Bankenbranche

Wir brauchen eine zukunfts­gerichtete Reform des Tarifvertrags

Das Lohnniveau in den Banken ist bereits jetzt sehr gut, und die temporäre Erhöhung der Infla­tion ist eben das – vorübergehend und zeitlich begrenzt.

Wir brauchen eine zukunfts­gerichtete Reform des Tarifvertrags

Die Coronakrise hat Deutschland hart getroffen: Die Wirtschaftsleistung ist im vergangenen Jahr um 5% eingebrochen. Gleichzeitig hat sich der Schuldenstand des Bundes seit Pandemiebeginn um 35% erhöht. Die Arbeitslosenquote ist zum ersten Mal seit 2013 gestiegen, und hunderttausende Menschen sind in Kurzarbeit. Die Zahl der geschlossenen Ausbildungsverträge ist im zurückliegenden Jahr um fast 10% ge­sunken.

Risiko einer Insolvenzwelle

Das sind erschreckende Zahlen. Und dabei sind die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie noch nicht einmal vollständig bilanzierbar. Durch die zeitweise Aussetzung der Insolvenzantragspflicht schieben wir womöglich eine Bugwelle von Unternehmensinsolvenzen vor uns her.

Im Bankensystem werden die negativen Auswirkungen der Pandemie deshalb erst langsam und über einen längeren Zeitraum hinweg zu spüren sein. Die Institute versuchen sich durch eine entsprechende Risikovorsorge zu rüsten – nicht leicht in einer Situation, in der das anhaltende Niedrigzinsumfeld und die Kosten der Regulierung die Ertragssituation der Banken schon seit Jahren unter Druck setzen.

Neben den direkten ökonomischen Auswirkungen hat Corona den großen Zukunftstrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit einen enormen Schub verpasst. Unternehmen und auch Banken mussten sich im Rekordtempo digital neu aufstellen – auch, damit ein Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Schutz ihrer Gesundheit aus dem Mobile Office heraus arbeiten konnte. Für die Beschäftigten der öffentlichen Banken ebenso wie für die Institute selbst war und bleibt die Situation belastend. Auch das Thema Nachhaltigkeit hat noch einmal an Relevanz gewonnen. Politik und Gesellschaft nehmen Banken dabei stärker in die Pflicht. Und auch die Institute selbst stellen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, die mit vielen Chancen, vor allem aber mit jeder Menge Herausforderungen verbunden ist.

Start der Tarifverhandlungen

Vor dieser schwierigen Gemengelage beginnen in dieser Woche die Tarifgespräche der öffentlichen Banken. Als Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) verhandeln wir ab diesem Jahr wieder eigenständig für die 43 Institute der Tarifgemeinschaft Öffentlicher Banken mit ihren mehr als 60000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Im vergangenen Jahr haben wir uns aus der Verhandlungspartnerschaft mit den privaten Banken gelöst. So können wir passgenauere Angebote unterbreiten, die die besondere Situation der öffentlichen Banken und ihrer Beschäftigten abbilden.

Für uns sind die Gewerkschaften dabei ganz klar Partner auf Augenhöhe. Wir wollen keine öffentlichkeitswirksame Konfrontation und Auseinandersetzung.

Dialog statt Konfrontation

Stattdessen streben wir einen konstruktiven und vertrauensvollen Dialog mit den Gewerkschaften an – und Ergebnisse, die die wirtschaftlichen Realitäten abbilden und gleichzeitig den Weg in eine gute Zukunft für die Institute und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebnen.

Folgende drei Punkte sind dabei zentral:

Erstens: Der Tarifvertrag muss die strukturellen Grundlagen für die Gestaltung der Zukunftsthemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit schaffen: Die digitale Arbeitswelt lässt Themen wie Mobile Office und flexible Arbeitszeitgestaltung in den Fokus rücken. Gleichzeitig gewinnen Fragestellungen rund um Nachhaltigkeit massiv an Bedeutung – bei der Gestaltung der eigenen Arbeit ebenso wie bei der Ausbildung. Insbesondere die junge Generation setzt hier neue Prioritäten. Als öffentliche Banken nehmen wir unseren gesellschaftlichen Auftrag sehr ernst und wollen hier strukturelle Weichen stellen.

Flexibilität entscheidend

Zweitens: Notwendig dafür ist eine Reform des Entgeltsystems. Flexibilität ist eines der wichtigsten Kriterien, um sich zukunftsfest aufzustellen. Deshalb wollen wir das Tarif-Entgeltsystem so strukturieren, dass es sich agil an neue Entwicklungen in der Arbeitswelt anpassen kann. Gemeinsam mit den Gewerkschaften wollen wir ein neues System entwickeln, das die heutige und künftige Bankenwelt zeitgemäß abbildet. Dazu haben wir bereits sehr konstruktive Gespräche mit den Gewerkschaften aufgenommen.

Drittens: Voraussetzung dafür, dass wir diese sehr wichtigen Zukunftsthemen angehen können, ist ein Gehaltsabschluss mit Augenmaß. Die Folgen der Corona-Pandemie werden die Institute in den kommenden Monaten und Jahren treffen. Parallel dazu setzt das anhaltende Niedrigzinsumfeld die Ertragssituation der Banken massiv unter Druck. Das Lohnniveau in den Banken ist – nicht zuletzt aufgrund der Abschlüsse in der Vergangenheit – bereits jetzt sehr gut, und die temporäre Erhöhung der Inflation ist eben das – vorübergehend und zeitlich begrenzt. Deshalb würde eine Inflationsausgleichsdebatte die zentralen Realitäten nicht in den Blick nehmen.

Zukunftsfeste Banken

Als VÖB sind wir angetreten, in den anstehenden Tarifgesprächen die notwendigen Weichen für eine zukunftsfeste Bankenlandschaft mit guten und modernen Arbeitsplätzen zu stellen. Wir brauchen einen zukunftsgerichteten Tarifabschluss – nicht irgendwann, sondern jetzt! Ich bin mir sicher: Gemeinsam mit den Gewerkschaften wird uns das gelingen.

Gunar Feth ist Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbandes der öffentlichen Banken in den anstehenden Tarifverhandlungen.

In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.