Bürokratie

Wirtschaft dringt auf einfachere Mindest­steuer

Die deutsche Industrie sieht die Einführung der Mindeststeuer wenig euphorisch. Sie befürchtet ein Bürokratieungetüm und macht Vereinfachungsvorschläge.

Wirtschaft dringt auf einfachere Mindest­steuer

Von Angela Wefers, Berlin

Noch hängt die Einführung der globalen Mindeststeuer in Europa politisch fest. Doch die Hoffnung der französischen EU-Präsidentschaft ist groß, beim nächsten – und zugleich letzten Ecofin unter ihrem Vorsitz – den gordischen Knoten zu durchschlagen. Die EU-Finanzminister tagen am 17. Juni in Luxemburg. In Steuersachen herrscht Einstimmigkeitsprinzip.

Polen hatte bislang Vorbehalte gegen die Einführung der globalen Mindeststeuer in Europa. Nun könnte sich die Führung in Warschau nach der Freigabe von Geldern aus dem europäischen Wiederaufbaufonds aber kompromissbereiter zeigen. Mit einem Beschluss über die Mindeststeuer in Europa wäre ein wichtiges, selbst gesetztes Ziel der Regierung in Paris erfüllt.

Weniger euphorisch wird die Einführung der globalen Mindeststeuer jedoch in der deutschen Wirtschaft gesehen. Der Industrieverband BDI stellt dabei nicht die Steuer selbst infrage, denn im Hochsteuerland Deutschland hat diese nur geringe Auswirkungen. Besteuert wird der effektive Gewinn mit 15%. Betroffen sind grenzüberschreitend tätige Unternehmen mit einem weltweiten Umsatz von mindestens 750 Mill. Euro. Die deutsche Industrie hadert jedoch mit „technischen Mängeln“. Denn anders als die Finanzadminis­tration und die OECD, die einen einfachen Ansatz versprochen haben, sieht der BDI darin ein Bürokratieungetüm mit erheblichem finanziellen Risiko bei auch nur kleinen Verstößen. „Es braucht vereinfachte Verfahren, damit Unternehmen die Vorgaben rechtssicher und mit be­herrschbarem Bürokratieaufwand um­setzen können“, forderte Wolfgang Niedermark aus der BDI-Hauptgeschäftsführung vor dem Mai-Ecofin. „Sonst können wir unser Ziel, ein internationales Level Playing Field in der Besteuerung von Unternehmensgewinnen, nicht erreichen.“

Faktisch erst 2024

Knapp 140 Staaten hatten sich auf diese neue Belastung der Unternehmensgewinne verständigt. Das Konzept war unter dem Dach der OECD entwickelt worden. Europa setzt die Vereinbarung nun gemeinschaftlich um. Vom ambitionierten politischen Ziel, die Steuer bereits von 2023 an zu erheben, sind die EU-Finanzminister bereits abgerückt. Sie soll formal Ende Dezember 2023 eingeführt werden: Damit wäre der politischen Vorgabe genüge getan, noch im Jahr 2023 zu starten. Faktisch würde die Steuer aber erst 2024 erhoben. Der BDI setzt sich „mit Nachdruck“ für eine „Verschiebung auf mindestens 2024“ ein wegen der „enormen Komplexität der Neuregelung“.

Mit Nachdruck plädiert die deutsche Wirtschaft auch für Vereinfachungsvorschläge. „Das Aufkommenspotenzial der Mindeststeuer ist gering, wohingegen die Befolgungskosten dazu in keiner Proportion stehen“, schreibt der BDI in einem Positionspapier. Das Ifo-Institut rechnet in Deutschland durch die Mindeststeuer mit zusätzlichen Einnahmen aus Unternehmensgewinnen von 1,7 bis 6,2 Mrd. Euro. In welchem Umfang das geschieht, hängt Ifo-Chef Clemens Fuest zufolge stark von der Reaktion der Niedrigsteuerländer ab. Die Schätzung basiert auf der Vor-Corona-Datenbasis von 2016 bis 2019. Das Körperschaftsteueraufkommen lag 2019 bei 32,0 Mrd. Euro. In diesem Jahr erwarten die Schätzer bereits ein Aufkommen von 41,8 Mrd. Euro. Bis 2026 soll es auf 48,6 Mrd. Euro steigen.

Vier zentrale Vorschläge zur Vereinfachung der Mindeststeuer in der technischen Umsetzung macht der BDI. Allen voran soll der administrative Aufwand reduziert werden, indem Hochsteuerländer mit einer gesicherten Besteuerung von mehr als 15% auf einer sogenannten „White List“ geführt werden. Die Berechnung eines effektiven Steuersatzes nach den in der OECD entwickelten GloBE-Vorschriften (Global Anti-Base Erosion Proposal) wäre dann überflüssig. Die Zahl der Fälle würde deutlich reduziert. In Deutschland liegt die steuerliche Gesamtbelastung laut Tax Foundation aus dem Bericht 2021 bei 31,3%, im OECD-Durchschnitt bei 23,5%. Weitere Erleichterungen erhofft sich der BDI bei der Datenerfassung. Diese sei komplex und verursache den höchsten Verwaltungsaufwand. Erleichternd wäre es, etablierte Berichtssysteme zu nutzen, wie das Country-by-Country-Reporting und die IFRS-Bilanzierung.

Bagatellgrenzen sollen helfen

Berücksichtigt wissen will der Industrieverband auch latente Steuern. Temporäre Effekte dauerten oft länger als die aktuell vorgesehene Fünfjahresperiode. Somit werde nur ein Bruchteil der Steuerzahlungen betrachtet. Latente Steuern sollten laut BDI deshalb so übernommen werden, wie sie im IFRS-Abschluss ausgewiesen sind. Schließlich setzt sich der BDI für eine Bagatellgrenze für kleine Gesellschaften ein. So sollten Unternehmen mit unwesentlicher wirtschaftlicher Aktivität aus den Berechnungs- und Dokumentationsvorschriften der Mindeststeuer ausgenommen werden. Die aktuelle „De-minimis“-Ausnahme – mit einer Umsatzschwelle von 10 Mill. Euro und einer Gewinnschwelle von 1 Mill. Euro – sei umständlich. Um die Schwellen zu ermitteln, müsse zunächst aufwendig gerechnet werden. Umsatz- und Gewinnschwellen sollten deshalb für einzelne Gesellschaften und nicht länderbezogen festgelegt werden, rät der BDI.

Sollten die Wünsche der Wirtschaft erhört werden, müssten die Finanzminister sie im Ecofin noch aufgreifen. Das Europäische Parlament dürfte keine weitere Hürde sein: Die Steuer wird dort mit breiter Mehrheit unterstützt.

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