Wero läuft in die gleiche Falle wie Paydirekt
Wero läuft in die Paydirekt-Falle
Von Anna Sleegers
Mehr europäische Souveränität im Zahlungsverkehr ist ein wichtiges Ziel. Als Argument, um Kunden für den Zahlungsdienst Wero zu gewinnen, taugt es leider nicht.
Zahlungsdienste
Es ist eine bittere Lektion für fast jeden Gründer: Geschäftsideen fliegen nur, wenn sie ein Bedürfnis erfüllen oder, besser noch, ein Problem lösen können. Ein Teil der deutschen Kreditwirtschaft scheint diese Lektion nach der kostspieligen Pleite von Paydirekt unbedingt wiederholen zu müssen. Dieser Eindruck drängte sich jedenfalls kürzlich auf einer Veranstaltung im Frankfurter Bankenviertel auf. Anlässlich der Anbindung an die Postbank-App rührten die hiesigen Granden der verbliebenen europäischen Paymentinitiative dort kräftig die Werbetrommel für Wero.
Vollintegration ist aufwendig
Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben den Zahlungsdienst unter erheblichen Anstrengungen bereits in die eigenen Apps integriert. Da klingt es vielversprechend, dass nun die Postbank nachzieht und ihren Kunden einen Zugang zu dem grenzüberschreitenden Zahlungsdienst bietet. Warum sie ihn nutzen sollten, ist jedoch gar nicht so einfach zu beantworten. Der „Schritt in Richtung einer einheitlichen europäischen Zahlungslandschaft“, den der Chef des Personal Bankings der Deutschen Bank darin sieht, taugt als Argument eher nicht.
Transaktionskosten trägt meist der Händler
Bezahlen ist lästig, Bankkunden sind träge und die Transaktionskosten trägt meist der Händler. Was spricht also dafür, sich durch den Registrierungsprozess zu quälen, wenn es doch bereits funktionierende Alternativen gibt? Im Inland favorisiert der Handel nach wie vor die gute alte Girocard, aka EC-Karte. Im Ausland werden Debit- oder Kreditkarten in der Regel akzeptiert. Ob er dafür die Kunststoffkarte zücken muss, ist für den Kunden höchstens dann von Belang, wenn er sein Portemonnaie im Hotelzimmer gelassen hat. Dann kann er meistens immer noch auf das Handy zurückgreifen, wenn er die Karte über Apple Pay oder Google Pay hinterlegt hat. Dass er stattdessen lieber auf Wero zurückgreift, wenn er sich gerade in einem der fünf angeschlossenen Länder bewegt, ist Wunschdenken.
Paypal hat sich neue Kundengruppe erschlossen
Auch für diejenigen, die sich scheuen, beim Bezahlvorgang von Online-Geschäften ihre Kreditkartennummer einzugeben, gibt es Alternativen: Vorauskasse per Banküberweisung oder der Paypal-Button. Dem Bankenschreck aus dem Silicon Valley ist es zudem gelungen, sich durch den Ausbau des Leistungsangebots völlig neue Kundengruppen zu erschließen. Denn die Möglichkeit, Kleinstbeträge im privaten Umfeld digital einzusammeln, erfüllt ein echtes Bedürfnis. Das wissen nicht nur Elternvertreter, die in diesen Tagen versuchen, das Geld einzutreiben, das sie beim Kauf des Gemeinschaftsgeschenks für die Klassenlehrerin vorgelegt haben. Wer sich zu diesem Zweck die Paypal-App heruntergeladen und seine Schulden binnen weniger Sekunden beglichen hat, wird auch beim nächsten Online-Kauf vermutlich diese Option in Erwägung ziehen. Ein derart niedrigschwelliges Angebot überzeugt auch weniger digitalaffine Nutzer.
Instant Payment als Alleinstellungsmerkmal
Natürlich hat EPI-Chefin Martina Weimert Recht, wenn sie die Echtzeitabwicklung als Alleinstellungsmerkmal von Wero herausstellt. Aber auch hier scheint durch, wie verschwommen die Interessenlage der Stakeholder wahrgenommen wird. Instant Payment ist gut für den Händler, der nicht in Vorleistung gehen muss, wenn er die Ware aushändigt oder verschickt. Und es erfüllt eine zentrale Forderung der Notenbanker, die eine zeitgemäße Infrastruktur für den Zahlungsverkehr fordern. Dem Bankkunden aber, den die Europäische Zahlungsinitiative für Wero begeistern will, dürfte es reichlich egal sein, ob das Geld sofort oder erst übermorgen abgebucht wird.
Private Banken halten sich zurück
Angesichts der geringen Empathie, die das EPI-Projekt für die Kunden aufbringt, ist die Zurückhaltung der privaten Banken verständlich. Während die Commerzbank sich dem Projekt gar nicht erst angeschlossen hat, sieht auch die Deutsche Bank von der technisch anspruchsvollen Komplettintegration vorerst ab. Mittelfristig will sie Wero per Schnittstelle mit der eigenen App verknüpfen. Ob es dazu wirklich kommt, dürfte maßgeblich von der Resonanz der seit dieser Woche mit dieser Option beglückten Postbank-Kunden abhängen.