlich begünstigen wollen. Doch die seit Dekaden andauernde Debatte ist nicht nur im Sande verlaufen. Das Unvermögen der beiden Großparteien, sich über moderate Steuererhöhungen und vernünftige Ausgabenkürzungen zu verständigen, hat die Zahlungsverpflichtungen der USA auf ein Niveau steigen lassen, das noch vor 20 Jahren als undenkbar galt.
Als die Federal Reserve Bank von St. Louis 1966 begann, die Schuldenquote zu kalkulieren, lag diese bei 40%. Neun Jahre danach schrumpfte der Anteil der Bundesschulden am BIP sogar auf 30%. Seit der Administration des damaligen Präsidenten Gerald Ford ging die Kurve aber bis zum Ausbruch der Corona-Krise ununterbrochen nach oben. Ausgabenprogramme, um die Wirtschaft gegen die Folgen der Pandemie abzufedern, ließen die Quote im zweiten Quartal 2020 auf 133% anschwellen. Nach dem Auslaufen der befristeten Hilfsmaßnahmen ging der Anteil der Zahlungsobligationen 2024 wieder auf knapp 122% zurück.
Gleichwohl befinden sich die öffentlichen Finanzen auf einem potenziell desaströsen Pfad. So erwartet das unabhängige Congressional Budget Office (CBO) in diesem Jahr einen Anstieg der Neuverschuldung um 1,9 Bill. Dollar. Das entspricht einer Defizitquote von 6,2%. Auch machten 2024 Zinszahlungen auf bestehende Obligationen 13% des gesamten Staatshaushalts aus.
DOGE und die Folgen
Halten die Politiker an ihren geltenden Haushaltsplänen fest, dann werden in der kommenden Dekade weitere 20 Bill. Dollar an frischen Schulden dazukommen. Dabei berücksichtigt das CBO nur staatliche Verpflichtungen gegenüber privaten Investoren, ausländischen Staaten oder Notenbanken. Werden auch innerstaatliche Verpflichtungen erfasst, wie der Fed-Ableger in St. Louis dies tut, dann liegen die Werte noch viel höher.
Vor diesem Hintergrund erscheinen Musks Bemühungen sogar durchaus verdienstvoll. Allerdings sind die Aktivitäten von DOGE auch kontraproduktiv. Zum einen, weil die Entlassung von Hunderttausenden von Bundesbediensteten nicht nur die Wirtschaft in der konjunkturstarken Region der Hauptstadt Washington schwächt. Zum anderen gibt es in fast allen Teilen des Landes Ansteckungseffekte, weil tausende von Firmen, die auf Staatsaufträge angewiesen sind, nun leer ausgehen. Sie müssen nun die Produktion zurückfahren und Mitarbeiter entlassen. Die geplanten Streichungen von Sozialleistungen verschärfen die Lage noch weiter. Das schwächt die Kaufkraft jener Haushalte, die auf Zuschüsse für Krankenversorgung, Kinderpflege, Fortbildung und andere Sozialleistungen angewiesen sind.
Im Kontext der Schuldendebatte ist relevant, dass Musk versprochen hat, 2 Bill. Dollar an Ausgaben zu streichen. Dabei hatte DOGE der eigenen Website zufolge bis Freitag nur 115 Mrd. Dollar gespart. Zwar will der Unternehmer das rabiate Sparprogramm über Jahre fortsetzen. Als „Special Government Employee“ ist sein Mandat aber auf 130 Tage befristet. Hinzu kommt, dass die DOGE-Technologie offensichtlich mit gravierenden Fehlern behaftet ist. Wie aus einer Studie der New York Times hervorgeht, werden oft „Milliarden“ mit „Millionen“ verwechselt. Auch soll die Behörde in zahlreichen Fällen Entlassungen von Beamten und deren Wirkung mit Blick das Sparziel doppelt oder dreifach berechnet haben – abgesehen davon, dass auch Behörden betroffen sind, die dem Staat Geld sparen helfen.
Zwar würden die anvisierten 2 Bill. Dollar an Einsparungen das prognostizierte Defizit von 1,9 Bill. Dollar tatsächlich überkompensieren. Allerdings halten sich die Zweifel, dass dieses Ziel auch nur annähernd erreicht werden kann. Die Skepsis ist umso größer geworden, weil Musk nun auch 20% der Mitarbeiter des Internal Revenue Service (IRS) entlassen will. Das dürfte in dieser Größenordnung auf Qualität und Effizienz der Steuereintreibung durchschlagen, der wichtigsten Aufgabe der IRS. Dem Staat gingen also Teile der Steuereinnahmen verloren.
Also auch aus anderen Gründen anzunehmen, dass die Staatsdefizite zunächst weiter ausufern werden. Erst recht, nachdem der US-Senat einen Übergangshaushalt billigte, um einen Shutdown abzuwenden. Außer marginalen Änderungen beim Verteidigungsetat und den Sozialausgaben werden nämlich 6,8 Bill. Dollar an Ausgabenprogrammen aus der Ära von Ex-Präsident Joe Biden fortgesetzt. Diese hatten maßgeblich zu dem steigenden Passivsaldo beigetragen.
Diskussion um Tragfähigkeit
Zwar argumentieren einige Ökonomen, dass die Staatsschulden immer tragfähig bleiben werden. Mit dem Dollar als Weltreservewährung würde die weltgrößte Volkswirtschaft immer Abnehmer für ihre Anleihen finden, meinen sie. Die meisten Experten sehen das aber inzwischen anders. Deutliche Warnungen kommen von einer Studie des Bipartisan Policy Center: So würden steigende Schulden nicht nur die Inflation befeuern, sondern „zunehmend private Investitionen verdrängen, die Neueinstellungen, Innovation und Wachstum fördern“, meint der Thinktank. Unterdessen ist schwer vorstellbar, dass in einem tief gespaltenen politischen Umfeld sich die beiden Großparteien auf Kompromisse verständigen werden. Der Weg zur schwelenden Schuldenkrise, die ein Dauerzustand wird, ist also vorgezeichnet.